Wahl der HochschulformUni oder FH – welche Unterschiede gibt es wirklich?
Von Dariusch Rimkus, aktualisiert durch die Studis Online-Redaktion
Mit Fachhochschulen sind auch Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) gemeint. Der englische Begriff „University“, steht übrigens keineswegs für „Universität“, sondern allgemein für Hochschule. Daher auch die von FHs gern verwendete Bezeichnung „University of Applied Sciences“ – Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Neben Unis und FHs/HAWs gibt es übrigens noch ein paar weitere Hochschularten.
1. Kurz + knapp
Laut der Studienbefragung 2022 ist der zeitliche Aufwand an Fachhochschule und Uni sehr ähnlich. Eine Angabe zum Schwierigkeitsgrad lässt sich nicht wirklich machen, man kann lediglich sagen, dass der Anwendungsbezug an Fachhochschulen größer ist, während das Studium an Universitäten theoretischer ausgerichtet ist.
Um an einer Universität zu studieren, wird die Allgemeine Hochschulreife (Abitur) benötigt. An einer Fachhochschule reicht auch eine Fachhochschulreife für den Zugang aus.
Nein, das klassische Bild von Universitäten mit riesigen Hörsälen voller Leute ist nicht der Alltag an Fachhochschulen. Hier finden hauptsächlich Seminare statt. Vorlesungen werden an Fachhochschulen ebenfalls in kleinen Studierendengruppen abgehalten und eher zu einer dialogorientierten Veranstaltung.
2. Zugang
Die Expertise zweier Interviewpartner, sowie die Auswertung der 22. Sozialerhebung über die Lage der Studierenden sind Grundlage für diesen Artikel. Da in letzterer einige Daten nicht erhoben wurden, die in der Studierendensurvey 2017 noch eine Rolle spielten, beziehen sich einige Abschnitte auch auf diese. Sie war Grundlage für die erste Version dieses Artikels.
Der Zugang zu einem Universitätsstudium ist klassischerweise die allgemeine Hochschulreife, also: das Abitur. An FHs reicht es auch aus, eine Fachhochschulreife zu besitzen, um alle Studiengänge studieren zu können. Sonderregelungen gibt es dann noch bei der fachgebundenen Hochschulreife, mit der man zwar an beiden Hochschulformen, jedoch nur in einer bestimmten Fachrichtung studieren kann. An beiden Hochschulformen kann man unter Umständen auch ohne Abitur studieren, indem man durch Berufsausbildungen, -abschlüsse und -erfahrungen eine Hochschulzugangsberechtigung erwirbt.
Lies hierzu auch folgenden Artikel:
3. Studium
Studieraufwand und Anforderungen
Kann man sagen, ob ein Studium an Universitäten oder an Fachhochschulen aufwendiger und schwieriger ist? Oder gibt es da keinen Unterschied? Laut der 22. Studierendenbefragung hält sich mit 34,6 Stunden zumindest der zeitliche Aufwand von Uni- und FH-Studierenden die Waage. An beiden Hochschul-Formen ist jener allerdings um 4,6 Stunden im Vergleich zur letzten Studie (Studierendensurvey 2017) gestiegen.
Für Lehrveranstaltungen wenden Studierende an Fachhochschulen etwas mehr Zeit auf: 18,7 Stunden die Woche. Uni-Studierende kommen auf 16,2 Stunden. Allerdings wenden sie dafür im Schnitt 18,4 Stunden pro Woche für das Selbststudium auf, während es bei FH-Studierenden nur 15,9 Stunden sind.
Leider wurde in der Studienbefragung 2022 nicht mehr abgefragt, ob die Studierenden von FH und Uni hohen Schwierigkeitsgraden und Belastungen ausgesetzt sind. In der Studierendensurvey 2017 ging hervor, dass Uni-Studierende sich deutlich mehr mit Belastung und Schwierigkeitsgraden ausgesetzt sahen.
Organisation und Beratung
Ein wohl unstreitbarer Unterschied zwischen Universitäten und Fachhochschulen ist die unterschiedliche Herangehensweise in Sachen Organisation und Beratung. An Unis haben Studierende mehr Eigenverantwortung, müssen sich in viel höherem Maße um ihre Stundenpläne und Kurswahl kümmern und sich auch inhaltlich sehr viel selbst beibringen.
An FHs ist alles etwas verschulter, es gibt kleinere Kurse und auch der Kontakt zu Professor*innen ist intensiver. Die Eigenständigkeit der Universitätsstudierenden offenbart aber auch große Möglichkeiten bei der Kurswahl, das Wahlangebot ist dort i.d.R. größer.
Kategorie | Universität | Fachhochschulen |
---|---|---|
Wochenstunden Lehrveranstaltungen | 16,2 | 18,7 h |
Wochenstunden Selbststudium | 18,4 h | 15,9 |
Quelle: Studierendenbefragung 2022. Erhebungszeitraum: Sommersemester 2021.
4. Forschungs- und Praxisbezug in Studium und Lehre
Um herauszufinden, ob die ursprünglichen Verhältnisse von Forschungs- und Praxisorientierung an Unis bzw. FHs auch aktuelle noch vorherrschen, hat Studis Online Prof. Dr. Peter-André Alt, den Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz befragt. Er sagt: „Grundsätzlich zielt die universitäre Bildung im Vergleich zur Fachhochschule immer auch auf die Ermöglichung wissenschaftlicher Karrieren … Bei den Fachhochschulen nimmt der Lehrauftrag einen deutlich größeren Raum ein“, daher werde „ein größerer Schwerpunkt auf den Anwendungsbezug gelegt.“
Dauer und Abschlüsse
Alt führt an, dass die verschiedenen Orientierungen mit dazu beitragen, dass es an Unis weniger Bachelor- als Masterstudiengänge gibt, während das Verhältnis an FHs umgekehrt ist. Letztere setzen dafür lieber auf längere Bachelorregelstudienzeiten, oft ist dafür ein zusätzliches Praxissemester verantwortlich, in dessen Zuge sich Studierende in Unternehmen begeben.
Kategorie | Universität | Fachhochschulen |
---|---|---|
Anzahl Bachelor-Studiengänge | 4.725 | 3.956 |
Anzahl Master-Studiengänge | 6.458 | 2.772 |
Anteil der Master-Studiengänge | 51 % | 41 % |
Häufigste Regelstudienzeit der Bachelor-Studiengänge | 6 Semester (93,3 %) | 7 o. 8 Semester (62,1 %) |
Quelle: Interview mit Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der HRK. Siehe dazu auch die neueste statistische Publikation der HRK.
Unterrichtsformen
Universitäten setzen traditionell auf Vorlesungen in vollen Hörsälen, viel Frontalunterricht, ergänzt durch das erwähnte Selbststudium. Auch wenn sich die letzten Jahrzehnte hier eine Entwicklung in Richtung mehr Seminare abgezeichnet haben dürfte (seit 2001 ist der Wunsch nach kleineren Lehrveranstaltungen unter Studierenden an Unis von 55% auf 33% im Jahr 2016 und der nach intensiver Betreuung von 45 auf 26% gesunken), ist der Unterricht an Fachhochschulen noch immer seminaristischer. Selbst Vorlesungen werden dort in kleinen Studierendengruppen zu dialogorientierten Veranstaltungen.
Neben den bereits erwähnten Praxissemestern veranstalten FHs häufig Projektwochen in Kooperation mit auftraggebenden Unternehmen aus der Region. Studierende beschäftigen sich dort mit praktischen Projekten statt mit blanker Theorie, erarbeiten Ergebnisse und erhalten zum einen Credits, zum anderen potenzielle Arbeitsproben für Lebensläufe und zudem Kontakt zu Unternehmen. Genaue Daten zum zahlenmäßigen Verhältnis von Vorlesungen zu Seminaren an beiden Hochschulformen sowie zur Anzahl an Projektwochen an FHs und Unis liegen uns nicht vor.
(Ansprüche ans) Lehrpersonal
Professor*innen an Fachhochschulen haben ein sog. höheres „Lehrdeputat“ als ihre Kolleg*innen an Universitäten. Das bedeutet: je nach Bundesland müssen FH-Profs i.d.R. 18 Semesterwochenstunden unterrichten, ihre Kolleg*innen an den Unis jedoch lediglich acht bis zehn.
Exemplarisch für die Praxisorientierung an Fachhochschulen: Wer dort eine Professur erlangen will, muss nach Erlangung des Doktortitels mindestens drei Jahre außerhalb einer Hochschule Berufserfahrung gesammelt haben. An Universitäten hingegen ist es üblich, dass Professor*innen quasi „lebenslang“ den akademischen Weg beschreiten.
Promotion
„Das Promotionsrecht liegt nahezu ausschließlich bei den Universitäten.“ Für Peter-André Alt liegt der Grund dafür darin, dass an Universitäten auf wissenschaftliche Karrieren abgezielt wird. An FHs liegt, wie bereits mehrfach im Artikel angedeutet, das Ziel eher darin, die Studis auf eine Karriere in der Wirtschaft vorzubereiten.
Doch an diesen Verhältnissen wird in immer mehr Bundesländern gerüttelt durch neu gegründete Promotionskollegs und Promotionszentren. Wo es diese gibt, kannst du in unserem Artikel übers Promovieren finden.
Die andere Optionen: Man wechselt dafür an eine Uni, was jedoch häufig an den hohen Anforderungen jener scheitert. Oder man kann darauf hoffen, im Zuge einer Kooperation zwischen der entsprechenden FH und einer Uni ans Ziel zu kommen.
Derlei Kooperationen sind in den letzten Jahren beliebter geworden, lösen für viele Kritiker jedoch nicht das Problem, wenn man es als solches bezeichnen will. Die Zahl der Promovierenden an FHs im Vergleich zu den Unis fällt nämlich verschwindend gering aus. Laut einer CHE-Studie haben von 200.000 Personen, die sich 2021 in einer Promotionsphase an einer deutschen Uni studiert haben, lediglich 2.400 unter Beteiligung oder Federführung einer HAW/Fachhochschule promoviert. Das ist nur etwa ein Prozent.
Warum eine weitere Steigerung dessen für Befürworter des FH-Promotionsrechts überhaupt notwendig ist: Für sie hat nicht nur Grundlagenforschung, sondern auch anwendungsorientierte Forschung einen hohen Mehrwert, den es zu fördern gilt. Gegner gleichberechtigter FH-Promotionen verteidigen die Position, dass dadurch die Qualität der Forschung leiden würde, zudem befürchten sie, es würde einen Doktor zweiter Klasse geben, der im Endeffekt niemandem hilft.
Lies zum Thema Promotion auch unseren Artikel:
5. Soziale Kontakte und Campusleben
Da die Studierendenzahlen und damit auch die Größen der Studiengänge an FHs sehr viel kleiner sind als an Universitäten, ist der Umgang dort persönlicher. Doch auch Universitäten bieten bzgl. des Knüpfens sozialer Kontakte Vorteile, das Angebot an kulturellen Veranstaltungen und Partys ist dort nämlich größer. Zudem sind Unis häufiger in Großstädten, in die die Leute extra fürs Studieren ziehen. FHs hingegen sind häufiger Pendler-Hochschulen – ergo: das Campusleben ist dort in vielen Fällen nicht so ausgelassen wie an Unis.
Beide Hochschulformen veranstalten zudem Einführungswochen (auch Ersti- oder O-Wochen genannt), in denen schnell neue Freunde gefunden werden können.
Während die Studierendensurvey 2017 noch zu dem Ergebnis kam, dass Universitätsstudierende häufiger Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen als FH-Studierende, wird das in der aktuellen Studienbefragung nicht mehr abgefragt. Dies mag nicht zuletzt mit der Corona-Pandemie im Zusammenhang stehen.
In der Studienbefragung wurden allerdings die Motive der Hochschulwahl abgefragt. Einen signifikanten Unterschied gab es dabei bei der Attraktivität von Stadt und Umgebung: Für 50,8 Prozent der Uni-Studierende war diese ein sehr wichtiges Kriterium, während nur 35,1 Prozent der FH-Studierenden dies für sehr wichtig erachteten. Dies kann auch daran liegen, dass 87,1 Prozent der Uni-Studis in Präsenz studierten, während es bei den FH-lern "nur" 67,9 Prozent waren.
Kategorie | Universität | Fachhochschulen |
---|---|---|
Attraktivität von der Stadt ist ein sehr wichtige Kriterium für die Hochschulwahl | 50,8 | 35,1 |
Quelle: Studierendenumfrage. Erhebungszeitraum: Sommersemester 2021.
6. Berufsaussichten
Um die Berufsaussichten von FH- und Uniabsolventen heutzutage valide einschätzen zu können, hat Studis Online Gregor Fabian vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung befragt:
Berufliche Milieus und Unternehmensgrößen
Laut Fabian landen FH-Absolventen durch den Praxisbezug und die Verknüpfung mit Unternehmen meist in der Industrie, aber auch im Dienstleistungssektor, während Uni-Absolventen in erster Linie ins akademische System finden – als Professor, in der wissenschaftlichen Beratung, Forschung oder Entwicklung. Nicht überraschend soweit.
Ob jemand hinterher in großen oder mittelständischen Unternehmen landet hängt hingegen kaum von der Hochschulform ab, sondern vielmehr vom Fach, das er/sie studiert hat. Ingenieurs- oder Wirtschaftswissenschaftler etwa arbeiten zu mehr als 60 % in Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern.
Jobsuche
Ob Absolventen eher schnell oder langsam eine Stelle finden, hängt laut Fabian weniger damit zusammen, ob eine Universität oder eine Fachhochschule besucht wurde. Vielmehr haben Hochqualifizierte prinzipiell immer gute Chancen auf eine adäquate berufliche Position. Unterschiede würden eher zwischen den verschiedenen Abschlussarten bestehen, „wobei der größte Teil der Bachelor auch ganz gut unterkommt“. Im Durchschnitt dauere die Jobsuche drei bis fünf Monate, doch das könne stark variieren. Und auch hier kommt es wieder drauf an, welches Fach man studiert hat. Als Beispiel führt er den Vergleich von Ingenieuren und Geisteswissenschaftlern an.
Berücksichtigt man, dass an Unis beide erwähnten Wissenschaften gelehrt werden, an FHs jedoch keine Geisteswissenschaften, würde das zumindest in diesem Fall bedeuten, dass FH-Studierende schneller einen Job finden. Jedoch wäre (vorausgesetzt dieses Beispiel wäre exemplarisch) der Grund dafür, dass bestimmte Absolventen schneller eine Stelle als andere finden, immer noch nicht die Hochschulform, sondern das Fach.
Gehaltsunterschiede
Wirklich interessant wird es bei einem Blick auf das Gehalt. Sind es unmittelbar nach Studienabschluss die FH-Absolventen, die mehr verdienen, überholen die Uni-Absolventen sie innerhalb von zehn Jahren. Dies erklärt Fabian damit, dass Absolventen der Geisteswissenschaften, die ja häufiger an Universitäten angesiedelt sind, vergleichsweise geringe Einkommen haben. Zudem verharren universitäre „Großverdiener“ wie bspw. Juristen noch in der zweiten Ausbildungsphase ihrer Staatsexamensabschlüsse, während andere in den Job starten, wodurch sie erst nach einigen Jahren den Gehaltsdurchschnitt von Uni-Absolventen nach oben ziehen.
Zudem brauchen andere Akademiker ebenfalls wie die Rechtswissenschaftler etwas länger, wenn sie denn promovieren. Als Doktoranden verdienen sie nicht zunächst nicht allzu gut. Wenn sie nach nach einiger Zeit jedoch ihre Promotion abschließen, machen sie einen Gehaltssprung, der ebenfalls zu dargestellter Entwicklung beiträgt.
6. Fazit: Uni oder FH?
Was soll es nun werden? Uni oder FH? Das können wir dir an dieser Stelle nicht beantworten. Aber vielleicht in Kürze zum Schluss nochmal wichtige Punkte und Fragen mitgeben:
Welche Hochschulzugangsberechtigung hast du? Manchmal ist diese ein Ausschlag-Kriterium. Manchmal bieten Universitäten dennoch einen Zugang für beruflich Qualifizierte.
Was möchtest du studieren? Manche Studiengange bieten nur Unis (z. B. Medizin, Geisteswissenschaften) – und manche praktisch nur FHs (z. B. Soziale Arbeit).
Ist es für dich akzeptabel, in einem großen Hörsaal einer unter vielen zu sein? Oder bevorzugst du kleine Seminare?
Ist dir eigenständiges Lernen wichtig und hast gerne viel Wahlfreiheit? Oder bist du durch und durch ein Struktur-Typ?
Weißt du jetzt schon, dass du in der Forschung (und Entwicklung) bleiben möchtest? Oder bist du mehr praktisch veranlagt?
Wer im Bereich Wirtschaft unterkommen möchte: Ist der strategische Bereich dein Traum? Oder ist es dein Ding, nach dem Abschluss eher operativ zu arbeiten?
Mit diesen Fragen im Kopf könntest du deine Wahl des Studiums und der Hochschule oder Uni begleiten. Und manche der Fragen sind stark abhängig von den jeweiligen Studiengängen und Hochschulen. Deswegen kann ein persönlicher Eindruck durch einen Besuch oder das Lesen von Erfahrungsberichten auch hilfreich sein.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde durch die Studis Online-Redaktion aktualisiert – zuletzt am oben angegebenem Datum.