Memorandum 2008Bildungspolitik: Zersplittert und unterfinanziert
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Bildungspolitik-Kapitel des Memorandum 2008 - Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht. Alternativen zur Bedienung der Oberschicht der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.
Wir danken der AG für die Möglichkeit, diesen Auszug bei Studis Online veröffentlichen zu dürfen.
Das Buch ist erschienen bei PapyRossa, ISBN 978-3-89438-389-3. Einige weitere Informationen dazu am Ende dieses Artikels.
Als Grundlage einer „Guten Bildung für Alle“ wurde im Memorandum 2006 folgender Bildungsbegriff beschrieben: „Unserem Verständnis nach ist Bildung eine vollständige individuelle Entfaltung der Menschen, infolge deren die Individuen befähigt werden, gesellschaftlichen und kulturellen Reichtum produzieren und sich aneignen zu können“ (S. 106). Dieses grundsätzliche Verständnis von Bildung reflektiert die relationale Beziehung von Mensch und Gesellschaft in seinen verschiedenen Dimensionen (Demokratie, Ökonomie, persönliche Entwicklung) und ist auch Grundlage der folgenden Ausführungen. Ein wichtiger Teilaspekt ist hierbei die politische Bildung, die aber nicht als Erziehungsprogramm für größere Akzeptanz bei der Umsetzung neoliberaler Reformpolitik verstanden werden darf ... [sondern muss] ... die „Kontroversität“ der politischen Bildung beinhalten. Denn Wirtschaftsliberalismus prägt immer stärker das kulturelle Kapital (Bourdieu), das sich in all seinen Erscheinungsformen (verinnerlicht im Habitus, vergegenständlicht z.B. in Schulbüchern oder institutionalisiert z.B. durch Manager, die zu Hochschulräten ernannt oder Preise verliehen bekommen) zunehmend gegen Kritik immunisiert (Kröll 2007) und sich zur herrschenden Meinung ... verfestigt. Bildung muss dagegen Empathiefähigkeit, Solidarität, demokratische Grundeinstellungen und politische Urteilsfähigkeit fördern, nicht zuletzt als Mittel gegen eine zunehmende bzw. auf hohem Niveau stagnierende „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (Heitmeyer), die durch die wirtschaftsliberal-ökonomistische Kolonialisierung des Denkens und Handelns maßgeblich beeinflusst wird. Wir brauchen Bildung sowohl zur Sicherung der ökonomischen Grundlagen als auch als Grundlage für demokratisches und soziales Engagement.
Grundlagen einer „Guten Bildung für alle“
In den Memoranden 2006 und 2007 wurden falsche Erwartungen hinsichtlich der Rolle von Bildung bei der Armutsbekämpfung thematisiert: „Bildungspolitik ist für höheres Wachstum relevant, reicht aber alleine nicht aus. Sie kann nur im Zusammenhang mit Verteilungspolitik und makroökonomischer Steuerung die Potenziale einer höheren Produktivität für tatsächliches Wachstum nutzen.“ (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2006, S. 109f.) Im letzten Memorandum wurde dann festgehalten, „dass der Ruf nach 'mehr Bildung statt Sozialstaat' (…) der falsche Ansatz zur Verringerung von Armut und zur Verkleinerung so genannter 'Unterschichten' darstellt“ (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2007, S. 220). Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik plädiert dagegen für eine Kombination aus bildungs-, wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut. „Es bleibt der Verdacht, dass es sich bei den Konzepten eines 'aktivierenden Sozialstaats' mit seiner Fixierung auf bildungspolitische Maßnahmen um Legitimationsstrategien für die 'politischen Handlungszwänge nationalstaatlicher Eliten' handelt (...), die wiederum eine Folge der Akzeptanz des neoliberalen Paradigmas durch eben diese Eliten sind.“ (ebd., S.220) Die Zuweisung der alleinigen Verantwortung für die soziale Laufbahn an die Einzelne bzw. den Einzelnen unter dem Label der „Wissensgesellschaft“ muss kritisiert werden. Die besonderen Schwachstellen des deutschen Bildungssystems sind daher in zwei Hauptproblembereiche strukturierbar:
Erstens ist die zumeist schon im deutschen Kaiserreich entstandene „erwerbssystemorientierte Standardisierung und Stratifizierung des deutschen Bildungssystems“ (Gottschall 2002, S. 6) zu nennen, die man mit den Schlagworten „ständisch und erziehungsfern“ (Gottschall 2002, S. 2) charakterisieren könnte. Dieser Problembereich verursacht z.B. die extrem starke soziale Selektivität des deutschen Systems. Hierzu gehören die Problemfelder der „Trennung von Bildung und Erziehung im deutschen Bildungssystem“, „die Dreigliedrigkeit des deutschen Schulsystems“, „die Organisation von Schule als Halbtagsschule“ oder die „Finanzverteilung“ im ohnehin schon unterfinanzierten deutschen Bildungssystem (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2006, S.118f.).
Zweitens ist die zunehmende Kommerzialisierung des Bildungssystems mit seinen Kernelementen „Modularisierung und Zertifizierung“, „Bepreisung und Budgetierung“, „Bereitstellung von Marktinformationen“ und die „Privatisierung“ von Bildungseinrichtungen zu nennen (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2006, S. 125).
Aufbauend auf diesen Grundlagen hat die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik Forderungen entwickelt, die mit „Gute Bildung für Alle“ überschrieben worden sind. Die Kernforderungen lassen sich auf einen sehr kurzen Nenner bringen:
Die Durchlässigkeit und Zugänglichkeit des Bildungssystems in allen biografischen Phasen unabhängig von finanziellen, sozialen, alters-, herkunfts- oder geschlechtsspezifischen Ausschlussgründen ist zu erhöhen.
Bildungsreformen müssen sich vor allem auf die Übergänge konzentrieren, an denen solche Ausschlussgründe besonders stark wirken, also beispielsweise beim Zugang zur vorschulischen Bildung sowie der frühen Aufteilung auf die verschiedenen Schularten nach der Grundschule – diese Aufteilung ist abzuschaffen.
Wir fordern eine soziale Öffnung für wissenschaftliche Aneignungsmöglichkeiten (wie z.B. die Öffnung der Hochschule über den traditionellen Königsweg der gymnasialen Oberstufe hinaus und die Niveauanhebung beruflicher Bildung). Selbstständige wissenschaftliche Urteilsfähigkeit verstehen wir als soziale Schlüsselkompetenz und integrierenden Leitgedanken für eine „Gute Bildung für Alle“. Dabei ist darauf zu achten, dass die Lehr- und Lernformen für Personen aus bildungsfernen Schichten nicht ausschließend wirken.
Bildung muss gebührenfrei und steuerfinanziert sein.
Deutschland braucht eine sachgerechte Bildungsfinanzierung
Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hat deutlich gemacht, welche Reformen notwendig sind, um „Gute Bildung für Alle“ sicherzustellen. Die Reformen, die dieses Konzept beinhalten, würden auch das „Recht auf Bildung“ verwirklichen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich hier in internationalen Abkommen verpflichtet, dieses „Recht auf Bildung“ umzusetzen (z.B. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 1975, UN-Kinderrechtskonvention 1992). Neben strukturellen Reformen, die insbesondere die Erhöhung der Durchlässigkeit des Bildungssystems befördern müssen, ist vor allem auch eine ausreichende öffentliche Bildungsfinanzierung notwendig. [...]
Die öffentlichen Bildungsausgaben in Deutschland sind auch im internationalen Vergleich gering. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt betrugen sie in Deutschland 2004 nur 4,6 Prozent (OECD 2007, Tab. B4.1). Der OECD-Durchschnitt liegt demgegenüber bei 5,4 Prozent. Deutschland liegt bei den öffentlichen Bildungsausgaben auf Platz 21 der 28 untersuchten Staaten. Spitzenreiter Dänemark gibt 8,4 Prozent des BIP für Bildung aus, gefolgt von Island (7,6 Prozent), Norwegen (7,6 Prozent) und Schweden (7,4 Prozent).
Mit Blick auf die Bildungsausgaben lassen sich also drei Punkte festhalten: Erstens ist das deutsche Bildungssystem unterfinanziert. Zweitens sind die öffentlichen Bildungsausgaben in Deutschland rückläufig. Drittens schließlich sind die öffentlichen Bildungsausgaben in Deutschland im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich, die privaten hingegen überdurchschnittlich hoch. Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die öffentlichen Bildungsausgaben in Deutschland müssen deutlich erhöht werden. Diese Erkenntnis ist keineswegs neu – es stellt sich allerdings die Frage, wieso diese Erhöhung nicht geschieht. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Ein Grund ist sicherlich die so genannte Programmkonkurrenz, d.h. die Tatsache, dass die Entscheidungsträger in der Politik entscheiden müssen, wofür sie Geld ausgeben. Aufgrund der zeitversetzten Wirkung der Bildungsausgaben geraten diese dabei oftmals zu kurz. Ein entscheidender Grund ist ferner die ideologische Festlegung der Regierungsparteien – sowohl bei rot-grün als auch bei der Großen Koalition – auf einen „schlanken Staat“. Fehlende Steuereinnahmen in Folge von Steuersenkungen verringern den Spielraum für Bildungsausgaben. Ein weiterer Grund könnte in den föderalen Finanzierungsstrukturen bestehen. Diesem Punkt soll angesichts der anstehenden Föderalismusreform II genauer nachgegangen werden.
Die Grenzen des Wettbewerbsföderalismus – Trittbrettfahren bei der Bildungsfinanzierung
Bildung zeitigt positive externe Effekte, d.h. der Nutzen der Bildung lässt sich nicht nur dem Individuum zuschreiben, das selbst ausgebildet wurde. Vielmehr profitieren auch andere Menschen von einem insgesamt höheren Bildungsniveau. Ferner sind die Menschen als Träger der Bildung mobil, d.h. die erworbene Bildung wird nicht zwangsläufig in dem Bundesland eingesetzt, das die Ausbildung finanziert hat. Mit anderen Worten: Es kann rational sein, wenn bei einer dezentralen Bildungsfinanzierung Länder versuchen, ihre Bildungskosten auf andere Länder zu überwälzen. Auch wenn dies nicht zwangsläufig handlungsleitend für die Bundesländer war und ist – ideologische Komponenten wie das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem („es kann ja nicht jeder Abi machen“) spielen eine entscheidende Rolle –, ermöglicht diese Kostenabwälzung jedoch eine Unterfinanzierungspolitik, ohne direkt ökonomische Konsequenzen in größerem Ausmaß befürchten zu müssen. Ein solches Problem kann jedoch nur über verbindliche Regelungen gelöst werden, bspw. durch eine zentralstaatliche Regelungsinstanz. Die Föderalismusreform I hat die sowieso schon stark dezentralisierte Bildungsfinanzierung noch weiter in die Hände der Länder gelegt – sie ist nun fast ausschließlich deren Sache. Trotz einiger Ausnahmen kann diese Aufgabenteilung als deutscher Sonderweg bezeichnet werden, da in anderen föderalen Staaten zumindest die Bildungsausgaben nach der Pflichtschulzeit oder im Hochschulbereich auch durch die zentrale Ebene getragen werden oder verpflichtende Ausgleichssysteme wie in der Schweiz vorhanden sind (vgl. Schneider 2005). Die Grundüberlegung ist hierbei relativ einfach: Während der Pflichtschulzeit tragen die einzelnen Länder die Kosten für ihre Schülerinnen und Schüler. Hierbei gibt es kaum Verzerrungen, da die Kinder in diesem Alter alle zur Schule gehen müssen. Nach der Pflichtschulzeit ist dies jedoch nicht mehr der Fall, und die Bundesländer mit einem höheren Anteil an Schülerinnen und Schüler in der gymnasialen Oberstufe haben höhere Kosten zu tragen. Dies setzt sich bei den Hochschulen fort. Da jedoch die Schülerinnen und Schüler nicht zwangsläufig im entsprechenden Bundesland arbeiten (und Steuern und Sozialabgaben bezahlen) und damit der monetäre und nicht-monetäre Nutzen der Ausbildung nicht unbedingt im entsprechenden Bundesland verbleibt, können die Kosten und der Nutzen der Ausbildung auseinander fallen. Es gibt demnach einen Anreiz und die Möglichkeit für die Länder, ihre Bildungskosten auf andere Länder abzuwälzen.
Hierbei lassen sich zwei Arten von Bundesländern unterscheiden: Erstens Länder, die ökonomisch stark sind und sich dadurch Akademikerinnen und Akademiker nach dem Studium „einkaufen“ können. Die zweite Gruppe umfasst Länder, die ökonomisch schwächer sind. Diese stehen dann vor der Frage, ob sie bereit sind, Geld in die Ausbildung ihrer Jugendlichen zu investieren, wenn die Gefahr besteht, dass diese später abwandern, etwa auf Grund ökonomischer Zwänge. Die Lösung kann nur in verbindlichen Absprachen bestehen. Diese scheitern in Deutschland jedoch an der Ideologie des Wettbewerbsföderalismus – oft begleitet durch so genannte Länderrankings –, obwohl es notwendig wäre, die Finanzierungsstrukturen so umzustellen, dass Bildung für alle möglich wird. Gerade auch in der Debatte um ein bundesweites Verbot von Studiengebühren – das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich dieses Verbot aus kompetenzrechtlichen Gründen aufgehoben – wurde deutlich, dass der Wettbewerbsföderalismus bei der Bildung schnell an seine Grenzen stößt. Die Auswirkungen der Studiengebühren sind deutlich: Wanderungsbewegungen in Richtung der gebührenfreien Länder verschieben auch Ausbildungskosten. Die Debatte um Bildungsfinanzierung im Föderalismus hat jedoch eine weitere Komponente: Bildungspolitik ist gerade in nachholenden Regionen auch Strukturpolitik. Insbesondere der Osten Deutschlands ist darauf angewiesen, ein breites Angebot an (tertiärer) Bildung bereit zu stellen, auch, um die Abwanderung junger Menschen – insbesondere junger Frauen – aus dem Osten zu stoppen (vgl. Dohmen/Himpele 2007). Hierbei stößt man jedoch in den neuen Bundesländern einerseits auf das Problem, dass die Situation der öffentlichen Kassen auch auf Grund falscher bundespolitischer Weichenstellungen besonders schlecht ist. Andererseits leiden gerade die ostdeutschen Länder unter dem Abwandern gut qualifizierter Menschen, da die Arbeitsmarktsituation im Westen schlicht besser ist. Einzelne Bundesländer nutzen die Situation jedoch aus, indem sie ihre Ausbildungskosten faktisch auf den Osten abschieben, ohne selbst hinreichend viele junge Menschen auszubilden. Auch aufgrund dieser strukturpolitischen Überlegungen ist es notwendig, den Wettbewerbsföderalismus zu beenden. An Stelle von Exzellenzinitiativen sind Kooperationen zur Erhöhung der Bildungsbeteiligung in allen Ländern von Nöten.
Forderungen an die Föderalismusreform II: Finanzierungsstrukturen für eine Ausweitung der Bildungsbeteiligung
Eine zentrale Forderung einer Neuausrichtung der Bildungsfinanzierung ist, verbindliche Ausgleichsmechanismen zwischen den Ländern zu schaffen. Die einzelnen Länder müssen verpflichtet werden, einen bestimmten Mindestanteil ihrer Jugendlichen zu bestimmten Bildungsabschlüssen zu führen. Beginnen könnte man mit den Zielgrößen, die der Wissenschaftsrat (2006, S. 5f.) benennt: „Ziel muss es sein, 35 Prozent eines Altersjahrgangs zu einem Studienabschluss zu führen. Dementsprechend sollten deutlich über 40 Prozent ein Studium aufnehmen und mindestens 50 Prozent die Hochschulzugangsberechtigung erlangen.“ Bei Nichterreichung wären analog zur Idee der Ausbildungsplatzumlage Strafen zu bezahlen. Wie die Länder dieses Ziel erreichen, kann ihnen im Rahmen des Föderalismus überlassen bleiben. Zumindest ließe sich so sicherstellen, dass Länder über eine höhere Durchlässigkeit des Bildungssystems nachdenken müssen – was etwa Gesamtschulen befördern könnte. Studiengebühren wären jedenfalls schwerer aufrecht zu erhalten, da sie abschreckend wirken (vgl. Achelpöhler et al. 2007) und so bei der Erfüllung der Quote hinderlich sind. Eine solche Quote kann sicherstellen, dass das Recht auf Bildung in jedem Bundesland gewährleistet wird. Zweitens muss der Bund die Durchlässigkeit des Bildungssystems unterstützen. Konkret sollte er in Regionen mit einem hohen Anteil bildungsferner Schichten verpflichtet werden, Kindergartenplätze mitzufinanzieren, um so eine Förderung dieser Kinder (bspw. über eine bessere Betreuungsrelation) zu ermöglichen. Gleiches gilt für die Schulen. Im Hochschulbereich muss der Bund die Finanzierung des BAföG alleine übernehmen, da es nicht sein kann, dass Länder finanziell bestraft werden, die einen hohen Anteil an BAföG-Empfänger/innen an ihren Hochschulen haben. Die Öffnung des Bildungssystems ist auch finanziell zu belohnen – und nicht zu bestrafen. Die Aufgabe der Öffnung des Bildungssystems ist jedoch eine, die Bund und Länder gemeinsam lösen müssen.
Um eine ausreichende Finanzierung sicherzustellen, ist es ferner überlegenswert, einen Zielwert – bspw. für Bildungsausgaben als Ausgaben je Million Schülerinnen und Schüler bzw. Studierende in Relation zum BIP – festzulegen. Im Zuge der Föderalismusreform II müssen daher Regelungen in der Finanzverfassung geändert werden, um gute Bildung für alle gemeinsam durch Bund und Länder zu finanzieren. In der konkreten Umsetzung bedeutet dies eine Änderung der Finanzverfassung mindestens an folgenden Stellen:
Das Kooperationsverbot nach Art 104b GG ist aufzuheben. Stattdessen soll festgelegt werden, dass der Bund für bestimmte Aufgaben wie Kita-Ausbau, Gemeinschafts- und Ganztagsschulen usw. den Ländern zweckgebundene Mittel zur Verfügung stellen kann. Bei Hochschulen muss der Bund die Möglichkeit erhalten, auch mit einzelnen Ländern regionalpolitische Maßnahmen im Hochschulbau durchzuführen.
Die Beteiligung des Bundes an Ausgaben für Schulen und Kitas im Sinne von Art 91b könnte als neue Gemeinschaftsaufgabe eingeführt werden.
Insgesamt muss die Bildungsfinanzierung auf eine neue Grundlage gestellt werden – wobei die öffentlichen Ausgaben für das Bildungssystem deutlich steigen müssen. Dass dies ökonomisch möglich ist, zeigen die Beispiele der skandinavischen Länder, deren öffentliche Bildungsausgaben bis zu 80 Prozent höher als die deutschen sind!
Das MEMORANDUM 2008 und die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
Das MEMORANDUM 2008 nimmt die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Großen Koalition unter die Lupe und kritisiert die nicht zu rechtfertigende Aufschwungsbegeisterung. Es zeigt, dass der Aufschwung nur verstetigt werden kann, wenn die Binnennachfrage deutlich anzieht – das aber setzt ein wirtschaftspolitisches Umsteuern voraus. Im Mittelpunkt der Ausgabe 2008 stehen daher die Auseinandersetzungen um die Verteilungspolitik, die Regulierung der Finanzkrise(n) sowie die Frage, wie über eine nachhaltige Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitpolitik die Beschäftigung gesichert und ausgeweitet werden kann. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit der Situation in Ostdeutschland sowie mit der Bildungs-, Gesundheits- und Energiepolitik.
Der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik gehören Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Universitäten, Fachhochschulen, Forschungseinrichtungen und Gewerkschaften an. Ihr jährliches MEMORANDUM ist ein Gegenentwurf zu den von den jeweiligen Bundesregierungen bemühten Jahresgutachten der „Fünf Weisen“. Wer sich in der aktuellen Diskussion um die Wirtschafts- und Sozialpolitik ein eigenes Bild machen möchte, sollte das Memorandum nicht übergehen.
Literatur zu diesem Artikel
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (2006): Memorandum 2006. Mehr Beschäftigung braucht eine andere Verteilung, Köln.
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (2007): Memorandum 2007. Mehr und bessere Beschäftigung, ökologischer Umbau und soziale Gerechtigkeit – Demokratische Wirtschaftspolitik statt Aufschwungtaumel, Köln.
Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK, 2006a): Heft 137 – II. BLK-Bildungsfinanzbericht 2004/2005. Bericht. Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung, Bonn.
Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK, 2006b): BLK-Bildungsfinanzbericht 2004/2005. Tabellenteil A, Übersichten in der Abgrenzung der Oberfunktionen, Bonn.
Dohmen, Dieter/Himpele, Klemens (2007): Struktur- und Exzellenzbildung durch Hochschulen in den Neuen Bundesländern, Berlin.
Gottschall, Karin (2002): Von Picht zu PISA – Zur Dynamik von Bildungsstaatlichkeit, Individualisierung und Vermarktlichung in der Bundesrepublik. Beitrag für den Kongressband des 31. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, 7.-11. Oktober 2002 in Leipzig. Vortrag im Plenum 13: Wissen, Bildung, Unterhaltung in Entstaatlichungsprozessen.
Kröll, Tobias: Kapitalismus als kulturelles Kapital. Mai 2007. Im Internet: http://www.praxisphilosophie.de/kroell_bourdieu.pdf.
Kultusministerkonferenz (KMK, 2005): Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz. Dokumentation Nr. 176 – Oktober 2005. Prognose der Studienanfänger, Studierenden und Hochschulabsolventen bis 2020, Bonn.
Organisation for Economic Co-operation and Development – OECD (2007): Education at a Glance, Paris.
Schneider, Hans-Peter (2005): Struktur und Organisation des Bildungswesens in Bundesstaaten. Ein internationaler Vergleich. Herausgegeben vom Forum Föderalismus 2005 der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Bertelsmann-Stiftung, der Stiftung Marktwirtschaft und der Friedrich-Naumann-Stiftung, Gütersloh, Berlin und Potsdam.
Wissenschaftsrat (2006): Empfehlungen zum arbeitsmarkt- und demographiegerechten Ausbau des Hochschulsystems, Köln