Medizinstudium in Nordrhein-WestfalenLandarztquote nutzen
1. Was ist die Landarztquote in Nordrhein-Westfalen und für wen ist sie interessant?
Trotz massivem Ärztemangel, der im Übrigen im ganzen Land herrscht, konnte man sich noch nicht dazu durchringen, die Festsetzung des Numerus clausus zu hinterfragen oder die Zahl der Studienplätze massiv zu erhöhen.
Um den Mangel an Hausärzten auf dem Land anzugehen, haben mehrere Bundesländer wie u.a. Nordrhein-Westfalen mit der Landarztquote ab 2020 eine alternative Zugangsmöglichkeit zum Medizinstudium geschaffen.
Dabei sind pro Semester 7,8 Prozent aller verfügbaren Studienplätze an staatlichen Universitäten des Landes NRW gemäß dem „Landarztgesetz Nordrhein-Westfalen“ reserviert. Ihre Zahl variiert pro Semester im Bereich von ca. 175 bis 200. Diese Studienplätze stehen Bewerber:innen offen, die sich nach dem Studium vertraglich zu einer Tätigkeit als Hausarzt auf dem Land verpflichten.
Das Studieren wird durch die Quotenregelung unabhängig vom NC möglich, womit sich insbesondere Kandidat:innen mit einem nicht ganz so guten Abitur-Schnitt verstärkt bewerben können. Besonders geeignet ist diese Eintrittsmöglichkeit für Bewerber:innen, die Interesse an einer hausärztlichen Tätigkeit im ländlichen Raum Nordrhein-Westfalens haben.
2. Bewerbungsverfahren, Fristen und Auswahlprozess – das liegt vor dir
Wer früher nicht den passenden NC für eine Studium der Humanmedizin hatte, konnte durch das Absitzen von Zeit (meist im Bereich von über 7 Jahren) über die Wartezeitquote doch einen Platz bekommen. Seit 2022 werden Wartesemester jedoch im Vergabeverfahren für Medizin gar nicht mehr berücksichtigt.
Grundsätzlich kann sich jedermann mit einer Hochschulzugangsberechtigung auf einen solchen Landarztquotenplatz bewerben. Daran schließt sich ein mehrstufiges Auswahlverfahren an. Dieses besteht aus einer Vorauswahl, einem Auswahlgespräch und der abschließenden Bewerberauswahl.
Welche Fristen und Termine sind einzuhalten?
Seit der Erstauflage des Programms hat sich herausgestellt, dass die Studienplätze begehrt sind. Auf einen Studienplatz kommen im Durchschnitt acht Bewerber:innen. Dementsprechend sind für die Bewerbung sowohl zum Wintersemester als auch zum Sommersemester klare Fristen gesetzt.
Die Bewerbung selbst erfolgt in NRW über ein Online-Bewerber-Portal. Dieses ist jeweils für das Wintersemester vom 1. März bis zum 31. März freigeschaltet. Nach dem 31. März ist keine Bewerbung mehr für das jeweils anstehende Wintersemester möglich.
Die online ausgefüllte Bewerbung muss ausgedruckt, unterschrieben und mit den nötigen Unterlagen per Post oder direkt beim Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW), Gesundheitscampus 10, 44801 Bochum eingereicht werden. Und zwar so, dass der Antrag rechtzeitig bis zum Fristende ankommt!
Beachte auch das Merkblatt Antragsunterlagen.
Der Bewerbungszeitraum für das jeweilige Sommersemester beginnt am 1. September und endet am 30. September. Die Einladung der Bewerber:innen zum Auswahlgespräch nach der Vorauswahl erfolgt jeweils ca. sechs bis acht Wochen nach Bewerbungsschluss.
Auswahlverfahren Stufe 1: Die Vorauswahl
Im Angesicht des Ansturms auf die Studienplätze findet zunächst eine Vorauswahl unter allen eingegangenen Bewerbungen statt. Grundvoraussetzung ist eine Hochschulzugangsberechtigung in der Regel das Abitur. Die Abschlussnote geht dabei zu 30 Prozent in das Verfahren ein. Ebenso hoch gewichtet wird mit 30 Prozent das Ergebnis des Tests für Medizinische Studiengänge (TMS).
Der TMS kann mittlerweile in über 70 deutschen Städten im Vorfeld der Bewerbung abgelegt werden. Das für sich genommen größte Gewicht hat jedoch einschlägige Berufserfahrung bzw. eine Ausbildung im medizinischen Bereich.
Dieser Bereich wird in der Vorauswahl mit 40 Prozent gewichtet, wobei ein maximaler Tätigkeitsraum von 48 Monaten berücksichtigt wird. Wer also zuvor bereits als Pflegekraft im Krankenhaus gearbeitet oder eine 3-jährige Ausbildung zur Notfallsanitäter:in absolviert hat, hat besonders gute Chancen auf einen Studienplatz. Die Vorauswahl erfolgt anhand der gewichteten Summe der einzelnen Teilbereiche.
Auswahlverfahren Stufe 2: Das Auswahlgespräch
Alle Bewerber:innen, die durch die Vorauswahl gekommen sind, werden in Nordrhein-Westfalen zu einem Auswahlgespräch eingeladen. Dieses ist eine Ergänzung zu den harten Kriterien der Vorauswahl und konzentriert sich auf soziale, kommunikative und personale Kompetenzen. Diese werden im Rahmen eines strukturierten und standardisierten Interviewverfahrens ermittelt.
Typischerweise setzen die Prüfer:innen im Zuge der 10 zu absolvierenden Stationen auf fragenbasierte Interviews (Multiple Minis) oder kleinere Rollenspiele, um realitätsnahe Situationen widerzuspiegeln. Im Fokus stehen abwechslungsreiche Aufgaben, in denen die Prüfer:innen ein Auge auf die authentische Präsentation der Bewerber:innen werfen.
Fachliches Wissen aus dem Bereich Medizin wird im Zuge des Auswahlgesprächs für das Medizinstudium nicht abgeprüft. Die Durchführung erfolgt in Gruppen von jeweils 10 bis 20 Bewerber:innen, die als Gruppe durch den rund 4 Stunden dauernden Bewerbungstag geführt werden.
3. Die Auswahlentscheidung: Wer bekommt einen Platz und wie geht es weiter?
Ebenso wie im Vorauswahlverfahren werden auch im Auswahlgespräch Rangplätze vergeben. Für die endgültige Entscheidung, wer über die Landarztquote in Nordrhein-Westfalen Medizin studieren darf, wird ein Mittelwert aus den beiden Rangplätzen gebildet. Wer also in der Vorauswahl weniger gut abgeschnitten hat, kann seine Chancen im Auswahlgespräch deutlich verbessern.
Am Ende steht eine Rangliste der Bewerber:innen in absteigender Reihenfolge, die auf die vorhandenen Studienplätze verteilt werden. Liegen zwei Bewerber:innen gleichauf, entscheidet das Los. Kommt es zu einem Rücktritt, rücken die Bewerber:innen entsprechend der Reihenfolge nach.
Die Zuordnung des Studienorts erfolgt anhand der angegebenen Präferenz, die bei der Bewerbung abgegeben werden kann. Bei einem Mangel an Studienplätzen am Wunschstandort, entscheidet aber auch hier das Los.
Bei Bewerber:innen, die nach dem Bewerbungsverfahren ausgewählt werden, wird die vertragliche Verpflichtung wirksam. Damit gelten alle Rechte und Pflichten des Vertrags. Ein Rücktritt für den Studienbeginn zum Sommersemester ist jeweils bis zum 30. Dezember wirksam. Für das Wintersemester gilt der 30. Juni als Stichtag. Der Rücktritt erfolgt durch das Zurückziehen der Bewerbung.
4. Der Vertrag: Welche vertraglichen Pflichten gehe ich ein?
Die Grundannahme für den „vereinfachten“ Zugang zum Medizinstudium im Rahmen der Landarztquote ist die vertragliche Verpflichtung zur Tätigkeit als Hausarzt im ländlichen Raum von Nordrhein-Westfalen. Der Vertrag muss vor dem Studium unterzeichnet werden und ist damit die Grundvoraussetzung für das Medizinstudium.
Kerninhalt ist die Verpflichtung, nach erfolgter fachspezifischer Weiterbildung für mindestens 10 Jahre eine hausärztlich Tätigkeit auf dem Land auszuüben. Damit schließt das Konstrukt auch ein, dass sich Bewerber:innen zu einer fachärztlichen Ausbildung als Fachärzt:in für Innere Medizin bzw. Allgemeinmedizin verpflichten. Eine davon abweichende Qualifikation ist so erst nach Ablauf der vertraglichen Verpflichtung möglich. Diese beläuft sich je nach Ausbildungsdauer auf 15 bis 20 Jahre.
Die Tätigkeit muss in Vollzeit ausgeübt werden und kann nur mit triftigem Grund unterbrochen werden. Ist das der Fall, verlängert sich die Dauer um den entsprechenden Zeitraum. Ein solcher Grund ist ein vollständiges oder teilweises Beschäftigungsverbot z.B.im Rahmen des Mutterschutzes. Auch im Fall besonderer Härte durch gesundheitliche, familiäre oder soziale Gründe kann die Tätigkeit nach einer Prüfung in Teilzeit vorgenommen oder unterbrochen werden.
Stolperfalle Rücktritt und Vertragsstrafe bei Vertragsbruch
Wer seine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt, muss nach dem Landarztgesetz Nordrhein-Westfalen eine Vertragsstrafe von 250.000 Euro zahlen. Die Strafzahlung wird beispielsweise dann fällig, wenn die ärztliche Tätigkeit nicht am zugewiesenen Ort aufgenommen wird. Gleiches gilt für die Aufnahme einer anderweitigen fachärztlichen Weiterbildung außerhalb der vorgeschriebenen Fachrichtungen.
Bei Bewerber:innen, die nach dem Bewerbungsverfahren ausgewählt werden, wird die vertragliche Verpflichtung wirksam. Damit gelten alle Rechte und Pflichten des Vertrags. Ein Rücktritt für den Studienbeginn zum Sommersemester ist jeweils bis zum 30. Dezember wirksam. Für das Wintersemester gilt der 30. Juni als Stichtag. Der Rücktritt erfolgt durch das Zurückziehen der Bewerbung.
5. Deine Alternativen: ZEQ, AdH und Landarztquoten anderer Bundesländer
Wenn es nicht für einen Studienplatz in NRW reicht, besteht immer noch die Möglichkeit, Hausarzt in entsprechend unterversorgten Regionen in einem anderen Bundesland zu werden. Die Verfahren funktionieren analog, nur bei der Wertung in der Stufe 1 gibt es teilweise Abweichungen – viele Länder lassen die Abiturnote da ganz raus.
Darüber hinaus besteht in einigen Bundesländern die Option, über die Quote für den öffentlichen Gesundheitsdienst (QÖD) an einen Medizinstudienplatz zu kommen. Wer in diesem Bereich ausgewählt wird, verpflichtet sich zum ärztlichen Dienst im öffentlichen Gesundheitsdienst. Dort üben fertig studierte Mediziner:innen z.B. die Tätigkeit des Amtsarztes bzw. der Amtsärztin aus.
Baden-Württemberg
Bayern (auch ÖGD)
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen (erst ab WiSe 2023/24)
Nordrhein-Westfalen (aktueller Artikel)
Rheinland-Pfalz (auch ÖGD)
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt (auch ÖGD)
Die Details einiger weiterer Länder werden wir noch veröffentlichen.
Denke auch daran, dass es im „regulären Verfahren“ mit der „Zusätzlichen Eignungsquote (ZEQ)“ und – eingeschränkter – der Quote für das Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) durchaus Chancen geben kann, auch wenn das Abitur weniger gut ausgefallen sein sollte. Selbst wenn du in der Landarztquote nicht genommen werden solltest, kannst du es dort dann noch versuchen – Bewerbungsschluss ist ja jeweils erst der 15. Juli für das dann kommende Wintersemester.
Über die schon genannten Möglichkeiten gibt es noch eine Menge weiterer Alternativen im In- und Ausland, an ein Medizinstudium zu kommen, ohne das perfekte Abitur zu haben. Alle sind mit Studiengebühren verbunden – oder mit noch längeren Verpflichtungen (Medizinstudium bei der Bundeswehr).