HintergrundWas ist die Akkreditierung eines Studiengangs eigentlich Wert?
Von Thorsten Saenger
Die Akkreditierung eines Studiengangs zeigt "nur", dass der Studiengang bestimmten Kriterien genügt. Ob das individuell "Qualität" bedeutet (und was "Qualität" in diesem Zusammenhang überhaupt ist), ist durchaus die Frage.
Mit der Partizipation Deutschlands am sogenannten Bologna-Prozess begann gleichzeitig eine Debatte über die Qualität von Studium und Lehre an Hochschulen. Zuvor beschränkten staatlich vorgegebene Rahmenprüfungsordnungen die Studiengangsgestaltung in Deutschland. Dieses System sollte durch das Akkreditierungssystem abgelöst werden, das den Hochschulen eine größere Mitsprache bei der eigenen Schwerpunktlegung gewähren sollte. Neben einer rein formalen und strukturellen Umstellung der Studienprogramme auf Bachelor und Master (zum WiSe 2011/12: 85,3%1), die durch den Akkreditierungsrat zertifiziert wird (51,4%2 der Studiengänge sind akkreditiert), ging es aber auch um eine inhaltliche Neukonzeption von Studiengängen.
Im nachfolgenden werden die Unterschiede der Akkreditierungen nach Ländern aufgeschlüsselt, die unterschiedlichen Auslegungen von Kriterien des Akkreditierungsrates und die Problematiken der bisherigen GutachterInnengruppen dargestellt.
Die Länder und die Akkreditierung
Die Kultusminister(innen)konferenz legitimierte mit ihrem Beschluss zur Einrichtung einer Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland (Akkreditierungsrat) das deutsche Akkreditierungswesens. Weiterhin einigten sich die Länder auf die Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen, als Standards zur obligatorischen Qualitätssicherung in Studium und Lehre. Weiterhin finden sich inzwischen finden sich in allen Landeshochschulgesetzen Abschnitte, die die Hochschulen dazu verpflichten ein System zur Sicherung und Entwicklung der Qualität von Studium und Lehre zu etablieren. Hierbei ist in allen Gesetzen eine externe Begutachtung gefordert. In der Regel geben die Hochschulgesetze keine genauen Angaben an, bis zu welchem Zeitpunkt ein Studiengang akkredtiiert sein muss. Ausnahmen sind hier die Landeshochschulgesetze Nordrhein-Westfalens und Hamburgs, die eine Akkreditierung vor dem Anlaufen eines Studienganges fordern. Die Akkreditierungspflicht wird somit oft im Ermessen der Länder ausgelegt und erfolgt somit nach Meinung der einzelnen politischen Führungen des entsprechenden Bundeslandes. Dies bedeutet in vielen Fällen, dass die Länder für neue Studiengänge eine befristete Einführungsgenehmigung gewähren, mit der Auflage die (Erst-)Akkreditierung3 nach fünf Jahren durchzuführen. Gerade in den südlichen Bundesländer, die der Umstellung skeptisch gegenüber standen und die Einführung der neuen Studiengänge eher als Nachzügler angegangen sind, haben aufgrund solcher Regelungen deutlich weniger akkreditierte Studiengänge als Bundesländer, die die komplette Umstellung (beinahe) hinter sich haben. Jedoch üben die Akkreditierungsschlusslichter anscheinend eine deutlich höhere Kontrolle aus. So müssen in Bayern immer noch alle Studien- und Prüfungsordnungen unabhängig von einer potentiellen Programm- oder Systemakkreditierung durch das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst genehmigt werden. Trotz unterschiedlicher Kulturen sieht die Geschäftsstelle des Akkreditierungsrates die Länder insgesamt als engagiert und arbeitet nach eigener Aussage eng mit der Kultusminister(innen)konferenz und der Hochschulrektor(innen)konferenz zusammen.
Ein weiteres Problem ist, dass einige Länder vermehrt die Aussetzungen von Programmakkreditierungen genehmigen, sofern die Hochschule ein Verfahren der Systemakkreditierung eröffnet, wie es z.B. an einzelnen Hochschulen in Baden-Württemberg und Thüringen der Fall ist.
Interpretationen darüber, wie weit die Länder bereit sind, ihre Kompetenzen mit den Hochschulen zu teilen oder auf sie zu übertragen, zeigt sich auch an der Umstellung der staatlich kontrollierten Studiengänge zur Lehramtsausbildung, der bis auf das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern alle Länder zugestimmt haben. In einzelnen Bundesländern ist sie bereits komplett erfolgt, in anderen aber gerade erst am Anlaufen (teilweise als Pilotprojekte). Während in Nordrhein-Westfalen die Umstellung des Lehramts nach dem Start von Pilotprojekten ab 2003 für 419 von 457 Studiengängen auf Bachelor und Master 2011 beinahe abgeschlossen war (der Großteil der Akkreditierungen dieser Studiengänge aber erst 2012 stattfand), dominieren in Bayern (526 von 566) und Baden-Württemberg (438 von 465) noch die Staatsexamensstudiengänge.
Im Ländervergleich zeigt sich jedoch auch, dass keine Unterschiede der Qualitätsniveaus der akkreditierten Studiengänge auf Basis der formalen Akkreditierungsentscheide festzustellen sind (s. Tabelle). So lassen sich Bayern und das Saarland anhand der Akkreditierungen ohne und mit Auflagen4 nicht von anderen Bundesländern unterscheiden. Baden-Württemberg schließt im Vergleich die Verfahren mit den "wenigsten" Auflagen ab. Ebenfalls zeigen sich im Ländervergleich keine wesentlichen Unterschiede bei der Versagung einer Akkreditierung.
Tabelle 1: Aufschlüsselung der Akkreditierungen nach einzelnen Bundesländern mit jeweiligen Akkreditierungsentscheiden.
Bundesland | Bachelor/Master Studiengänge gesamt (% der Studiengänge) | Davon akkreditiert | Davon akkreditiert mit Auflagen | Davon versagte Akkreditierung |
Baden-Württemberg | 1619 (74,2%*) | 45,2% | 68,8% | 1,3% |
Bayern | 1542 (69,0%*) | 26,3% | 78,8% | 0,6% |
Berlin | 880 (96,4%*) | 49,8% | 77,8% | 1,1% |
Brandenburg | 337 (96,2%*) | 39,5% | 73,1% | 3,5% |
Bremen | 252 (94,2%*) | 51,2% | 79,7% | - |
Hamburg | 492 (97,4%*) | 41,3% | 78,5% | 1,6% |
Hessen | 908 (77,1%*) | 71,0% | 71,2% | 1,4% |
Mecklenburg-Vorpommern | 245 (67,5%*) | 48,2% | 77,8% | 2,2% |
Niedersachsen | 1416 (98,1%*) | 71,1% | 81,5% | 0,6% |
Nordrhein-Westfalen | 2733 (96,2%*) | 50,4% | 73,9% | 1,1% |
Rheinland-Pfalz | 810 (95,0%*) | 71,4% | 81,0% | 0,7% |
Saarland | 165 (66,5%*) | 22,4% | 75,0% | - |
Sachsen | 732 (83,0%*) | 44,8% | 78,2% | 3,5% |
Sachsen-Anhalt | 468 (83,6%*) | 40,2% | 83,0% | 0,4% |
Schleswig-Holstein | 382 (95,9%*) | 77,7% | 79,8% | 0,3% |
Thüringen | 346 (87,1%*) | 67,3% | 73,1% | 0,3% |
Gesamt | 13327 (85,3%*) | 51,4% | 76,2% | 1,1% |
Quelle: Empfehlungen zur Akkreditierung als Instrument der Qualitätssicherung des Wissenschaftsrates vom 25.05.2012 Anhang D.IV Quantitative Daten zur Programmakkreditierung.
* Statistische Daten zu Bachelor- und Master-Studiengängen (Statistiken zur Hochschulpolitik 2/2011) der Hochschulrektorenkonferenz.
Dies zeigt, dass die Akkreditierung eines Studiengangs, oder eine frühere Umstellung der Studiengänge, nicht zwangsweise Rückschlüsse auf ein höheres Qualitätsniveau zulassen als in noch-nicht akkreditierten Studiengängen. Jedoch bescheinigt die Akkreditierung Studieninteressierten und Studierenden, dass der Studiengang die formalen Kriterien erfüllt. Um die Bereitschaft zu steigern Studiengänge möglichst zu einem frühen Zeitpunkt akkreditieren zu lassen, hat der Akkreditierungsrat letztes Jahr die sogenannte Konzeptakkreditierung beschlossen. Hierbei wird ein anlaufendes Studienangebot formal überprüft, ohne das eine Vor-Ort-Begehung, wie bei bisherigen Akkreditierungen zwingend notwendig ist. Angesichts dessen, dass der Akkreditierungsrat zuvor bereits weiterführende Kriterien für die Reakkreditierung, also die zweite Akkreditierung eines Studiengangs, formuliert hatte stellt sich die Frage, ob die Aufweichung bei Erstakkreditierung zu einem so späten Zeitpunkt ein zielführendes Instrument zur Qualitätssicherung ist.
Unterschiede in der Akkreditierung
Die Akkreditierung selbst wird durch privatrechtliche Agenturen durchgeführt, die durch den Akkreditierungsrat5 akkreditiert und kontrolliert werden. Der Akkreditierungsrat sieht seine Aufgabe dabei erst in der Überprüfung von bereits abgeschlossenen Verfahren gemäß seines gesetzlichen Auftrags. Er überprüft jedes Jahr mindestens vier Verfahren pro Agentur – bei anlassbezogenen Beschwerden auch mehr – auf die Vollständigkeit der Gutachten, sowie die Verfahren der Agenturen. In laufende Verfahren wird demzufolge nicht eingegriffen. Jedoch kann der Akkreditierungsrat die Agentur dazu verpflichten Entscheidungen zu revidieren, was seiner Aussage aber nur im seltensten Fall vorkommt. Bei diesen Überprüfungen zeigt sich, dass sich die Qualitätskulturen der einzelnen Agenturen unterscheiden und die Akkreditierungen inkonsistent ablaufen. Ganz grob lassen sich die Agenturen zunächst in zwei Gruppen teilen. Agenturen die regional entstanden sind und das komplette Fächerspektrum akkreditieren (ACQUIN in Bayern, AQAS in Nordrhein-Westfalen, ZEvA in Niedersachsen und EVALAG sowie die beiden ausländischen Agenturen OAQ und AQA) und Agenturen die sich auf Fachrichtungen spezialisiert haben (AHPGS, AKAST, ASIIN, FIBAA). Weitere Unterschiede deuten sich bereits bei der Sichtung der Materialien der einzelnen Agenturen an, da Akkreditierungen unterschiedlich ablaufen und die vorgegebenen Kriterien des Akkreditierungsrat verschieden ausgelegt werden. Während einige Agenturen die Kriterien des Akkreditierungsrates nahezu übernehmen, wie zum Beispiel ACQUIN, werden sie von anderen Agenturen als eine von mehreren Grundlagen verstanden, z.B. bei AQAS und ASIIN, interpretiert und/oder durch weitere agentureigene Kriterien ergänzt. Die Handreichungen können dabei von eher freien offenen Punkten, wie die Kriterien des Akkreditierungsrates, bis hin zu formalisierten Kriterienchecklisten gehen, wie es bei der von den Natur- und Ingenieurswissenschaften meist nachgefragten Akkreditierungsagentur ASIIN der Fall ist. Somit werden unterschiedliche Schwerpunkte der Akkreditierung je nach Agentur gelegt, die auch über die Kriterien des Akkreditierungsrates hinaus gehen können. Dabei zeigen sich insbesondere Unterschiede in folgenden Punkten auf:
die Modularisierung: Modulgrößen, Arbeitsbelastung pro Semester, Wahl(pflicht)fächeranteil oder Prüfungen
die Curricula: Umfang von Angeboten aus Bachelorstudiengängen die in einem Master verwendet werden dürfen, fachspezifische Studienziele mit Kompetenz und Modulzuordnungen in einer Zielmatrix, Fremdsprachenanteile
Praxisanteile: spezielle Regelungen für Vorpraktika
Studienzeiten: Voll- und Teilzeitstudiengänge, Arbeitsbelastungsschlüssel für berufstätige Studierende, längere Studienzeiten für berufstätige Studierende
Unterscheidung in anwendungs- und forschungsorientierte Studiengänge
Masterzugang
Nebenher wurden in der Vergangenheit neben dem Siegel des Akkreditierungsrates auch zusätzliche Siegel vergeben, wie agentureigene Siegel, aber auch Eurolabel, wie sie in der Chemie und Informatik existieren. Aufgrund möglich divergierenden Interessen dieser und zur Stärkung des Gewichts der Akkreditierungsratskriterien hat der Akkreditierungsrat die Vergabe weiterer Siegel in der gleichen Begutachtung jedoch untersagt.
Der Akkreditierungsrat merkte weiterhin an, dass einzelne Kriterien je nach Agentur ein höheres Gewicht haben (z.B. Statistiken zur Studentischen Arbeitsbelastung, die AbsolventInnenbefragung oder die Employability von Studienprogrammen). Dabei gibt es aus seiner Sicht keine Kriterien zweiter Klasse, sodass wirklich alle Kriterien in einer Akkreditierung überprüft werden müssen, auch Kriterien die "eher als Bologna Ziele" Kriterien geworden sind, wie die Befähigung zum zivilgesellschaftlichem Engagement, die Persönlichkeitsentwicklung aber auch Punkte der Gleichstellung und des Diversity Mangements überprüft werden müssen. Diese Kriterien sorgen an vielen Hochschulen und in einigen GutachterInnengruppen immer noch für Verwirrung und teils Unverständnis, jedoch gibt es auch gute Erfahrungen, da die Hochschulen sich (zumindest teilweise) überlegen, wie diese Kriterien erfüllt werden könnten.
Dies zeigt jedoch, dass die Qualitätskultur der Agentur und die Handreichung eine entscheidende Auswirkung auf die Akkreditierung von Studiengängen haben könnten. Nach Aussagen von einzelnen GutachterInnen wird von einigen ReferentInnen, MitarbeiterInnen der Agenturen, erklärt, dass die Interpretationen der Agenturen durch den Akkreditierungsrat anerkannt wären und somit über die Kriterien des Akkreditierungsrates gestellt sind. Somit könnte das Bild entstehen, das die Agenturen ihre Kriterien selbst definieren. Dies könnte insbesondere gegenüber dem Kunden der Akkreditierung, der Hochschule, entstehen. Zwar tragen die Akkreditierungen bei verschiedenen Agenturen tragen formal das Siegel des Akkreditierungsrates, dürften sich aber bei näherer Betrachtung doch in den Qualitätsstandards (auch systemisch) unterscheiden.
Ein weiteres Problem ist das unterschiedliche Verständnis der GutachterInnengruppen von der Akkreditierung. Im Gegensatz zu Evaluationen, bei denen eine Rückmeldung erfolgt, aus der eine Entwicklung eintreten kann, ist die Akkreditierung in erster Linie eine Qualitätssicherungsmaßnahme, die eine Ja/Nein-Antwort zur Konsequenz haben müsste (akkreditiert oder nicht-akkreditiert). Mit der Möglichkeit von Auflagen ist aber auch in diesem System die Möglichkeit einer Rückmeldung zur Qualitätsentwicklung von Studiengängen gegeben. Jedoch vermischen einzelne GutachterInnen oft Akkreditierungen mit Evaluationen.
Auswahl und Schulung der GutachterInnengruppen
Diese unterschiedlichen Handreichungen der Agenturen dienen zur Vorbereitung der GutachterInnen auf ein Akkreditierungsverfahren. Die GutachterInnengruppen für die Verfahren werden oft durch die Agenturgeschäftsstellen zusammengestellt und nach Aussagen einiger Gremienmitglieder teilweise nur formal durch Agenturgremien legitimiert.
Die administrativen Geschäftsstellen der Agenturen können somit einen erheblichen Einfluss auf das Akkreditierungsverfahren selbst ausüben. Einzelne befragte GutachterInnen werfen Agenturen sogar vor, dass Informationen teilweise bewusst zurückgehalten werden und Kriterien in einer Begehung vorsätzlich nicht vollständig abgefragt werden. Ebenfalls wurde angemerkt, dass gerade die einzelnen VertreterInnen der Berufspraxis und der Studierenden nicht zwangsweise ein Bündel von Fachrichtungen akkreditieren könnte. Der Akkreditierungsrat stellte darüber hinaus fest, dass es auch zu Mängeln in der Zusammenstellung der GutachterInnengruppen käme, da nicht alle Fachrichtung der zu akkreditierenden Studiengänge adäquat abgedeckt seien. Zusätzlich sei angemerkt, dass wirkliche Schulungen der GutachterInnen nicht oder nur vereinzelt und dann meist durch die Agentur selbst erfolgen. Somit ist im Regelfall die/der GutachterIn selbst für die Qualifizierung verantwortlich. Die Agenturen besitzen jeweils eigene GutachterInnenpools für die VertreterInnen von HochschullehrerInnen, Berufspraxis und Studierenden. Der Wissenschaftsrat merkte in einer Studie an, dass ein Austausch zwischen diesen GutachterInnengruppen nicht-institionalisiert stattfindet, sodass eine agenturübergreifende Qualitätskultur leider noch nicht entwickelt ist. Eine Ausnahme stellen jedoch die Studierenden da. Die Landesstudierendenvertretungen und Bundesfachschaftentagungen haben sich zu einem Pool, dem Studentischen Akkreditierungspool, organisiert, der es zum Ziel hat Studierende demokratisch zur Begutachtung zu legitimieren, aber auch eine agenturunabhängige Qualifizierung und einen Austausch zwischen GutachterInnen fördern möchte. Dieser Pool wird zwar von Agenturen vermehrt angefragt, jedoch akzeptieren sie ihn nicht als einzig legitimierten Partner zur Entsendung von Studierenden in das Akkreditierungswesen. Eine demokratische Legitimierung der VertreterInnen der Studierenden, Berufspraxis und der HochschullehrerInnen erfolgt bei den Besetzungen der Agenturgremien und somit auch der GutachterInnengruppen nur aus den Mitgliedern der Agenturen und nicht durch die Gruppen selbst. Somit ist das System aus Sicht einer demokratischen Hochschule in Frage zu stellen.
Auf dem Weg zur Qualitätskultur
Bereits die Programmakkreditierung setzte voraus, dass die Hochschule sich selbst Gedanken über die Qualitätsziele machen. Damit die Hochschulen ihre Ziele selbst definieren, ihre Studiengänge eigenständig zertifizieren können und insgesamt Kosten, die zuvor durch Programmakkreditierung entstanden, in die Hochschule umleiten können wurde die Systemakkreditierung in Deutschland eingeführt. Dies bedeutet, dass das Qualitätssicherungs- und -entwicklungssystem einer Hochschule zertifiziert wird. Dieses System, insbesondere für Lehre und Studium, soll dabei gewährleisten, dass die angebotenen Studiengängen mindestens den Kriterien des Akkreditierungsrates gerecht werden und ist somit Voraussetzung für eine Systemakkreditierung.Die Hochschule muss dabei eigene Standards festlegen und deren interne und externe Qualitätssicherung entsprechend definierten Standards des Akkreditierungsrates und der ESG darlegen. Im Gegensatz zur Programmakkreditierung, der von den Hochschulen teilweise als ein formaler aufgezwungener Akt von Außen empfunden wurde, soll die Systemakkreditierung der Institution Hochschule selbst einen Nutzen aufzeigen.
Die Hochschule soll dabei selbst ihre Qualitätsziele definieren. Diese gewonnene Autonomie bedeutet aber gleichzeitig, dass die Hochschulen selbst in einem erhöhten Maß Rechenschaft über ihre Tätigkeit gegenüber ihren Mitgliedern (auch Studierenden) und der Gesellschaft ablegen müssen. Die Hochschule muss somit ihre Prozesse der Kommunikation und Dokumentation bereitstellen, ihr Angebot gegebenenfalls erweitern z.B. didaktische Schulungen für das Hochschulpersonal und die Studierenden, einem institutionalisierten Internationalisierungsangebot etc. Bisher versuchen viele Hochschulen diese Autonomie zu gewinnen. Da die ersten Kriterien des Akkreditierungsrates jedoch so hoch waren, dass kaum eine Hochschule die Systemakkreditierung beantragte, wurden die Kriterien 2011 zunächst gesenkt. Jedoch zeigte sich, dass die ersten Verfahren der Systemakkreditierung im Schnitt 1 ½ Jahre und länger dauerten und GutachterInnen dieser Verfahren stets betonten, das die zu akkreditierenden Qualitätssicherungs- und -entwicklungssysteme der Hochschule sich während der Zeit noch im Aufbau befanden oder zumindest tiefgreifend weiterentwickelt wurden. Zudem hatten zum Zeitpunkt der Eröffnung der Verfahren in vielen Fällen nur wenige Studiengänge das Qualitätssicherungs- und -entwicklungssystem durchlaufen. Eine Wirksamkeit eines solchen Systems könnte somit eigentlich nur bedingt bescheinigt werden. Ob eine Systemakkreditierung, wie sie formal definiert wurde, zu diesem Zeitpunkt also überhaupt auszusprechen ist bedarf einer näheren Betrachtung der einzelnen (systemakkreditierten) Hochschulen.
Was bringt die Akkreditierung jetzt eigentlich Studieninteressierten und Studierenden?
Als Fazit lässt sich ziehen, dass die Akkreditierung selbst kein Qualitätsmerkmal ist, sondern lediglich die Qualität aufzeigen soll. Dies ermöglicht es Studieninteressierten und Studierenden sich über die Studiengänge nach persönlichen Bedürfnissen zu informieren und im eigentlichen Studiengang einen Vertrauensschutz zu genießen. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Programmakkreditierungen bisher sehr heterogen ablaufen. Systemakkreditierungen können ein Hinweis darauf sein, dass Hochschulen sich auch über die "formale" Programmakkreditierung Gedanken über ihre Hochschulsteuerung machen.
Seit kurzem sind nicht nur Kurzberichte der Begutachtungen einsehbar, sondern das komplette Gutachten – dazu hatte der Akkreditierungsrat die Agenturen 2011 verpflichtet. Somit können Studierende sich selbst einen Eindruck über den angebotenen Studiengang im Hochschulkompass der Hochschulrektor(innen)konferenz verschaffen (dort sind die Kurzberichte bzw. kompletten Gutachten – sofern vorhanden – verlinkt). Jedoch sind die Gutachten ebenfalls sehr heterogen, was nicht unbedingt leserInnenfreundlich ist.
Ein weiterer großer Kritikpunkt ist, dass der "Shift from Teaching to Learning", also der Gedanke der Lernendenzentriertheit (Studierende im Mittelpunkt des Lernprozesses) und Kompetenzorientierung von Studienangeboten momentan immer noch eine große Baustelle ist, egal ob oder ob nicht akkreditiert. In der Programmakkreditierung wurde das Kriterium oft dadurch gelöst, dass Kompetenzen und Lernziele "irgendwie" formuliert wurden. Jedoch zeigen viele Studiengänge immer noch eine fehlende kompetenzorientierte Prüfkultur die mit den im Studium angebotenen Lehr- und Lernformen abgestimmt ist. Dies zeigt sich vor allem darin, dass die meisten Prüfungen in Form einer Klausur stattfinden.
Das Umdenken bedarf der Offenheit aller Beteiligten und wahrscheinlich auch didaktischer Schulungen des Hochschulpersonals. Besonders bezeichnend ist auch, dass die Lernzielorientierung nicht nur bei den Hochschulen nicht angekommen ist. So beinhaltet die Befragung der "Studienanfänger in den alten und neuen Landern: Gründe der Hochschulwahl und Bewertungen der Hochschulregionen West- und Ostdeutschland(s)" des Hochschulinformationszentrums, aber auch anderer größerer Befragungsinstitutionen in Deutschland, bisher keine Fragen die Bologna Ziele, wie Lernendenzentriertheit oder Persönlichkeitsentwicklung berücksichtigen. Weitere Anlaufstellen zur Beratung des Studienangebotes oder der Berufswahl sind ebenfalls noch nicht bei dieser Lernendenzentriertheit angekommen.
Jedoch sollten Studieninteressierte und Studierende bei der Studienwahl gerade ein Interesse an dem Aspekt der Lernendenzentriertheit haben, da sie selbst in den Mittelpunkt gestellt werden.
Zum Autoren
Thorsten Saenger, Jahrgang 1985, studiert Chemie und Wirtschaftschemie an der Universität Münster. Er ist seit 2006 in verschiedenen Funktionen im Studentischen Akkreditierungspool aktiv.
Institutionen und Hintergründe rund um die Akkreditierung
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- Was ist die Akkreditierung eines Studiengangs eigentlich Wert?
Hintergrundartikel von Thorsten Saenger, war im Studentischen Akkreditierungspool aktiv } ?> - Qualitätssicherung von Studiengängen durch Evaluation und Akkreditierung?
Hintergrundartikel von Sonja Staack, war studentisches Mitglied im Akkreditierungsrat - Studentischer Akkreditierungspool
Bei den Akkreditierungsverfahren sollen auch Studierende beteiligt werden. Um die interessierten Studierenden zu qualifizieren, haben der studentische Dachverband fzs und die Bundesfachschaftentagungen den studentischen Pool gegründet. Er soll sich desweiteren auch dafür einsetzen, dass möglichst viele Studierende tatsächlich an Akkreditierungsverfahren beteiligt werden. - Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen (Akkreditierungsrat)
Legt die Leitlinien der Akkreditierung fest und akkreditiert die Akkreditierungsagenturen (siehe die folgenden, Links dort zur „Beurteilung“ des Akkreditierungsrates), die letztlich die Akkreditierung einzelnen Studiengänge vornehmen. Agenturen, die vom Akkreditieungsrat für eine Tätigkeit in Deutschland zugelassen wurden (ohne Gewähr, Quelle, 10.05.2024):
- AAQ – Schweizerische Agentur für Akkreditierung und Qualitätssicherung
- ACQUIN – Akkreditierungs-, Certifizierungs- und Qualitätssicherungs-Institut
- AHPGS – Akkreditierungsagentur für Studiengänge im Bereich Gesundheit und Soziales
- AKAST – Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung kanonischer Studiengänge
- AQ Austria – Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria
- AQAS – Agentur für Qualitätssicherung durch Akkreditierung von Studiengängen
- ASIIN – Akkreditierungsagentur für Studiengänge der Ingenieurwissenschaften, der Informatik, der Naturwissenschaften und der Mathematik
- evalag – Evaluationsagentur Baden-Württemberg
- FIBAA – Foundation for International Business Administration Accreditation
- MusiQuE – Music Quality Enhancement
- ZEvA – Zentrale Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover
Fußnoten
1 Statistische Daten zu Bachelor- und Master-Studiengängen (Statistiken zur Hochschulpolitik 2/2011) der Hochschulrektorenkonferenz.
2 HRK-Hochschulkompass, Abfrage vom 08.11.2011 unter http://www.hochschulkompass.de.
3 Unter Erstakkreditierung wird im allgemeinen die erste Akkreditierung eines Studienganges nach erfolgter Neukonzeption bezeichnet, wohingegen unter Reakkreditierung alle folgenden Akkreditierungen des Studiengangs bezeichnet werden.
4 Unter Auflage wird bei einer Akkreditierung ein festgestellter Mangel/Verstoß/Abweichung in Bezug auf die vom Akkreditierungsrat festgelegten Standards bezeichnet, der sich innerhalb von höchstens neun Monaten durch die Hochschule beheben lässt. Bei gravierenderen Mängeln die nicht durch Auflagen behebbar sind, kann die Akkreditierung versagt werden.
5 Der Akkreditierungsrat setzt sich aus HochschullehrerInnen, VertreterInnen der Länder, VertreterInnen der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, Studierenden, internationalen VertreterInnen und einem beratenden Mitglied der Agenturen zusammen. In Gremien der Agenturen müssen HochschullehrerInnen, Berufspraxis und Studierende vertreten sein.
Anhang: Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf das Bachelor System, differenziert nach Bundesländern.
Bundesland | Lehramtsbefähigende Studiengänge | Davon Staatsexamen | Davon Bachelor |
Baden-Württemberg | 465 | 438 | 27 (5,8%) |
Bayern | 566 | 526 | 40 (7,1%) |
Berlin | 49 | 0 | 49 (100%) |
Brandenburg | 22 | 0 | 22 (100%) |
Bremen | 22 | 0 | 22 (100%) |
Hamburg | 84 | 0 | 84 (100%) |
Hessen | 206 | 194 | 12 (5,8%) |
Mecklenburg-Vorpommern | 95 | 95 | 0 (0%) |
Niedersachsen | 188 | 0 | 188 (100%) |
Nordrhein-Westfalen | 457 | 38 | 419 (91,7%) |
Rheinland-Pfalz | 117 | 1 | 116 (99,1%) |
Saarland | 61 | 61 | 0 (0%) |
Sachsen | 76 | 0 | 76 (100%) |
Sachsen-Anhalt | 75 | 66 | 9 (12%) |
Schleswig-Holstein | 45 | 0 | 45 (100%) |
Thüringen | 59 | 38 | 21 (35,6%) |
Gesamt | 2587 | 1457 | 1130 (43,7%) |
Quelle: Statistische Daten zu Bachelor- und Master-Studiengängen (Statistiken zur Hochschulpolitik 2/2011) der Hochschulrektorenkonferenz.