Alternative Zugänge zum MedizinstudiumLandarztquote und Quote Öffentlicher Gesundheitsdienst
Im Folgenden sprechen wir oft nur noch von der Landarztquote, meinen damit aber auch die Quote Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) – so sie im jeweiligen Bundesland überhaupt relevant ist. Gibt es beide Quote, kannst du dich in der Regel auch auf beide bewerben – ganz wie du möchtest.
1. Für wen ist die Landarztquote etwas?
Wer gerade erst seit Abitur gemacht hat, braucht sich mit der Landarztquote eigentlich nicht zu beschäftigen.
War das Abitur sehr gut, klappt es ja vielleicht schon im normalen Verfahren. War das Abitur nicht so herausragend, wie es auf Grund der vielen Bewerber:innen im Auswahlverfahren faktisch sein muss, so nutzt die Landarztquote noch nichts. Bei allen Unterschieden im Detail in den verschiedenen Bundesländern: Überall gibt es viele Punkte für den Tests für Medizinische Studiengänge (TMS). Also muss der absolviert sein – wer die im Abiturjahr macht, bekommt das Ergebnis aber zu spät für die Bewerbung auf die Landarztquote. Und noch viel entscheidender: bis zu 40% der Punkte für das Landarzt-Auswahlverfahren werden für Ausbildungen, Berufs- oder ehrenamtliche Tätigkeit / Freiwilligendienste in einschlägigen Bereichen vergeben. Und da kannst du als Abiturient:in wohl kaum etwas aufweisen und wirst keine Chancen haben.
Für wen also dann?
Am wichtigsten: Wirkliches Interesse, als Landarzt oder Amtsarzt tätig zu sein
Keine Einschränkungen, an welchen Orten du studieren willst und später arbeiten musst (da du nur begrenzt oder evt. gar keine Wahl haben wirst)
Test für Medizinische Studiengänge (TMS) bereits gemacht
Ausbildung und/oder längere (ehrenamtliche) Tätigkeit in einschlägigen Bereichen
Dabei gilt: Wer bei einem der Kriterien für Punkte im Auswahlverfahren offensichtlich wenig zu bieten hat, sollte bei den anderen um so mehr bieten können, um gute Chancen zu haben. Wobei es letztlich auf die konkreten Bewerber:innen ankommt und wegen der langjährigen Verpflichtung kommt das Verfahren ja nicht für alle in Frage, du solltest es also so oder so versuchen, wenn das Interesse an Medizin groß ist und die anderen Wege nicht in Frage kommen.
Mit sehr gutem TMS, langen Tätigkeiten und „ganz guter“ Abinote hast du wahrscheinlich auch Chancen über die Zusätzliche Eignungsquote (ZEQ) oder das Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) im „normalen Verfahren“ – und dann ganz ohne Vertragspflichten.
Auch bei Zweitstudium eine Möglichkeit
Hast du dagegen schon ein anderes Studium abgeschlossen, wäre das Medizinstudium also dein Zweitstudium, so könnte gerade auch bei gutem Abitur die Landarztquote für dich relevant sein: Ein Medizinstudienplatz im Zweitstudium ist ohne guten Grund nicht zu bekommen – und der muss beruflich oder wissenschaftlich sein. Du musst also mit dem Erststudium oder der (in der Regel ja auch vom Studium abhängigen) beruflichen Tätigkeit einen Bezug zum Medizinstudium herstellen und durch Forschung oder berufliche Tätigkeit belegen können. Wer also so etwas nicht nachweisen kann, dem bleibt eigentlich nur die Landarztquote. Die Bundesländer begrüßen explizit auch solche Bewerber:innen.
2. Welche Bundesländer bieten Medizinstudienplätze über die Landarztquote an? Wie viele Studienplätze werden vergeben?
Bisher haben zehn Bundesländer die Landarztquote schon eingeführt, in Thüringen soll sie zum Wintersemester 2024/2025 eingeführt werden. ÖGD-Quoten gibt es in vier Bundesländern. Für einige haben wir bereits Artikel mit Detailinfos zusammengestellt.
Baden-Württemberg
Bayern (auch ÖGD)
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Rheinland-Pfalz (auch ÖGD)
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt (auch ÖGD)
Thüringen (ab WiSe 24/25 geplant)
Grundsätzlich können insgesamt bis zu 10% der Medizin-Studienplätze an staatlichen Universitäten für Landarzt- und ÖGD-Quote reserviert werden, wobei unseres Wissens nur Niedersachsen die Quote voll ausschöpft. Im Ergebnis geht es dann je nach Land um ca. 20 (Saarland, Sachsen-Anhalt) bis fast 200 Studienplätze (Nordrhein-Westfalen).
3. Hintergrund Landarztquote und Quote Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD)
Viele Bundesländer sind an einer zielgerichteten Stärkung der medizinischen Versorgung in zwei Bereichen interessiert: 10 Bundesländer im ländlichen Raum („Landärztin/Landarzt gesucht“) und (bisher nur vier Bundesländer) im Öffentlichen Gesundheitsdienst (Amtsärztin/Amtsarzt). Deswegen wird ein bestimmter Anteil der Medizinstudienplätzen an den staatlichen Universitäten für diese Quoten reserviert. Die Plätze werden dann über spezielle Vorabverfahren vergeben.
Wer so einen Platz bekommt, verpflichtet sich, nach erfolgreichem Medizinstudium eine passende Fortbildung zu machen. Diese hat bei der Landarztquote das Ziel Allgemeinarzt, teilweise auch Kinderarzt. Bei der ÖGD-Quote muss es entsprechend eine Facharztausbildung für das Öffentliche Gesundheitswesen sein.
Darüberhinaus verpflichtest du dich, mit der erworbenen Qualifikation als Hausarzt oder Amtsarzt 10 Jahre im Bundesland tätig zu sein, wobei dir nur bestimmte Stellen angeboten werden können – in Regionen, bei denen Mangel herrscht oder droht.
4. Wie funktioniert die Bewerbung? Wie sind die Fristen?
Da Bildung ja Ländersache ist, haben die Bundesländer alle ihre eigenen Gesetze gemacht und Details unterschiedlich geregelt. Immerhin gibt es auch viele Gemeinsamkeiten.
Erste Auswahlstufe
Im ersten Schritt muss man sich elektronisch bewerben und in den meisten Ländern diverse Unterlagen – und die auch noch amtlich beglaubigt – parallel dazu per Post einsenden.
Bewerbungsfrist ist oft der 28. Februar, in Nordrhein-Westfalen der 31. März für das Wintersemester im gleichen Jahr.
Bewerbungsbeginn jeweils der Monatsanfang, in Sachsen schon ab 15. Januar.
In Nordrhein-Westfalen gibt es auch ein Bewerbungsverfahren für das Sommersemester, hierfür ist die Bewerbungsfrist der 30. September des Vorjahres.
Bitte die Infos der Bundesländer sehr genau durchlesen. Überall gilt unseres Wissens nämlich, dass du nicht über fehlende Unterlagen informiert wirst – du nimmst dann einfach nicht am Verfahren teil bzw. mit weniger Punkten, wenn beispielsweise das Ergebnis des TMS nicht dabei ist. Wichtig auch: In fast allen Bundesländern müssen die Unterlagen, die per Post (oder auch persönliches Vorbeibringen) einzureichen sind, bei Fristende eingegangen sein. Es zählt also nicht das Datum des Poststempels, sondern das Datum des Eingangsstempel der Stelle, bei der die Unterlagen eingehen müssen.
Alle Länder vergeben für den TMS Punkte, in der Regel 40% der möglichen. Die meisten Länder (außer Hessen) vergeben auch für die Abinote Punkte, meist bis zu 20% der möglichen. Der Rest wird für Ausbildungen und berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten in einschlägigen Bereichen vergeben. Hier unterscheiden sich die Details leider (wie viel Punkte für was genau, welche Zeiten mindestens/höchstens mit Punkten belohnt werden etc.).
Die folgende Liste sollte in allen Bundesländern gleich sein. Ohne Gewähr!
Altenpflegerin / Altenpfleger
Anästhesietechnische Assistentin / Anästhesietechnischer Assistent
Arzthelferin /Arzthelfer
Biologielaborantin / Biologielaborant
Chemielaborantin / Chemielaborant
Diätassistentin / Diätassistent
Ergotherapeutin / Ergotherapeut
Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin / Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger
Gesundheits- und Krankenpflegerin / Gesundheits- und Krankenpfleger
Hebamme / Entbindungspfleger
Kinderkrankenschwester/ Kinderkrankenpfleger
Krankenschwester / Krankenpfleger
Logopädin / Logopäde
Medizinische Fachangestellte / Medizinischer Fachangestellter
Medizinisch-technische Assistentin / Medizinisch-technischer Assistent - Funktionsdiagnostik
Medizinisch-technische Assistentin / Medizinisch-technischer Assistent
Medizinisch-technische Laboratoriumsassistentin / Medizinisch-technischer Laboratoriumsassistent
Medizinisch-technische Radiologieassistentin / Medizinisch-technischer Radiologieassistent
Medizinlaborantin / Medizinlaborant
Notfallsanitäterin / Notfallsanitäter
Operationstechnische Angestellte / Operationstechnischer Angestellter
Operationstechnische Assistentin / Operationstechnischer Assistent
Orthoptistin / Orthoptist
Pflegefachfrau / Pflegefachmann
Physiotherapeutin / Physiotherapeut
Radiologisch-technische Assistentin / Radiologisch-technischer Assistent
Rettungsassistentin / Rettungsassistent
Veterinärmedizinisch-technische Assistentin / Veterinärmedizinisch-technischer Assistent
Zweite Auswahlstufe
Die besten Bewerber:innen der ersten Stufe (doppelt so viele, wie es Plätze gibt) werden dann zu einem standardisierten Auswahlgespräch eingeladen. Die dort erbrachten Leistungen werden ebenfalls mit Punkten bewertet und mit den Punkten der ersten Auswahlstufe zusammengerechnet.
Wer schließlich insgesamt die meisten Punkte hat, bekommt einen Platz.
5. Welche Verpflichtung du eingehst
Auch wenn es im Detail kleine Unterschiede geben kann: In allen Ländern mit den beschriebenen Quoten musst du einen Vertrag unterschreiben, wenn du einen solchen Platz haben möchtest. Die vorgesehene Vertragsstrafe beträgt 250.000 €. Sie würde fällig, wenn du das Medizinstudium erfolgreich abschließt, aber dann nicht die Facharztausbildung in der für die Quote vorgesehenen Fachrichtung machst oder danach nicht die 10 Jahre Vollzeit-Tätigkeit im jeweiligen Bundesland dort erfüllst, wo Bedarf besteht.
Keine Strafzahlung tritt ein, solltest du das Medizinstudium nicht schaffen und endgültig abbrechen. Ansonsten hat man in allen Bundesländern mit Mitteilung, dass man einen Platz über die Landarzt- bzw. ÖGD-Quote erhalten hat, noch bis zum 30. Juni (für das darauffolgende Wintersemester) eine allerletzte Rücktrittsmöglichkeit vom Vertrag (teilweise auch bis zum ersten Werktag im Juli; bitte den eigenen Vertrag genau durchsehen!). In Nordrhein-Westfalen, wo es auch ein Bewerbungsverfahren für das Sommersemester gibt, ist der 31. Dezember die letzte Rücktrittsmöglichkeit.
Die Rücktrittsmöglichkeit ist natürlich auch dann relevant, falls du dich parallel in mehren Bundesländern auf die Landarztquote (oder ÖGD-Quote) bewirbst und auch in mehreren Ländern in die zweite Auswahlstufe kommst. Dann musst du in der Regel den Vertrag schon unterschreiben. Aber hast eben noch die letzte Rücktrittsmöglichkeit, die du dann auch nutzen musst in allen Ländern bis auf eines, denn sonst zahlst du in mindestens einem Land die Strafe …
6. Hintergrund zur und Kritik an der Landarztquote
Die Landarztquoten in den Ländern wurden eingeführt, weil es in ländlichen Gegenden an Ärzten mangelt – anders als in Städten (wobei auch dort starke Unterschiede zwischen „armen“ und „reichen“ Stadtteilen bestehen können). Dafür gibt es eine Menge Gründe. Unter anderem werden mangelnden berufliche Entwicklungsmöglichkeiten gesehen und bereits im Studium das Berufsbild Allgemeinarzt und insbesondere „Landarzt“ offenbar zu wenig und nicht immer wertschätzend behandelt.
Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) hatte schon 2018 in einem Positionspapier „Strategien zur Begegnung des Haus- und Landärztemangels“ zusammengestellt und dabei die Landarztquote explizit abgelehnt.
Auch wenn alle, die persönlich von der Quote zu profitieren hoffen, dies natürlich tun sollten, ist es doch empfehlenswert, das Papier des bvmd durchzulesen. Auch die Politik wäre gut beraten, die Ideen aufzunehmen – dann dürfte eine Landarztquote gar nicht mehr nötig sein.
Gesetzliche Grundlagen
- Baden-Württemberg: Gesetz zur Unterstützung der Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen des öffentlichen Bedarfs in Baden-Württemberg (Landarztgesetz Baden-Württemberg) und Verordnung der Landesregierung und des Sozialministeriums zur Durchführung des Landarztgesetzes Baden-Württemberg (Landarztgesetz-Durchführungsverordnung – LArztG-DVO)
- Bayern: Bayerisches Land- und Amtsarztgesetz (BayLArztG) und Verordnung zur Durchführung des Bayerischen Land- und Amtsarztgesetzes (DVBayLArztG)
- Hessen: Gesetz zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Hessen (GHVÖG) und Verordnung zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung und des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Hessen
- Mecklenburg-Vorpommern: Gesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen mit besonderem öffentlichen Bedarf des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landarztgesetz Mecklenburg-Vorpommern - LAG M-V) und Verordnung zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen mit besonderem öffentlichen Bedarf des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landarztgesetzverordnung - LAG-VO)
- Nordrhein-Westfalen: Gesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Landes Nordrhein-Westfalen (Landarztgesetz Nordrhein-Westfalen – LAG NRW) und Verordnung zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Landes Nordrhein-Westfalen (Landarztverordnung - LAG-VO)
- Rheinland-Pfalz: Landesgesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in ländlichen Regionen des Landes Rheinland-Pfalz und Landesverordnung zur Durchführung des Landesgesetzes zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in ländlichen Regionen des Landes Rheinland-Pfalz
- Saarland: Gesetz Nr. 1993 zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Saarlandes (Landarztgesetz Saarland) und Verordnung zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Saarlandes (Landarztverordnung Saarland)
- Sachsen: Sächsisches Landarztgesetz und Sächsische Landarztverordnung
- Sachsen-Anhalt: Gesetz zur Sicherstellung der haus- und amtsärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Landes Sachsen-Anhalt (Land- und Amtsarztgesetz Sachsen-Anhalt - LAAG LSA) und Verordnung zur Sicherstellung der haus- und amtsärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Landes Sachsen-Anhalt (Land- und Amtsarztverordnung – LAAVO)