Eltern verweigern Kindergeld oder stellen keinen Antrag?Abzweigungsantrag Kindergeld
Wenn die Kindergrundsicherung da ist, wird dieser Artikel unnötig. Die Kindergrundsicherung würde das Kindergeld ersetzen und wird an volljährige immer direkt ausgezahlt werden und nicht mehr an die Eltern. Allerdings hat die Koalition sich über die Details ziemlich zerstritten, es ist unklar, ob sie überhaupt noch kommt. Anfang 2025 dürfte es wohl nicht mehr klappen.
1. Wann kann ein Abzweigungsantrag für das Kindergeld gestellt werden?
Kurz gesagt: Wenn deine Eltern dir zu Unterhalt verpflichtet sind, sie weniger Unterhalt leisten, als es dem Kindergeld entsprechen würde und sie tatsächlich Kindergeld für dich beantragt haben und erhalten (die Voraussetzungen für den Erhalt von Kindergeld bei dir also erfüllt sind).
Wohnst du noch bei deinen Eltern, ist wahrscheinlich schon das Wohnrecht (und Essen, Wäsche waschen etc.) so viel wert, wie es dem Kindergeld entspricht. Denn auch dieser „Naturalunterhalt“ ist Unterhalt, nicht nur Bargeld. Eine Abzweigung ist dann nicht möglich.
Falls du die folgende Frage mit „Ja“ beantworten musst, klicke sie einfach an! Deine Eltern haben keinen Kindergeld-Antrag gestellt bzw. können ihn gar nicht stellen?
Um sicherzustellen, dass das Kindergeld am Ende wirklich bei dir ankommt, kannst du in bestimmten Fällen beantragen, dass es direkt an dich ausgezahlt wird (sog. Abzweigung):
wenn deine Eltern dir trotz bestehender Unterhaltsverpflichtung (nicht nur vereinzelt, sondern dauernd) keinen, nur unregelmäßig oder zu wenig Unterhalt zahlen (das gilt selbst dann, wenn sie keinen Unterhalt leisten müssen, weil sie zu wenig Einkommen haben)
wenn deine Eltern keinen Unterhalt zahlen, ihre Unterhaltspflicht damit aber nicht verletzen, weil sie dir bereits eine angemessene Ausbildung finanziert haben (mehr dazu im Unterhaltsartikel).
Deine Eltern bzw. das betroffene Elternteil erhalten/erhält vor der Abzweigung des Kindergeldes an dich die Gelegenheit, sich zu dem Auszahlungsantrag zu äußern.
Exkurs: Welcher Elternteil bekommt das Kindergeld?
Beziehen kann das Kindergeld immer nur ein Elternteil. Wohnt du nicht mehr bei den Eltern (was wie oben erwähnt mehr oder weniger Bedingung ist, um mit einem Abzweigungsantrag Erfolg zu haben) sondern in einer eigenen Wohnung bzw. WG-Zimmer, muss das Elternteil das Kindergeld beantragen, der laufend (den höheren) mehr Geld („Barunterhalt“) an dich zahlt. Zahlen beide Eltern gleich viel oder zahlen sie beide gar nichts, können sie frei wählen, wer das Kindergeld bezieht. Bei der Familienkasse, bei der das entsprechende Elternteil Kindergeld beantragt hat, solltest du auch den Abzweigungsantrag stellen.
2. Ist es möglich, (fast) den BAföG-Höchstsatz zu bekommen und zusätzlich das Kindergeld abzuzweigen?
Ja, das ist tatsächlich möglich. Wenn du den BAföG-Höchstsatz bekommst, müssen deine Eltern in der Regel keinen Unterhalt mehr leisten (aus BAföG-Sicht sowieso nicht, aber auch rein vom Unterthaltsrecht betrachtet dürfte in fast 100% der Fällen nichts anderes herauskommen). Tun sie das dann auch tatsächlich nicht (weder in Form von Geldleistungen noch als „Naturalunterhalt“), kannst du rein rechtlich betrachtet das Kindergeld von den Eltern verlangen – und wenn sie sich weigern, auch an dich abzweigen lassen.
Unterhaltsrecht, BAföG und Kindergeld-Regelungen sind insofern nicht wirklich gut aufeinander abgestimmt, das Ergebnis eigentlich unfair:
Wer den BAföG-Höchstsatz bekommt, kann sich auch noch das Kindergeld auszahlen lassen. Wer dagegen genau so viel weniger BAföG bekommt, wie es dem Kindergeld entspricht, der kann von seinen Eltern in der Regel nur das Kindergeld verlangen, aber nichts weiter. Die Eltern müssen zwar Unterhalt leisten, dürfen dafür aber das Kindergeld verwenden. Ergo könnten alle mit BAföG-Höchstsatz theoretisch über 200 € mehr zur Verfügung haben – BAföG-Höchstsatz plus Kindergeld.
Natürlich ist die Frage, wie viele das so handhaben. Die meisten dürften doch gelegentlich zu Hause bei den Eltern sein – und insofern gewähren die Eltern dann „Naturalunterhalt“ und das Kindergeld voll abzuzweigen wäre gar nicht gerechtfertigt. Nicht vergessen solltest du auch, dass es Kindergeld nur bis zum 25. Geburtstag gibt. Danach ist es vorbei mit der Möglichkeit der Abzweigung.
Übrigens haben auch diejenigen, die gar kein BAföG bekommen und sehr reiche Eltern haben, in der Regel Anspruch auf mehr Unterhalt, als es dem BAföG-Höchstsatz entspricht. Am schlechtesten stehen rein rechtlich betrachtet also alle unter 25 da, die nur eine BAföG-Teilförderung bekommen, die den Höchstsatz mind. um die Höhe des Kindesgeldes unterschreitet.
3. Höhe der Kindergeld-Abzweigung: Wie viel Geld gibt es?
Abgezweigt wird in den oben genannten Fällen der Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des gesamten Kindergeldes auf alle Kinder ergibt. Seit 2023 ist das Kindergeld einheitlich für alle Kinder, es braucht also keine Rechnerei mehr – abgezweigt werden immer genau 250 € für ein Kind.
Rückblick: Bis Ende 2022 war es komplizierter!
Es musste geschaut werden, wie viel Kindergeld der Antragsteller für alle Kinder gemeinsam erhielt. Anschließend wurde dieser Betrag durch die Anzahl der Kinder geteilt, für die Kindergeld gezahlt wird. Interessant wurde das erst ab drei Kindern, für die ersten beiden wurde ja jeweils gleich viel gezahlt.
Beispiel (nur bis Ende 2022 gültig, danach wie oben erwähnt einheitliches Kindergeld, keine Rechnung mehr erforderlich!)
Deine zusammen lebende Eltern haben vier Kinder, für die sie Kindergeld erhalten. Sie bekommen 2022 je 219 € für das erste und zweite, 225 € für das dritte und 250 € für das vierte Kind.
Insgesamt also 913 €, geteilt durch vier sind 228,50 € im Schnitt pro Kind. Genau das wäre der Betrag der „abgezweigt“ würde.
Zählkinder vorhanden? Bis Ende 2022 hab es einen „Zählkindvorteil“ bei der Kindergeld-Abzweigung!
Nochmal: auch das Folgende war nur bis Ende 2022 relevant – seit Januar 2023 gibt es für alle gleich viel Kindergeld, Zählkinder spielen keine Rolle mehr!
Hatte der Elternteil, der für dich Kindergeld bezog, noch ältere eigene Kinder, für die aber eine andere Person das Kindergeld bekamen, so waren das sogenannte „Zählkinder“. Für diese bekam dein Elternteil zwar kein Kindergeld, aber sie erhöhten in der Regel das Kindergeld der anderen Kinder, da deren „Nummer“ um die Zahl der (älteren) Zählkinder erhöht wurde. Ab dem dritten Kind gab es mehr Kindergeld. Waren „Zählkinder“ mit im Spiel, wurde es auch bei der Abzweigung etwas komplizierter. Grundlage dafür war V 24.2 Abs. 3 der Dienstanweisung zum Kindergeld (DA-KG, Stand 2021). Mit einem Beispiel ist es wahrscheinlich am einfachsten zu verstehen:
Beispiel (seit 2023 nicht mehr relevant!)
Dein Vater erhält dein Kindergeld. Neben dir wohnt noch ein minderjähriger Bruder bei ihm, für den er ebenfalls Kindergeld bekommt. Er hat aber noch zwei weitere ältere Kinder unter 25 Jahren in Ausbildung, die jedoch bei deren Mutter leben (und für die daher auch die Mutter das Kindergeld bekommt). Diese zwei Kinder sind „Zählkinder“.
Sie sind wegen ihres höheren Alters Kind 1 und 2, für die dein Vater selbst zwar nichts bekommt. Aber du und dein Bruder zählen dadurch als drittes und viertes Kind, dein Vater bekommt also 225 € für das dritte und 250 € für das vierte Kind, insgesamt 475 € (oder 237,50 € pro Kind).
Ohne die Zählkinder wären es nur 438 € gewesen – ein „Zählkindvorteil“ von 37 €. Für die Abzweigung wird zunächst bestimmt, was es für dich ohne Zählkinder an Kindergeld gäbe – 219 € (438 € / 2). Dazu kommt der Zählkindvorteil, der auf alle Kinder (hier: 4) aufgeteilt wird. D.h. für dich gibt es 9,25 € mehr als ohne die Zählkinder: 228,25 €.
4. Eltern haben gar kein Kindergeld beantragt
Wie schon oben erwähnt: Das Kindergeld muss eigentlich von den Eltern beantragt werden. Doch manche mögen das – aus welchen konkreten Gründen auch immer – gar nicht erst tun. Ein klassischer Abzweigungsantrag wie oben beschrieben ist dann nicht möglich.
Wohnst du noch bei deinen Eltern, ist wahrscheinlich schon das Wohnrecht (und Essen, Wäsche waschen etc.) so viel wert, wie es dem Kindergeld entsprechen würde. In dem Fall solltest du eher deinen Eltern klar machen, dass sie sich Geld entgehen lassen, was doch für alle schade wäre.
Vergewissere dich zunächst, dass die Voraussetzungen für den Erhalt von Kindergeld bei dir wirklich erfüllt sind. Andernfalls hätten deine Eltern ja mit Recht kein Kindergeld beantragt bzw. es macht für dich keinen Sinn, hier weiter etwas zu unternehmen.
Es müssen zwei Fälle unterschieden werden, warum kein Antrag gestellt wurde:
a. Die Eltern sind erreichbar
Hier kann ein „Antrag im berechtigten Interesse“ durch dich als Kind selbst erfolgen (§ 67 Satz 2 EStG). Das Vorgehen ist in Abschnitt V 5.3 der Dienstanweisung zum Kindergeld (DA-KG, Abschnitt Stand 2022) beschrieben.
Im Rahmen dieses Verfahrens werden die Eltern angeschrieben, da die Familienkasse zunächst versucht, sie zu einer Antragstellung zu animieren. (Theoretisch könnte sogar auch herauskommen, dass sie doch einen gestellt haben, aber dir das verschwiegen haben – oder etwas anderes schiefgelaufen ist.) Sinnvollerweise solltest du dich daher gleich an die Familienkasse wenden, die für deine Eltern zuständig ist. Sind die Eltern getrennt, wähle die Familienkasse nach der Zuständigkeit für den Elternteil, der vermutlich das höhere Einkommen hat.
Dein formloser Antrag (ein Formular dafür ist uns nicht bekannt) sollte neben der Adresse der Eltern bzw. des Elternteils dein berechtigtes Interesse nachweisen. Dazu solltest du ausführen, dass es für dich grundsätzlich noch Kindergeld geben kann (du bist unter 25 Jahre alt und studierst – letzteres kannst du durch eine Semesterbescheinigung nachweisen). Aber deine Eltern offenbar keinen Antrag gestellt und die vor allem keinerlei Geld auszahlen. Daher stellst du einen „Antrag im berechtigten Interesse“ auf Kindergeld zur Auswahl direkt an dich.
Die Familienkasse wird darauf hin prüfen, ob ein Kindergeldanspruch bestehen könnte. Falls ja, wird geprüft, ob die Eltern nicht doch Kindergeld beantragt haben. Wenn ja, wird das ganze zu einem Abzweigungsantrag – du wirst vermutlich aufgefordert werden, das entsprechende Formular auszufüllen.
Haben die Eltern tatsächlich nichts beantragt, werden sie angeschrieben und ihnen einen Kindergeldantrag zukommen gelassen unter Setzung eine angemessenen Frist. Sollte auch das zu nichts führen, wirst du den Antrag erhalten und darfst ihn ausfüllen. Solltest du Angaben nicht machen können, weil diese nur deine Eltern machen könnten, „sind gemeinsam mit dem Antragsteller im berechtigten Interesse alle Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, um über das Bestehen eines Anspruchs entscheiden zu können“ (Zitat aus der DA-KG).
b. Die Eltern sind tot oder ihr Aufenthaltsort ist unbekannt
Der normale Kindergeldantrag geht davon aus, dass es Eltern gibt. Also braucht es für die Situation, dass die Eltern gar nicht da sind, einen besonderen Antrag, den du als Volljähriger selbst ausfüllen kannst.