Memorandum 2009Wie es um die Bildung in Deutschland steht und was getan werden könnte
Inhalt
Analyse
Neoliberale Reformen im konservativen Bildungsstaat
Zunehmende Kommerzialisierung des Bildungssystems und Auswirkungen neoliberaler Reformen
Vorsätzlicher Irrtum Marktsteuerung
Bildungsfinanzierung und die Merkelsche Bildungsrepublik
Bildungsausgaben im "Konjunkturpaket II"
Forderungen
Forderungen zur Bildungsfinanzierung in Deutschland
Investitionen in Bildung
Forderungen an den Aufbau und die Struktur des deutschen Bildungssystems: Eckpunkte einer "Guten Bildung für alle"
Analyse
Neoliberale Reformen im konservativen Bildungsstaat
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Bildungspolitik-Kapitel des Memorandum 2009 - Von der Krise in den Absturz? Stabilisierung, Umbau, Demokratisierung der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Wir danken der AG für die Möglichkeit, diesen Auszug bei Studis Online veröffentlichen zu dürfen. Das Buch ist erschienen bei PapyRossa, ISBN 978-3-89438-409-8. Einige weitere Informationen dazu am Ende dieses Artikels.
In den Jahrzehnten nach 1945 hat die politische Macht der konservativen Parteien und ihrer Klientel eine egalitäre Reform des westdeutschen Bildungssystems verhindert. Der Sozialdemokratie und anderen linken Kräften in der Bundesrepublik gelang es nicht, ihre Interessen in der Bildungspolitik umfassend durchzusetzen. Die deutsche Bildungsstaatlichkeit scheint damit im internationalen Vergleich immer noch fest in einem konservativen Wohlfahrtsstaatsmodell verwurzelt (Esping-Anderson 1990). Man könnte also analog von einer konservativen Bildungsstaatlichkeit in Deutschland sprechen. Diese zeigt sich in verschiedenen Charakteristika des deutschen Systems: Die Bildungsabschlüsse (z.B. "Akademikerin" oder "Arbeiterin") sind in Deutschland von entscheidender Bedeutung.
Hinzu kommt, dass "Lebenschancen" zu großen Teilen über so genanntes institutionalisiertes kulturelles Kapital (Bourdieu 1997) vermittelt werden. Nach Gottschall kann das deutsche Bildungssystem, dessen zentrale Elemente die "Trennung von Bildung und Erziehung", die "Orientierung am männlichen Einernährermodell" oder die "klassische Drei- bzw. Mehrgliedrigkeit des Schulsystems" sind, als "erwerbssystemorientiert, standardisiert und stratifiziert" beschrieben werden (Gottschall 2002, Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2006). In der Konsequenz führt das zu der aus dem internationalen Vergleich bekannten, extrem starken sozialen Selektivität des deutschen Bildungssystems bei quantitativ und qualitativ vergleichsweise geringem durchschnittlichen Output.
Zunehmende Kommerzialisierung des Bildungssystems und Auswirkungen neoliberaler Reformen
Von neoliberaler Seite wurde für den Bildungssektor die Marktsteuerung als ressourceneffizienter dargestellt. Schon seit längerem erfolgt mit den Kernelementen "Bepreisung und Budgetierung", "Privatisierung", "Modularisierung und Zertifizierung" und "Bereitstellung von Marktinformationen" eine zunehmende Kommerzialisierung des Bildungssystems (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2006, S. 124f.). Im Bildungssystem, wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wurde der konservative deutsche Wohlfahrtsstaat durch die Übertragung von Elementen des liberalen Wohlfahrtsstaates um- und abgebaut (z.B. Hartz IV). Dies hatte verheerende Auswirkungen in Bezug auf die Entwicklung der Armut, die im internationalen Vergleich extrem angestiegen ist (OECD 2008).
Vor allem die Kinderarmut, gemessen an der Zahl der auf Sozialhilfe oder auf Sozialgeld angewiesenen Kinder, hat sich nach Angaben des Deutschen Kinderhilfswerks seit Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 bis zum Jahr 2007 auf mehr als 2,5 Millionen Kinder verdoppelt (Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 2007). Diese Kinderarmut sorgt über das Entstehen von Bildungsarmut für sozial vererbte und neue Armut. Das ganze Ausmaß der Folgen dieser massiven Ausweitung von Kinderarmut wird sich erst mit einiger Verzögerung zeigen.
Vorsätzlicher Irrtum Marktsteuerung
Unter Ausblendung soziologischer Erkenntnisse wurden unter der ideologischen Annahme des Menschen als "homo oeconomicus" und in Zeiten von so genannten "knappen Kassen" weitere Strukturen im Bildungssystem umgebaut (z.B. der Hochschulbereich mit Studiengebühren und Exzellenzinitiativen). Die Politik will damit erreichen, dass Bildung als Ware be- und gehandelt werden kann, wobei der Charakter von Bildung als öffentliches Gut verschwindet.
Neoliberale fordern klassischerweise mehr "Autonomie" der Bildungseinrichtungen, mehr Wettbewerb z.B. durch Privatschulen, Bildungsgutscheine und -gebühren etc. Vorgegebenes Ziel ist es, im "Standortwettbewerb" nicht gegenüber anderen "Wirtschaftsstandorten" zurückzufallen. Des Öfteren wird versucht, diese Ideologie der Marktsteuerung im Bildungsbereich mit quantitativen Studien zu belegen. Die methodischen Mängel dieser Arbeiten wurden jedoch (zuletzt durch Schümer und Weiß) sehr einleuchtend dargestellt. So lässt sich z.B. "für die Mehrzahl der OECD-Länder – so auch für Deutschland – [...] bei angemessener Kontrolle des sozioökonomischen Hintergrunds der Schüler und der Schulen kein Leistungsvorsprung von Schülern privater Einrichtungen nachweisen" (Schümer/Weiß 2008, S. 46).
Erreichtes reales Ziel dieser neoliberalen Politik ist jedoch eine weitere Verschärfung der in der konservativen Bildungsstaatlichkeit angelegten sozialen Selektivität. Dies drückt sich z.B. darin aus, dass sich die Hochschulzugangsquote im Vergleich zur Abiturientenquote schlechter entwickelt und die soziale Selektivität beim Hochschulzugang steigt (siehe z.B. Lehmann 2008). Nach der offiziellen Prognose der Kultusministerkonferenz haben sich trotz eines rasanten Anstiegs der Schülerinnen und Schüler, die die Schule mit Abitur oder Fachhochschulreife verlassen, in den letzten fünf Jahren bis zu 230.000 junge Menschen weniger als erwartet für ein Studium eingeschrieben (Erziehung und Wissenschaft, 1/2009, S. 4).
Bildungsfinanzierung und die Merkelsche Bildungsrepublik
"Bildungspolitik ist der beste Sozialstaat" (FAZ.NET 2008), so argumentierte Bundeskanzlerin Merkel am 17.10.2008 im Deutschen Bundestag. In Grundzügen stellte sie dort zum ersten Mal die Agenda der "Bildungsrepublik Deutschland" vor. Ziel dieser "Bildungsrepublik Deutschland" sei es, so Merkel, Aufstiegschancen durch Bildung zu ermöglichen, damit Eigenverantwortung eingefordert und wahrgenommen werden kann. Hier sollen konzeptuell bildungsstaatliche Leistungen gegen sozialstaatliche Leistungen positioniert werden, um einen weiteren Abbau der sozialstaatlichen Leistungen zu begründen (siehe Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2007, S. 211- 214).
Dieses Ziel der Förderung der Aufstiegschancen sollte auf einem "Bildungsgipfel" mit allen Ministerpräsidenten der Länder beschlossen werden. Die Länder sollten sich auf diesem Gipfel dazu verpflichten, gemeinsam mit dem Bund den Anteil der gesamten (öffentlichen und privaten) Bildungsausgaben von 6,2 Prozent Anteil am BIP im Jahr 2006 auf sieben Prozent im Jahr 2015 zu erhöhen – was einer Steigerung der gesamten Ausgaben um gerade einmal 15 Milliarden Euro entspricht. Das wäre in etwa die Wiederherstellung der Bildungsfinanzierungsstandes von 1995 (6,9 Prozent) und keineswegs eine neue Bildungsoffensive (vgl. Bildungsfinanzbericht 2008, S. 78).
Auch im so genannten "internationalen Vergleich" steht Deutschland nach wie vor schlecht da. Dieser erfolgt anhand anderer Berechnungsgrundlagen als die Erhebung des Statistischen Bundesamtes. Danach betrug der Anteil allein der öffentlichen Bildungsausgaben am BIP 2005 in Deutschland 4,5 Prozent und damit deutlich weniger als im OECD-Durchschnitt (5,4 Prozent). Um den OECD-Mittelwert zu erreichen, müsste Deutschland jährlich rund 22 Milliarden Euro mehr an öffentlichen Mitteln bereitstellen. Bis zu 63 Milliarden Euro wären erforderlich, um mit den Spitzenreitern Norwegen und Schweden (sieben Prozent) gleichzuziehen – und zwar ebenfalls jährlich!
Die Ministerpräsidenten ließen sich aber nicht einmal darauf festlegen, die aus dem Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler freiwerdenden Mittel im Bildungsbereich zu belassen. Bisher wurde durch den "Bildungsgipfel" nur eine Arbeitsgruppe gebildet, die bessere Möglichkeiten für Investitionen in die Bildung prüfen soll. Ein weiteres Mal zeigt sich der Bildungsföderalismus als ein großer Hemmschuh für eine positive Entwicklung der Bildungsausgaben.
Bildungsausgaben im "Konjunkturpaket II"
Auch das zur Bewältigung der Wirtschaftskrise verabschiedete Konjunkturpaket II über 50 Milliarden Euro trägt die Handschrift einer neoliberalen Umverteilungspolitik. Entgegen dem Konzept der "Bildungsrepublik Deutschland" als eine der behaupteten Grundlagen für eine nachhaltige Überwindung ökonomischer Krisen am Wirtschaftsstandort Deutschland beinhaltet das Konjunkturpaket gerade einmal 6,5 Milliarden Euro für "Bildung". Das Geld darf aber nicht in Lehrerstellen, pädagogisches Personal oder Lehrmaterialien gesteckt werden, sondern steht ausschließlich für die einmalige Investition in die Sanierung öffentlicher Bildungseinrichtungen zur Verfügung. Damit bleibt die Summe weit hinter den angekündigten 15 Milliarden Euro zurück. Der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf im Bildungssystem wird dabei nicht einmal annähernd berücksichtigt.
Forderungen zur Bildungsfinanzierung in Deutschland
Die Merkelsche "Bildungsrepublik" erweist sich bei genauerer Betrachtung als Werbekampagne. Es bleibt zu befürchten, dass diese Initiative ohne nachhaltigen Finanzierungs- oder Investitionseffekt für das Bildungssystem in Deutschland verpufft. Der Bildungsföderalismus in Deutschland erweist sich hier ein weiteres Mal als Hemmschuh für eine nachhaltige Investitionspolitik im unterfinanzierten Bildungsbereich. Des Weiteren werden sich die Schuldenbremse und Elemente eines Wettbewerbsföderalismus zwischen den Bundesländern negativ auf die Bildungsfinanzierung auswirken. In der Bundesrepublik muss jedoch die lang anhaltende Tradition der zurückgehenden Bildungsausgaben dringend gestoppt werden. Dies muss durch die Erhöhung der öffentlichen Bildungsgausgaben geschehen, denn die privaten Bildungsausgaben sind im internationalen Vergleich schon auf einem hohen Niveau (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2008, S. 236). Bildung sollte auf allen Stufen des Systems kostenfrei sein. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik lehnt Gebühren im Bildungssystem ab und fordert beispielsweise die Abschaffung aller Studiengebühren in Deutschland.
Dies erscheint nicht nur aufgrund einer sozial gerechteren Gesellschaft geboten. Unbedingt muss auch internationalen Abkommen wie GATS (General Agreements on Trades and Services) und der EU-Dienstleistungsrichtlinie entgegengewirkt werden. Diese Abkommen versuchen einzelne Staaten wie z.B. die Bundesrepublik Deutschland dazu zu verpflichten, dass alle Dienstleistungen, die ein Träger gegen Gebühren oder sonstige Leistungen (z.B. in Form so genannter "Bildungsgutscheine") erbringt, in einem freien Markt mit gleichen Wettbewerbsbedingungen erbracht werden müssen.
Das bedeutet, dass es dem Staat nicht mehr erlaubt sein wird, staatliche oder gemeinnützige (Bildungs-) Einrichtungen besonders zu fördern. Im Moment besteht die Forderung einiger einflussreicher Ökonominnen und Ökonomen, selbst aus kirchlichen Kreisen, darin, großen Trägern der sozialen Daseinsfürsorge wie z.B. der Caritas ihre Gemeinnützigkeit abzuerkennen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten (Klute 2009). Im Fall der Caritas wären dadurch z.B. auch die Kinderbetreuung und Kindergärten betroffen. Der Fall der australischen Kindergartenkette ABC-Learning zeigt aber, dass eine krisenresistente vorschulische Bildung in rein privatwirtschaftlichen Händen falsch aufgehoben ist. Alle Gebühren, die in sozialen Bereichen der Daseinsvorsorge erhoben werden, könnten bei entsprechender Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie oder anderer internationaler Abkommen zu einer weiteren extremen Marktsteuerung im Bereich der Hochschulen (Studiengebühren), aber auch der vorschulischen Bildung führen (Kindergartengebühren).
Darüber hinaus fordert die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik für ein zukunftsfähiges deutsches Bildungssystem Investitionen im Umfang von 30 Milliarden Euro. Die genaue Aufteilung der Milliardenbeträge auf die verschiedenen Stufen und Elemente des Bildungssystems sind im Kasten weiter unten aufgeführt (im Original in Kapitel 3; Anmerkung von Studis Online).
Außerdem hat die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik schon 2008 vorgeschlagen, nach den Vorgaben des Wissenschaftsrates die Bundesländer darauf zu verpflichten, bestimmte Quoten in der Ausbildung von Bildungsabschlüssen zu erreichen. Im Moment besteht ein Trittbrettfahrerproblem, bei dem reichere Bundesländer zu wenig in die Ausbildung von Akademikerinnen und Akademikern investieren, diese dann aber aus Ländern abwerben, die mehr in ihr Bildungssystem investieren. So investierte das Land Baden-Württemberg beispielsweise 375.000 Euro in eine Werbekampagne zur Abwerbung von Lehrerinnen und Lehrern aus anderen Bundesländern. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert Ausgleichzahlungen von den Bundesländern, die ihre Abschlussquoten verfehlen, an die Bundesländer, die versuchen, im Bildungsbereich möglichst viele Menschen möglichst hoch zu qualifizieren. Weiterhin fordert die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik auch im Lehrstellenbereich eine Ausbildungsplatzumlage zwischen den Betrieben.
Investitionen in Bildung
Die Defizite, die es im Bildungsbereich gibt, sind gut dokumentiert. Die diversen PISA-Studien werfen Schlaglichter auf die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems. Die Daten der OECD zeigen die Unterfinanzierung des deutschen Bildungssystems im internationalen Vergleich. Gleichzeitig betonen alle politischen Kräfte immer wieder die große Bedeutung eines leistungsfähigen Bildungssystems für die Zukunftsfähigkeit des Standorts. Sogar Chancengleichheit soll mit mehr Bildung erreicht werden. Konkret passiert allerdings wenig. Zuletzt ist der Bildungsgipfel der Bundesregierung im Herbst 2008 mit vielen prinzipiellen Aussagen zur Bedeutung der Bildung und keinen konkreten Verabredungen zur Verbesserung der Situation zu Ende gegangen.
Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert eine Erhöhung der Bildungsausgaben von 30 Milliarden Euro jährlich. Die Ausgaben betreffen vor allem zusätzliche Personalausgaben. Sie verteilen sich wie folgt:
Kindertagesstätten: 12 Milliarden Euro
Damit soll eine Ausweitung der frühkindlichen Betreuung für unter Dreijährige, eine Ausweitung der Ganztagesbetreuung für Drei- bis Sechsjährige, eine Verbesserung des Personalschlüssels und eine bessere Qualifizierung des Personals (mehr Beschäftigte mit Hochschulabschluss) erreicht werden. Außerdem dient das Geld für bauliche Erweiterungsmaßnahmen für mehr Plätze in Kindertagesstätten.
Allgemeinbildende Schulen: 4 Milliarden Euro
Darin enthalten sind vor allem die Ausweitung von Ganztagsschulplätzen, außerdem eine intensivierte Weiterbildung der Beschäftigten und die öffentliche Finanzierung von Unterrichtshilfen und Materialien (Lernmittelfreiheit). Nicht quantifiziert sind Veränderungen der Schulstruktur wie beispielsweise die vermehrte Einführung von Integrierten Gesamtschulen.
Berufsausbildung: 0,5 Milliarden Euro
Finanziert werden soll die Ausweitung vollzeitschulischer Ausbildungsplätze. Zur Finanzierung bietet sich hier die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe an.
Hochschulen: 6 Milliarden Euro
Die Beseitigung der Unterfinanzierung und der Ausbau der Hochschulen für eine höhere Studierendenquote sind in der Berechnung berücksichtigt. Dazu gehören die Aufstockung des Personals und bauliche Maßnahmen. Außerdem werden die BAföG-Leistungen verbessert. Studiengebühren zur Finanzierung lehnt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik strikt ab.
Weiterbildung: 7,5 Milliarden Euro
Schwerpunkt ist die Ausweitung der Weiterbildung für Arbeitslose. Damit gehört dieser Posten zu einem erheblichen Teil zu den Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik.
Die notwendigen finanziellen Mehrbedarfe orientieren sich an der Berechnung von Jaich (2008). Die insgesamt etwas geringeren Ausgaben ergeben sich aus einer anderen Einschätzung, wie schnell das Personal entsprechend aufgestockt werden kann. Es ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass der gesamte zusätzliche Personalbedarf sofort rekrutiert werden kann. Deshalb setzt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik die Personalausgaben etwas niedriger an. Jaich geht von einem Bedarf von 37 Milliarden Euro jährlich einschließlich baulicher Erweiterungsmaßnahmen aus, die aber nur für einen begrenzten Zeitraum anfallen. In den hier vorliegenden Berechnungen werden sukzessive Mittel für den Ausbau durch Personalmittel ersetzt bzw. werden Gelder aus Bereichen ohne Baumaßnahmen aufgestockt. Nach Abschluss des Ausbaustadiums ist der Mittelaufwand identisch.
Forderungen an den Aufbau und die Struktur des deutschen Bildungssystems: Eckpunkte einer "Guten Bildung für alle"
Grundsätzlich muss die konservative Bildungsstaatlichkeit überwunden werden. Das deutsche Bildungssystem sollte in Richtung der Bildungssysteme des skandinavischen Wohlfahrtstaates weiterentwickelt werden. Stattdessen wird die konservative Bildungsstaatlichkeit durch die Integration von Elementen aus den stärker marktgesteuerten liberalen Wohlfahrtsstaaten überbaut. Dies führt zu einer weiteren Verschärfung der ungemein stark ausgeprägten sozialen Selektivität des deutschen Bildungssystems, z.B. durch die Exzellenzinitiative und die Einführung von Studiengebühren oder durch die Versuche, auch im schulischen Bereich über öffentliche Evaluationssituationen, Benchmarking-Verfahren und die Kooperation mit wirtschaftsnahen Stiftungen einen Wettbewerb zwischen allgemeinbildenden Schulen zu etablieren.
Das Memorandum 2009 und die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
Das Buchcover
Das MEMORANDUM 2009 handelt von einer dramatischen Situation: Der hausgemachte konjunkturelle Abschwung wird durch die Finanzmarktkrise noch verschärft. Was sind die Ursachen der beiden Krisen und wie wirken sie zusammen? Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik weist nach, wie sträflich die Bundesregierung die Lage unterschätzt hat und wie unzulänglich ihre bisherigen Maßnahmen sind. Sie zeigt, was stattdessen getan werden muss, um einen tiefen Absturz der deutschen Wirtschaft zu verhindern: Erforderlich ist hierfür ein über die bisherigen Vorhaben erheblich hinausgehendes massives Konjunkturprogramm.
Nur mit einer expansiven Wirtschaftspolitik und durch eine stark wachsende Binnennachfrage, die sich aus höheren Löhnen und Masseneinkommen speisen muss, können die Krise und ihre Folgen in Form von Arbeitslosigkeit, Armut und prekärer Beschäftigung effektiv bekämpft werden. Eine solche Wirtschaftspolitik muss gestützt werden durch eine sozial gerechte Steuerreform zur Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen, die durch höhere Besteuerung am oberen Ende und der massiv gestiegenen Unternehmensgewinne gegenfinanziert wird. Dem muss ein entschiedenes Gegensteuern auch auf EU-Ebene entsprechen.
Weitere Themen: soziale Dienste in öffentlicher Verantwortung, solidarische Alterssicherung, ökonomische Bildung und die Lage in Ostdeutschland.