Konzert-Review„Softcult“ live in Hamburg
Der eigentlich geplante Support von Softcult, die schottische Band „swim school“, konnte offenbar wegen Problemen mit ihren Visa (tja, der Brexit hat das alles komplizierter gemacht) Softcult nicht mehr nach Deutschland begleiten. Sie mussten sich auf den Support in UK beschränken. Schade, denn es wären die ersten Auftritte außerhalb Großbritanniens gewesen und nach allem was ich Live-Ausschnitten bei Instagram entnehmen konnte, hätten swim school die Bühne wirklich gerockt.
So rechnete ich gar nicht mit einer Vorband – doch die gab es dann doch: „Don't kill the Octopus“ aus Wedel bei Hamburg. Bis auf den Schnitzer 😜, dass der Sänger gar nicht gewusst hatte, dass sie eine Band aus Kanada supporten, machten sie ihre Sache gut.
Ort des Konzerts war übrigens das Turmzimmer des Uebel & Gefährlich – ein Club in einem Bunker am Rande des Heiligengeistfeld.
Softcult legen los – und wie!
Anders als vor ein paar Wochen bei Momma war ich diesmal ja wirklich wegen des Hauptacts gekommen. Und der enttäuschte nicht.
Mercedes Arn-Horn (Gesang+Gitarre) und ihre Zwillingsschwester Phoenix (Drums+Gesang) – übrigens an Halloween 2004 geboren – sind Softcult, live wurden sie bestens von Brent McSwiggan an der Gitarre und Oliver Burdett am Bass unterstützt.
Im Hintergrund liefen die ganzen Zeit Ausschnitte aus schwarz-weiß Filmen der (vermutlich) 30er bis 60er Jahre des 20. Jahrhunderts – unter anderem Szenen von Bomben abwerfenden Flugzeugen aus dem 2. Weltkrieg, Ratten im Käfig, Massenveranstaltungen. Softcult wollen zum Nachdenken anregen und für Veränderungen kämpfen, was auch die Liedtexte zeigen und noch mehr die Ansagen von Mercedes zwischendurch.
So erzählte sie den Hintergrund zu ihrem Song „BWBB“ (Link auf Video bei YouTube): In Großbritannien war 2021 Sarah Everald von einem Polizisten auf ihrem abendlichen Heimweg festgenommen, vergewaltigt und schließlich umgebracht worden. Aber von manchen wird dann immer noch nach Ausreden gesucht („Warum war die Frau so spät unterwegs? Was hatte sie denn an?“ etc.) – und das dürfe nicht mehr sein. Das Bild oben zeigt die Band während des Songs.
Auch zum Thema „Cancel Culture“ machte Mercedes klare Ansagen: Es ginge viel mehr um Verantwortung, die Institutionen und Menschen übernehmen müssten und sich nicht herausreden dürften. Verantwortung müssten aber wir alle übernehmen und uns immer überlegen, was auch wir zum Besseren verändern können – für eine gerechtere, inklusivere Welt.
Doch bei allem Ernst der Themen: Softcult bieten einfach gute Musik, von manchen recht zutreffend als „grunge-gaze“ bezeichnet. Entsprechend shoegaze-artige Gitarren-Sounds bauen Softcult immer wieder auf, um zwischendurch die Gitarren grungy krachen zu lassen.
Auch die Begleitmusiker gaben alles. Brent holt alles aus der Gitarre raus, was geht – und ab und an gibt's noch ein wenig Background-Shouts.
Zwei kurze Ausschnitte aus dem Konzert sind hier auf Instagram zu finden. Mehr gibt's bspw. im Insta-Account von Softcult – von ihrem Auftritt im Omeara in London.
Auf ein paar Worte mit Softcult
Ich hatte in ein paar Interviews auf Youtube schon gehört, dass Mercedes und Phoenix nach den Konzerten immer noch da bleiben und ihre Merch-Artikel signieren, für Selfies bereit sind und auch das eine oder andere Gespräch möglich ist. Das war auch in Hamburg so – und macht auch den Reiz von „kleineren“ Bands aus, die das überhaupt noch leisten können. Bei „zu vielen“ Fans ist so eine fast familiäre Atmosphäre natürlich nicht mehr möglich.
Diesmal mussten es auch Selfies sein: Oli mit Phoenix Arn-Horn (die sonst am Drumset kaum zu sehen ist), im Hintergrund Brent
Während Mercedes schon am Merch-Tisch LPs (na ja, nur die zwei, die sie noch da hatten), CDs und andere Dinge signierte und mit den Fans Selfies machte, sprach ich erstmal kurz mit Brent, der auch eine großartige Show abgeliefert hatte. Von der Musik allein kann er leider (noch) nicht leben und muss sich in seiner Heimat Kanada von Zeit zu Zeit mit Lieferdiensten Geld dazu verdienen. Wohl in ähnlicher Form das Schicksal vieler Musiker, die zwar toll sein können, aber ohne kommerziell ausreichend erfolgreiche eigene Band (oder noch erfolgreichere Band, die einen für Live-Gigs anstellt und besser bezahlen kann) ist Musik vor allem Berufung.
Mit Phoenix, die ihr Drumset inzwischen weitestgehend abgebaut hatte, konnte ich ein paar Worte mehr wechseln. So erfuhr ich, dass wohl der Brexit gewissermaßen Schuld daran war, dass der eigentlich geplante Support „swim school“ doch in UK bleiben musste. Um so doofer, da Schottland (wo swim school herkommen) alleine ja nicht dafür war. Ich war mit mit Phoenix einig, dass der ganze Brexit keine gute Idee war und bei der knappen Mehrheit auch wenig verständlich ist, wie das die Politik so durchgezogen hat.
Keine Schnecke: Das Treppenhaus im Bunker, die Location liegt im vierten Stock (und ein Stockwerk ist sehr hoch …)
Die Filmausschnitte hat ihre Schwester zusammengestellt (was ich später nebenbei auch von Mercedes selbst hörte, die sich noch mit einem anderen Fan unterhielt). Dass sie teilweise Kriegsszenen enthielten, war in der Location – wie schon oben erwähnt ja ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg – besondern eindrücklich.
Softcult hoffen, schon im nächsten Jahr wieder nach Europa zu kommen – sie haben in Deutschland ja auch noch ein paar Städte ausgelassen 😊 Offenbar würde vor allem Berlin sie reizen. Kann ich als Hamburger gar nicht verstehen 😉 Aber egal: Sollten Softcult wieder auf Tour kommen: Geht unbedingt hin, es lohnt sich!
(Und ich muss wirklich an meinem Englisch arbeiten – verstehen geht ziemlich gut, aber der aktive Wortschatz bleibt stark verbesserungsfähig.)
Insgesamt ein weiterer unvergesslicher Abend mit großartiger Musik und spannende Begegnungen!