Exotisch, einzigartig – und angeblich brotlosOrchideenfächer
Mit Material von Maria Köpf
1. Kurz + knapp: Orchideenfächer
Orchideenfächer sind außergewöhnlichere, meist kleine Studiengänge. Häufig verankert in den Geistes- oder Sozialwissenschaften, wie Judaistik, Japanologie und Islamwissenschaften.
Jobperspektiven erhältst du, abhängig von einem potentiellen Neben- oder Hauptfach, ganz verschiedene. Tendierst du zu einem kulturwissenschaftlichen Aspekt, zu BWL, Logistik, oder Jura? Deine Möglichkeiten sind vielfältig!
2. Was sind Orchideenfächer?
„Und was möchtest du damit später machen?“ Diese Frage bekommen Studierende mit beliebten Fächern, wie Medizin oder BWL, eher selten zu hören. Studierst du ein Orchideenfach wie Judaistik, Japanologie oder Islamwissenschaften, wirst du vermutlich auch mit folgendem Vorurteil konfrontiert: „Damit bekommst du doch eh keinen (vernünftigen) Job!“
Orchideenfächer sind außergewöhnlichere, meist kleine Studiengänge. Häufig – aber nicht nur – verankert in den Geistes- oder Sozialwissenschaften, auf welche wir hier im Artikel unseren Fokus legen werden.
Für ein außergewöhnliches Orchideenfach entscheiden sich viele sehr bewusst. Orchideen gelten als exotisch – doch sind sie auch ausdauernd und zäh. Bei den meisten der kleinen geisteswissenschaftlichen Fächer denken wohl viele Verwandte an die berühmt berüchtigte „brotlose Kunst“. Am Ende des Artikels wollen wir dir deswegen zeigen, wie du mit ihnen beruflich punkten kannst.
Aber noch ein wichtiger Hinweis mit einem Blick auf die Geschichte:
Auch eine kleine Orchidee kann mal wachsen! So wurde die Meteorologie in den 1970ern belächelt – und heute wird das Fach als ökonomisch, politisch und sozial relevant angesehen (Uni Hamburg).
Oder auch die Sinologie, welche früher nur ganz wenige studiert haben – nach dem wirtschaftlichen Booms Chinas und dem Aufstieg als globaler Big Player, hat das Studienfach auch in der Hochschullandschaft eine große Verbreitung bekommen.
Regionalstudien: Was die Orchideen-Welt im Innersten zusammenhält...
Fächer wie Indologie, Afrikanistik und Lateinamerikanistik kennzeichnet eine Gemeinsamkeit: sie behandeln die Kulturen, Sprachen und Geschichte bestimmter Regionen. Doch Absolvent*innen werden oft mit Problemen konfrontiert:
Welche Qualifikationen bietet mein Studienfach?
Kombiniere ich es lieber mit einer nicht-geisteswissenschaftlichen oder mehr praxisorientierten Disziplin?
Welche Praktika plane ich ein – und wo?
Soll ich die fachlichen Kenntnisse ausbauen – oder doch lieber die vermittelten „Softskills“?
Und nicht zuletzt: Welchen Beruf ergreife ich nach dem Studium?
Neben diesen Fragen fehlt noch ein zentraler Punkt: Was ist überhaupt Inhalt meines gewünschten Studienfaches? Deswegen solltest du dich vor der Studienwahl gut informieren – um abschätzen zu können, ob das Fach mit den Inhalten und Schwerpunkten gut zu dir passt. Hast du mehr Interesse für die Geschichte – oder ist es dir wichtig, eine Sprache zu lernen, die auch noch gesprochen wird?
3. Was gehört dazu? Das kleine ABC von Studis Online
Wer hätte es gedacht, dass Orchideenfächer sogar eine Lobby haben? Es gibt die Arbeitsstelle Kleine Fächer und wird von der Hochschulrektoren-Konferenz und der Volkswagenstiftung finanziell getragen. Aktuell umfasst deren Liste über 160 Fächer – die alphabetische Liste findet ihr hier.
Ein Hinweis noch: In der Liste sind auch viele Spezialisierungen vertreten, die als solche nicht allein studiert werden können.
Um dir einen Einblick zu zeigen, wie vielfältig kleine Fächer sein können, listen wir hier unserere Favorites von kleinen und etwas ungewöhnlichen Fächern auf – teilweise haben wir noch ein paar Orchideen aus unserer Datenbank ergänzt, welche wir als außergewöhnlich ansehen:
- Abfallwirtschaft
- Biomathematik
- Computerlinguistik
- Digital Humanities
- Europäische Ethnologie
- Frisistik
- Gerontologie
- Health Communication
- Iranistik
- Judaistik
- Kriminologie
- Lebensmittelchemie
- Musiktherapie
- Niederlandistik
- Osteuropastudien
- Public Health
- Qualitätsmanagement
- Restaurierung
- Sexualwissenschaft
- Technik- und Wissenschaftsgeschichte
- Ur- und frühgeschichtliche Archäologie
- Verpackungstechnik
- Wasserwirtschaft
- Zukunftsforschung
4. Exotische Fächer – exotische Sprachen
In kleinen Fächern wie Judaistik oder Japanologie werden Sprachen gelehrt, welche sich europäischen Muttersprachler*innen als schwierig erweisen. Schriftsystem und Grammatik zum Beispiel des Japanischen, Hebräischen und Arabischen unterscheiden sich deutlich. Auch sind Grammatikbücher selten, teuer und leider oft veraltet.
Von dieser Sprachhürde solltest du dich aber nicht entmutigen lassen! Denn die Sprachen von Exotenfächern stehen nicht als Kommunikationssprachen im Vordergrund. Sie werden in den Seminaren häufig als „Kultursprachen“ gelehrt. Das heißt, du erhältst durch das Lernen von der Sprache einen Zugang zur jeweiligen Kultur.
Erwirb Schlüsselqualifikationen!
Auch solltest du die Softskills in der Zeit deines Orchideenstudiums ausbauen. In Leitungspositionen sind heutzutage vermehrt „weichen Fähigkeiten“ gefragt. Etwa Analysevermögen, Kommunikationsfähigkeit, Empathie und interkulturelle Kompetenz.
Mit Schlüsselqualifikationen steht dir ein breites Spektrum an Berufen offen. An interkulturellen und sozialen Defiziten scheitern heutzutage immer mehr Akademiker*innen.
Artikeltipp: Interkulturelle Kompetenz beginnt bei uns selbst
Gesellschaft, Studium, Austausch-Programme und Arbeitswelt – das Leben bringt uns mehr denn je in Kontakt mit Menschen rund um den Globus. Und auch innerhalb eines Teams treffen oft unterschiedlichste kulturelle Hintergründe aufeinander. Doch: Wie alle Bereicherungen stellt uns auch diese vor Herausforderungen. weiter
Study Abroad
Auch sollten Studierende unbedingt einen Auslandsaufenthalt einplanen. Vorteilhaft ist, dass für Auslandssemester und Studienreisen besonders in den Fächern viel getan wird, die einen starken Regionalbezug haben und der Spracherwerb im Zentrum steht. Kleine, überschaubare Institute lassen den Auslandsaufenthalt oft leichter abwickeln als von manchem großen Institut.
Do it yourself!
Auch Auslandsaufenthalte in Selbstorganisation – etwa während eines Urlaubssemesters – machen sich bezahlt. So bieten sich Speditionsfirmen im jeweiligen Land an, internationale Begegnungsstätten oder Waren- und IT-Exportunternehmen an.
Möglich sind auch (äußerst begehrte) Praktika in Botschaften oder Goethe-Instituten. Diese sind zwar für die Literaturrezeption der Fächer nicht notwendig – heben jedoch den beruflichen Wert des ungewöhnlichen Fachs.
5. Berufsaussichten
Seltene Berufe: für die Idealist*innen …
Viele Studierende von diesen kleinen Fächern sind Idealist*innen und zeigen ein hohes Interesse an anderen Kulturen und Gesellschaften: sie verbrachten vor ihrem Studium einige Zeit z.B. in einem Land des Nahen Ostens oder in Asien und würden gern als Journalist*innen hierüber berichten. Oder sie haben einen familiären Bezug zu der Region.
Andere arbeiteten ehrenamtlich oder im Minijobbereich in kulturellen Einrichtungen und Vereinen wie Gedenkstätten, Besucherdiensten, Museen, Einrichtungen für Geflüchtete oder ähnlichen Institutionen. Ein entsprechendes Studium kann ein Türöffner sein, in diesen Bereichen auch später eine Stelle zu finden.
Nischenberufe der exotischen Fächer sind und bleiben die gefragten Berufe in der Wissenschaft, Forschung und (Hochschul-)Lehre, wie als Religionslehrende an privaten Schulen (Islamwissenschaften, Judaistik).
Genauso gefragt – und leider sehr rar – sind Medien-Berufe wie Journalist*in, Redakteur*in, Lektor*in, Übersetzer*in oder Pressesprecher*in. Hier werden die meisten nach dem Studium wohl den prekären Weg über Praktika und Volontariate suchen müssen, um im Medienbereich unterzukommen.
Übliche Berufe, wo viele landen
Eine aussichtsreichere „Lücke“ für das Expertenwissen von Orchideenfächlern stellen die Bereiche Kultur und Dokumentation dar. Denkbar sind Berufe wie Kulturpädagog*in großer Museen, Museumsführer*in, Museumsarchiveur*in, Archivleiter*in, Besuchsbegleiter*in von Gedenkstätten, Bibliotheksangestellte, Pressesprecher*in und Fundraiser*in von Kulturvereinen sowie religiösen Interessenvertretungen.
Für Absolvent*innen einer Regionalwissenschaft, wie bspw. Lateinamerika, bietet sich auch die freie Wirtschaft. Hier sind Berufe wie Projektassistenz oder Projektleitung, Vertriebsmitarbeit, Marketingassistenz oder Beratung im Personalwesen denkbar. Auch suchen Exportfirmen (IT-, Chemie-, Waren- und Rohstoffunternehmen) oft Sprachexpert*innen für ihre Korrespondenz.
Genauso können Absolvent*innen bei Speditionsfirmen Anstellung finden. Für solche Berufe wird jedoch die Doppelqualifizierung empfohlen: idealerweise die Studiengang-Kombination mit BWL, VWL oder Wirtschaftswissenschaften.
Orchideenfach? Keine Sackgasse!
Doch wie können Studierende eines seltenen Faches beruflich punkten? Und trotz „brotloser Kunst“ hoch hinaus kommen?
Du erlernst Fachwissen – zum Teil wirtschaftlich bedeutender – Länder und Regionen. Dadurch bieten sich dir neue Nischenberufe an. Berufe, die dich in Kontakt zu Einheimischen dieser Regionen treten lassen. Oder du wendest deine selten verbreiteten Sprach- und Kulturkenntnisse an.
Viele Berufsfelder sind denkbar: Von der Berater*in für Entwicklungszusammenarbeit über die Kulturpädagog*in eines Museums bis hin zur Korrespondent*in einer Exportfirma. Hier sind Kenntnisse der Sprache, Kultur und Religion der jeweiligen Region gefragt.
Viele Absolvent*innen landen auch als Quereinsteiger*innen in der freien Wirtschaft, in der Verwaltung oder bei den Medien: als Marketingassistent*in oder Journalist*in.
Weiterführendes
Links und Artikel zum Thema:
- Arbeitsstelle Kleine Fächer – „Von Afrikanistik bis Wissenschaftsgeschichte, von Akkadisch bis Weißrussisch“
- „Mit Soft Skills punkten – Karrieretipps für Geisteswissenschaftler“, Süddeutsche Zeitung, 04.11.2011
- „Modefach Islamwissenschaften: Darum studieren wir Allah“, SPIEGEL ONLINE Unispiegel, 25.03.2012
Alles zur Studienwahl auf Studis Online:
- Datenbank: alle Studiengänge in Deutschland
- Was soll ich studieren?
- Wahl von Studienort und Hochschule