Aluhüte an die Macht?Was Studis gegen Verschwörungstheorien machen können
Von Turid Müller
Praxis-Kästen:
Alternative Medien sind auf dem Vormarsch. Aber was mal nach der Verheißung einer unabhängigeren Presse fernab vom Mainstream geklungen haben mag, zeigt uns heute immer öfter eine hässliche Fratze: Endlose Diskussionen mit Verschwörungsgläubigen, zweifelhafte Beiträge in sozialen Netzwerken und Ratlosigkeit, was Mensch noch glauben kann, greifen um sich. Gesellschaftliche Spaltung und Radikalisierung im Netz nehmen zu und werden immer mehr zur politischen Bedrohung, die auch im Alltag immer näher rückt. Fangen wir vorne an: Was verbirgt sich eigentlich genau hinter diesen Begrifflichkeiten, die zunehmend in Talkshows und Zeitungsartikeln besprochen werden und es sogar zunehmend bis in die Nachrichten schaffen? Wie definiert man „Verschwörungstheorie“? Eine Verschwörungserzählung zeichnet aus, dass Einzelpersonen oder Gruppen, die für mächtig gehalten werden, Einfluss auf bedeutsame Ereignisse nehmen, und der Bevölkerung damit absichtlich Schaden zufügen. – Dies wird jedoch geheim gehalten. Schwierig wird es deshalb, weil nicht selten irgendwo ein wahrer Kern schlummert. – Ungerechtigkeit gibt es ja wirklich. Und um an den Einfluss von Lobby-Gruppen aus der Wirtschaft zu glauben, reicht es völlig, eine Zeitung aus dem Portfolio der etablierten Medien aufzuschlagen – da braucht es gar kein konspiratives Internetportal! Außerdem handelt es sich bei der Verschwörungserzählung nicht zwangsläufig um die Meinung der Minderheit. Wir brauchen nur bis zum 2. Weltkrieg zurückzublicken, um zu verstehen, dass auch die Mehrheit einer solchen Ideologie anhängen kann – und was dann passiert… Das heißt aber auch: Wenn wir die augenblicklichen Entwicklungen als ein marginales Phänomen ungebildeter Randgruppen oder einzelner Irrer abtun, unterschätzen wir die Situation. „Eine Theorie ist im Allgemeinen eine durch Denken gewonnene Erkenntnis...“, weiß Wikipedia. Und schon wird klar, warum das gängige Wort „Verschwörungstheorie“ nicht recht passen mag… In der einschlägigen Fachliteratur wird daher der Begriff „Verschwörungsmythen“ verwendet. Dieser wird eher der Tatsache gerecht, dass Denken nicht unbedingt die Grundlage für dieser Art von Ideenbildung darstellt. Und dass eine Theorie etwas ist, dass sich mit Argumenten und Fakten widerlegen lässt. – Wer bereits die Freude hatte, mit den Anhänger*innen solcher Mythen zu diskutieren, weiß, dass das (vorsichtig ausgedrückt) nur sehr begrenzt der Fall ist. Der implizite Anstrich, es handele sich hier um eine Theorie, und somit um eine wissenschaftlich nachprüfbare Annahme über die Welt, verleiht dem Ganzen eine ungerechtfertigte Seriosität. Das Markenzeichen eines Verschwörungsmythos‘ ist es ja eben gerade, dass er sich einer Überprüfbarkeit entzieht. Katharina Nocun und Pia Lamberty, die mit ihrem Buch „Fake Facts“ bekannt geworden sind, differenzieren hier übrigens noch stärker: Ein Verschwörungsmythos ist demnach ein übergeordnetes, „abstraktes Narrativ“. Die zahlreichen, sich daraus speisenden Verschwörungserzählungen dagegen sind wesentlich konkreter. Und die Bezeichnungen Verschwörungsideologie oder –Mentalität beschreiben die „individuelle Tendenz, die Welt als einen Ort voller Verschwörungen wahrzunehmen“ (Fake Facts S. 22). Das war ganz schön viel Theorie, um das Wort noch mal zu bemühen. Wie genau lassen sich die Begriffe jetzt voneinander abgrenzen? Ein Beispiel: Nicht erst seit der Pandemie also ist Verschwörungsdenken ein Thema. Aber ‚seit Corona‘ wird immer augenfälliger, was auch vorher schon im Verborgenen schlummerte: 30% der Menschen in Deutschland haben eine Verschwörungsmentalität.1 Das bedeutet: Sie sind empfänglich für entsprechende Erzählungen. Dabei zieht sich der Verschwörungsglaube durch alle gesellschaftlichen Schichten und politischen Ausrichtungen. Populistische Parteien weisen allerdings eine größere inhaltliche Nähe zu derartigen Narrativen auf. Und so finden sich beispielsweise in der AfD gehäuft Menschen mit Zustimmung zu Verschwörungsdenken. Das gehäufte Auftreten von Verschwörungserzählungen in Krisenzeiten ist ein Quasi-Naturgesetz der menschlichen Seele, so eine These der Wissenschaft: Es kann eine Bewältigungs-Strategie sein, um mit den Gefühlen umzugehen, die durch solche Extremsituationen ausgelöst werden: Angst und Unsicherheit. Dem empfunden Kontrollverlust können wir psychologisch entgegenwirken, indem wir meinen, als Einzige die wirklich wahre Wahrheit aufgedeckt zu haben und die verborgenen Muster zu erkennen. Das gibt uns ein Stückchen gefühlte Sicherheit in einer chaotischen Welt. Die sprichwörtliche Planke, an die wir in der Datenflut Ertrinkenden uns klammern. Typisch ist außerdem: In polarisierten Gesellschaften schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in Wissenschaft, Politik und Medien. Das führt zu einem Teufelskreis: Denn gerade die Institutionen, die uns als Quelle zur Wahrheitsfindung dienen könnten, verlieren ihre Glaubwürdigkeit. In letzter Konsequenz kann das eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Es ist also ein guter Moment, um sich fit zu machen für die eigene Mediennutzung, für den gesellschaftlichen Diskurs und für unsere Verantwortung als Repräsentant*innen unserer wissenschaftlichen Fächer, Berufe und Ämter.1. Einführung
Was ist eine Verschwörungserzählung?
Sind Verschwörungstheorien Theorien?
Die sogenannte „jüdische Weltverschwörung“ ist ein Mythos, aus dem sich seit jeher viele konkrete Erzählungen ableiten – so auch die, die in der Zeit des Nationalsozialismus gängig waren. Menschen mit einer entsprechenden Mentalität haben diese Narrative aufgegriffen, sie (oft unter Hinzuziehung „alternativer Fakten“) verbreitet und ihren Ideen Taten folgen lassen. Der Anschlag von Halle im Jahr 2019 zeigt deutlich, dass eine Radikalisierung im Netz Terrorismus befeuern und in Gewalt münden kann.Wann, wenn nicht jetzt?
2. Psychologische Grundlagen
Wieso glauben Leute sowas?
Der Frage, was jemanden anfällig dafür macht, solchem Gedankengut auf den Leim zu gehen, möchte ich hier auf den Grund gehen. Dabei werfen wir einen Blick auf verschiedene psychologische Phänomene, die die Basis dafür bilden, dass Verschwörungsdenken sich bei einem Menschen verfangen kann.
Das kann uns einerseits dabei helfen, im Gespräch mit Betroffenen (durch ein größeres Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen) handlungsfähiger zu werden. Andererseits ermöglicht es uns aber hoffentlich auch einen kritischen Blick auf unseren eigenen Umgang mit Informationen und auf unsere Überzeugungen.
Was ist eine Verschwörungsmentalität?
Wie oben beschrieben, versteht man unter Verschwörungsmentalität die grundsätzliche Offenheit eines Menschen für Verschwörungsgedanken. Die Psychologie geht davon aus, dass es sich dabei um eine Persönlichkeitseigenschaft handelt. Persönlichkeitseigenschaften sind relativ stabile Merkmale. Sie bleiben ungefähr konstant, können sich aber auch verändern – zum Beispiel durch ein einschneidendes Ereignis.
Dabei verhält es sich ein bisschen wie bei den Kaufempfehlungen im Internet: Wer seinen Memes im Messenger Mythos XY abkauft, ist auch eher bereit, ihm Mythos Z abzukaufen. Das Kuriose ist: Das gilt sogar, wenn XY und Z sich logisch gegenseitig ausschließen. Es wäre also denkbar, dass jemand davon ausgeht, dass die Erde eine Scheibe ist, aber gleichzeitig überzeugt ist, dass in der Mitte des Erdballs geheime Wesen wohnen. – Klingt verrückt, ist aber so.
Dieses Prinzip gibt uns übrigens einen Ansatzpunkt für eine inhaltliche Auseinandersetzung: Wir können auf logische Widersprüche wie diesen hinweisen. – Wie weit wir damit kommen (oder auch nicht)? – Dazu später mehr…
Was hat man davon, sowas zu glauben?
Wie in der Einführung erwähnt, kann der Glaube an Verschwörungen eine unbewusste Strategie sein, mit der wackeligen Wirklichkeit klarzukommen. Aber es kann auch einen anderen Nutzen haben:
Wenn wir an etwas glauben, das nicht alle glauben, dann macht uns das zu etwas Besonderem. Wir allein haben die Mächtigen durchschaut. Und schon sind wir die Hauptfiguren in einem Heldenepos! Und sehr wichtig! – Es wertet uns auf.
Für diese Art der Selbstinszenierung gibt es gerade in jüngster Zeit wieder Beispiele tragischer Berühmtheit. Denn nicht selten stilisieren sich sie selbsternannten Widerstandskämpfer*innen zu Ikonen einer Heldengeschichte und versteigen sich zu Vergleichen mit historischen Persönlichkeiten.
Je nötiger eine Person eine solche Aufwertung hat, desto anfälliger ist sie für solche Annahmen.
Einer der vielen begünstigenden Faktoren kann beispielsweise ein Merkmal sein, das gar nicht so selten ist: Narzissmus. Narzissmus ist eine Vokabel, die oft zu Irritationen führt, weil sie nicht allein die entsprechende Persönlichkeitsstörung beschreibt, sondern auch eine Eigenschaft, die wir alle mehr oder weniger haben, und die in gewissem Rahmen gesund und normal ist.
Menschen mit starken narzisstischen Tendenzen haben gemein, dass sie keine Schwächen an sich wahrnehmen und zulassen können – auch keine Gefühle wie Angst oder Unsicherheit. Sie müssen sich überlegen fühlen und in Kontrolle. – Ich denke, es wird klar, warum Verschwörungserzählungen reizvoll erscheinen können.
Um das an Corona mal zu verdeutlichen: Wenn ich keine Angst spüren kann oder will, liegt es natürlich nahe, davon auszugehen, dass das Virus gar nicht so gefährlich sein kann, und dass ich die verdeckten Machenschaften dunkler Mächte hinter den Gegenmaßnahmen längst durchschaut habe.2
Eine unsichere Bindung3 an die frühkindlichen Bezugspersonen kann den Glauben an Verschwörungsmythen begünstigen.
Aber auch etwas so Profanes wie Langeweile kann, wie Studien ergeben haben (Fake Facts S. 31) den Glauben an eine Verschwörung begünstigen. Sich als Teil eines Action-Thrillers zu fühlen peppt den grauen Alltag auf. Und die eigenen Sorgen wirken neben so einer weltumspannenden Intrige auch plötzlich angenehm klein. Und die komplexe Wirklichkeit wird so praktisch überschaubar (Fake Facts S. 53-54) …
Zudem sind wir unterschiedlich gestrickt in Bezug auf unseren Umgang mit Informationen. Hier unterscheidet man Menschen mit einem hohen Erkenntnisbedürfnis und kognitive Vermeidende. Während Menschen mit einem hohen Erkenntnisbedürfnis eher tief in die Materie eintauchen, Spaß am Denken haben und eher offen für Kritik sind, geben sich die Vermeider*innen eher mit einfachen Antworten zufrieden und sind schnell überfordert (Fake Facts S. 57).
Aber wir alle greifen manchmal auf vereinfachende Mechanismen zurück: Fehlt es uns an Kapazität, schalten wir auf Autopilot. Das sollten wir bedenken, wenn wir übermüdet versuchen, wichtige Entscheidungen zu treffen…
Dazu kommt, dass es uns unlogisch erscheint, wenn ein Ereignis von großer Bedeutung ein Produkt bedeutungsloser Zufälle sein soll. Es fühlt sich einfach stimmiger an, dass der spektakuläre Tod einer berühmten Person mindestens ein Komplott zur Ursache haben muss. Wenn da nicht noch mehr dahin steckt…!
Es zeigt sich also, wie oben bereits angedeutet: In uns allen finden sich ein paar Eigenarten, die uns anfällig machen können. Es gibt da kein typisches Profil. Vor Verschwörungsglauben schützt, wie sich auch in den letzten Monaten immer wieder zeigt, auch kein Doktortitel…
Warum scheinen Verschwörungsgläubige gegen Fakten resistent zu sein?
Eine der Antworten auf diese Frage lautet: Kognitive Dissonanz.4 Das ist der Name eines psychologischen Phänomens, das zu einer selektiven Wahrnehmung führen kann.
Artikeltipp: Denkfehler erkennen und entmachten
Unser Leben ist eine Aneinanderreihung von Entscheidungen. Aber auf welcher Basis treffen wir sie? Ob bei der Wahl des Studiums, in der Forschung, bei der Prüfungsvorbereitung oder im Miteinander am Arbeitsplatz – logische Fehler trüben Denken und Wahrnehmung in allen Lebensbereichen und sind uns keine guten Berater. Doch wir können gegensteuern… weiter
Kognitive Dissonanz beschreibt das unangenehme Spannungsgefühl, wenn unser Kognitionen (Meinungen, Wahrnehmungen etc.) im Widerstreit miteinander stehen. Wir versuchen daher intuitiv, den Spannungszustand schnellstmöglich aufzulösen.
Dazu gibt es verschiedene Herangehensweisen, die uns unterschiedlich viel abverlangen. Am einfachsten ist es, wenn wir unpassende Informationen leugnen oder uns gezielt bestätigende Informationen suchen. Die Filterblasen-erzeugenden Algorithmen von YouTube und Co begünstigen das noch. Und so wird die Kommilitonin, die den Klimawandel leugnet, widersprüchliche Videos einerseits als unglaubwürdig abtun (zum Beispiel weil sie aus den „Systemmedien“ stammen), andererseits aber auch automatisch bei ihrer Onlinesuche immer weniger Inhalte der Gegenmeinung präsentiert bekommen.5
Als wäre das noch nicht genug, zeigen uns die Algorithmen auch zunehmend extremere Inhalte. So gewöhnen sich Menschen nach und nach in kleinen Schritten an immer heftigeren Content. Was designed wurde, um uns am Ball zu halten, damit wir die Werbung sehen, die die Plattformen finanziert, kann zu einer schleichenden Radikalisierung beitragen.6
Nicht nur deshalb, sollten wir bei der Recherche für unsere Bachelorarbeit Vorsicht walten lassen:
YouTube-Clips von Privatpersonen für ebenso fundiert wie einen wissenschaftlichen Artikel zu halten, ist eine kognitive Verzerrung, die charakteristisch für Menschen mit Verschwörungsmentalität ist (Fake Facts S. 56). - Also: Augen auf bei der Quellen-Wahl!
3. Was wir tun können
Warum müssen wir handeln? Und was haben Verschwörungstheorien mit Fridays4Future zu tun?
Der bloße Kontakt zu Verschwörungserzählungen kann nicht nur die Einstellung, sondern auch das Verhalten von Menschen beeinflussen. Eine Untersuchung konnte zeigen, dass durch die Konfrontation mit Statements, die den Klimawandel leugnen, die Bereitschaft, selbst einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, sinkt (Fake Facts S. 105). Selbst wenn die Aussagen nicht geglaubt werden! Der gesäte Zweifel genügt!
Wie aber können wir unsere Verantwortung wahrnehmen?
15 Vorschläge, was du als Studi gegen Verschwörungserzählungen machen kannst:
Verbreite keine Nachrichten ohne Faktencheck.
Nutze nicht die Sprache der Hetzenden, sonst verstärkst du ihren Einfluss.
Stell dich gegen eine zunehmende Polarisierung und bleib im Gespräch.
Grenze dich ab, wo es dran ist, klare Kante zu zeigen.
Bevor du auf eine Demo gehst, prüfe, wer sie anmeldet und welche Gruppen noch da sein werden.
Gestalte politische Prozesse aktiv mit. Die Fachschaft oder auch der AStA könnte dein Einstieg sein.
Wenn du jetzt oder später einen wichtigen Posten innehast, sorge für Transparenz bei allen Entscheidungen. Das entzieht der Mythenbildung die Grundlage. Das fängt bei der Hochschulpolitik an.
Bilde Banden und organisiere dich: Da gibt es so viele Möglichkeiten – von Scientist 4 Future bis ForschenLernen ist für alle was dabei.
Mach dich schlau und gib dein Wissen weiter: Blogge, podcaste und publiziere! – Es gibt inspirierende Vorbilder, wie zum Beispiel von der FH Kiel.
Mach dich mit deinem Fach stark für Demokratie, Pressefreiheit und Pluralismus: Du bist Künstler? Mach eine Ausstellung zum Thema! Du bist Islamwissenschaftlerin? Stelle dich mit Wissen dem Halbwissen entgegen!
Gestalte die Demokratie aktiv mit. Geh wählen.
Setze dich dafür ein, dass die Missstände in Medien und Politik beseitigt werden, damit das Vertrauen in diese Organe wieder wachsen kann.
Lasse Verschwörungstheorien nicht unkommentiert – egal ob off- oder online.
Misch‘ dich ein, wenn du Diskriminierung beobachtest.
Ziehe immer verschiedene Quellen und Medien heran, wenn du für eine Arbeit recherchierst.
Wie prüfe ich Informationen auf ihre Richtigkeit?
Mit der Bilder-Rückwärtssuche kannst du herausfinden, ob ein Bild aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Denn mit der Suchfunktion prüfst du, wo das Bild im Netz noch auftaucht. Dazu gibst du einfach die URL in die Bildersuche von Google, Yandex, Bing oder TinEye eingeben. – Fertig!
Aber auch bei Videos lässt sich mittlerweile eruieren, wann sie online gestellt wurden. Dazu gibt es ein Tool von Amnesty. Vergleichbar funktioniert auch ein Plugin, das es für Firefox und Google Chrome gibt: InVid.
Ob ein Foto bearbeitet wurde oder echt ist, lässt sich ebenfalls herausfinden: Einfach bei FotoForensics hochladen. Dass etwas erst nachträglich hinzugefügt wurde erkennst du daran, dass sich die Elemente aus dem schwarzen Filter abheben.
Ratsam ist ebenfalls, möglichst viel über die Quellen herauszufinden, die du benutzt. Dafür reicht oft schon ein Blick ins Impressum. Ein ebenfalls aufschlussreicher Anhaltspunkt kann die Information sein, wie lange ein Channel oder Account schon existiert.
Die Echtheit von Profilen von Personen des öffentlichen Lebens erkennt man in der Regel an einem blauen Häkchen ✔, das die Authentizität verifiziert.
Wenn die Inhalte, die du verwenden möchtest, plötzlich weg sind, ist auf das Elefantengedächtnis vom Internet verlass. In der Suche vom Archive.org findest Du die verschwundenen Daten vermutlich wieder.
Turid Müller – Schauspielerin und Diplompsychologin – arbeitet an den Schnittstellen von Kommunikation und Kreativität. Unter anderem als Leiterin von Kreativitäts- & Präsentationstrainings.
Und als „Teilzeitrebellin“ im Bereich Chanson/Musikkabarett:
Wo macht unser Eingreifen Sinn?
Abwägen sollten wir immer, ob unser Einsatz uns in Gefahr bringen könnte und falls ja, ob wir genug Willen und Ressourcen haben, das in Kauf zu nehmen. Haben wir diese Frage für uns geklärt, gilt die grobe Faustregel: Lieber halbgar den Mund aufgemacht als elegant geschwiegen. Denn unser Schweigen könnte als die Zustimmung der schweigenden Mehrheit missverstanden werden und so die Parolenschwingenden noch ermutigen.
Besonders groß sind unsere Chancen, etwas zu bewirken, wenn wir in unserem direkten Umfeld damit beginnen, uns einzumischen: Der Prof macht eine Bemerkung darüber, dass Masken Unfug seien? Die Kommilitonin äußert in der Ersti-Chatgruppe Reichsbürger-Gedankengut? Onkel Heinz lässt bei der Feier unseres Abschlusses mal wieder mächtig vom Stapel? – Wunderbar! Das sind die Menschen, die wir am ehesten erreichen.
Fakten allein helfen dabei meist nicht weiter. Das kennt man von sich selbst: Wir alle wissen, dass gesunde Ernährung und Sport total gut sind – aber tun wirs darum? – Eben!
Stattdessen macht es Sinn, die innere Logik der sogenannten Theorien zu hinterfragen. Im Optimalfall stößt dein Gegenüber dann selbst auf Ungereimtheiten.
Übrigens macht es Sinn, das Gespräch im Vieraugenkontakt zu suchen. Denn wer gibt schon gern vor anderen zu, im Unrecht zu sein!?! Das gilt online genau wie offline. Hier ein paar hilfreiche Fragen für die Hosentasche:
Die Logik hinterfragen – wie geht das?
Wer sagt das?
Warum sind hier nur Ausschnitte angegeben?
Aus welchem Grund wird etwas gesagt?
Was ist der Anspruch der Quelle?
Steht diese einer politischen Strömung besonders nahe?
Wie plausibel ist eine solche Annahme?
Artikeltipp: Umgang mit rechten Stammtischparolen
Seit einigen Jahren haben wir in Gesellschaft und Politik einen deutlichen Rechtsruck zu verzeichnen. Fremdenhass und braunes Gedankengut werden wieder hoffähig. Und man sieht sich selbst konfrontiert mit Stammtischparolen, Vorurteilen und Übergriffen. Schweigen und den Falschen die Bühne zu überlassen ist keine Option. Aber was tun? weiter
Eine andere Option ist, das Gespräch weg von der Weltpolitik hin zur persönlichen Ebene zu lenken. Oft liegen die Gründe für eine Hinwendung zu extremen Haltungen im Privaten: Vielleicht hat dein Gegenüber gute Gründe, Zuflucht in einer Fantasiewelt zu suchen. Mangelnde Selbstwirksamkeit7, also das Gefühl, nicht wirklich etwas verändern oder erreichen zu können, kann die Hinwendung zu Verschwörungserzählungen begünstigen. Da kannst du dein Gegenüber abholen. Empathie tut gut. Und dir fällt es vermutlich auch leichter, der Lebensgeschichte zu lauschen als kruden Behauptungen.
Wenn es gelingt, den Menschen in seinem Gefühl von Selbstwirksamkeit zu stärken, kann das die Notwendigkeit für die Realitätsflucht obsolet machen. Eine Kommunikationstechnik, die dir helfen kann, im Gespräch auf die persönliche Schiene zu finden, ist die Gewaltfreie Kommunikation.
Außer Acht lassen sollten wir in diesen Tagen eines nicht: Haben wir gerade im privaten Kreis eher die Möglichkeit, das Gespräch zu suchen und einer zunehmenden Lagerbildung in „Ihr“ und „Wir“ entgegenzuwirken und Brücken zu brauchen, kann im öffentlichen Bereich genau das Gegenteil stimmig sein: Dass wir prüfen sollten, mit wem wir auf eine Demo gehen und von wem wir uns abgrenzen, ist in den letzten Monaten ja zur Genüge erwähnt worden…
Was, wenn alles nichts nützt?
Wenn dein Mitstudi trotz allem immer weiter in den Strudel der Radikalisierung gerät, denk bitte immer daran: Es ist nicht deine Verantwortung, es ist nicht deine Schuld. Du hast deinen Teil getan. Der Rest liegt nicht in deiner Hand. Such gegebenenfalls Hilfe. Sektenberatungsstellen beispielsweise sind für solche Fragen gute Anlaufstellen.
Wo finde ich Unterstützung?
- Beratungsstellen für Religions-, Sekten- und Weltanschauungsfragen
- Bundeszentrale für politische Bildung: Infodienst Radikalisierungsprävention – Anlaufstellen
- Amadeu Antonio Stiftung: Rechtsextremismus & Rechtspopulismus
- Online Beratung gegen Rechtsextremismus
- Hilfe für Angehörige: Beratungsstelle Radikalisierung (BAMF)
Gut möglich, dass es an deiner Hochschule ebenfalls Anlaufstellen gibt.
4. Fazit: Was nun?
Es gibt keine simple Lösung. Aber das ist ein gutes Zeichen. Denn: Simple Lösungen sind das Werkzeug des Populismus‘. Und diese Tendenz zu einfachen Antworten ist gefährlich, wie wir gerade gesehen haben…
Uns bleibt wohl nichts anders übrig, als den wenig ruhmreichen Weg des täglichen Kleinkleins zu gehen. Aber – never forget: Die wahren Held*innen sind die, die gründlich recherchieren, sich und ihre Meinungen hinterfragen und Verantwortung übernehmen. Auch wenn uns keine Cyberarmee dabei applaudiert.
In diesem Sinne: Weitermachen!
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Buchtipps
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Zum Weiterlesen und informieren im Netz
- Fakten für die Demokratie: CORRECTIV.Faktencheck
- Sascha Lobo: Verschwörungstheorien und Radikalisierung im Netz (ZDF)
- Sascha Lobo: Verschwörungstheorien und Radikalisierung im Netz
- Rechte Internet-Blase: So subtil passiert Radikalisierung auf YouTube und Telegram. PULS Reportage (YouTube)
- Fakten prüfen im Netz (zlb.de)
Quellen (alles YouTube-Videos!):
1 Auf den Punkt: QAnon: Nimmt die Bedrohung durch Verschwörungsmythen zu? (YouTube)
2 DoctorRamani (YouTube-Channel)
3 Bindungstheorie – Wie Deine Kindheit Dein Leben beeinflusst (YouTube)
4 Was ist kognitive Dissonanz? Sozialpsychologie mit Prof. Erb. (YouTube)
5 #kurzerklärt: Facebook und Google – Filterblasen gefährden Demokratie (YouTube)
6 Warum bevorzugt YouTube extreme Videoclips? Shift (YouTube)
7 Warum Selbstwirksamkeit so wichtig ist! ☮👑🌈 (YouTube)
Hinweis:
Der Artikel erschien erstmalig im Dezember 2020 – die letzten Ergänzungen und Aktualisierungen wurden am oberhalb des Artikels angegebenen Datum durch die Studis Online-Redaktion vorgenommen.