Schlag gegen die Uni-VormachtFachhochschule Fulda erhält Promotionsrecht
Bisher war es nur möglich, an einer Universität einen Doktortitel zu erwerben. Es mehren sich jedoch die Stimmen, dass dieses Privileg auch FHs erhalten sollten – sie bekommen jedoch Gegenwind.
Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Fulda hat letzte Woche das Recht erhalten, Promotionen eigenständig zu vergeben – womit sie die erste Fachhochschule in Deutschland ist. Gegen entsprechende Begehrlichkeiten von FH-Vertretern wehren sich die Universitäten schon seit langem. Und sie haben gewichtigen Beistand: Im Mai hatte sich Bundesbildungsministerin Johanna Wanka mächtig für die Unilobby ins Zeug gelegt – wieder einmal. Hätten Fachhochschulen ein generelles Recht, den Weg zum Doktor zu ebnen, wäre das „das Ende des Systems“, malte sie den Teufel an die Wand. Denn dann müsste es auch das Promotionsrecht für große Forschungseinrichtungen kommen, behauptete die CDU-Politikerin und blieb die Begründung dafür schuldig. Schließlich bilden die Helmholtz-Gemeinschaft oder die Fraunhofer-Gesellschaft ja gar keine Studierenden aus, aber egal, Hauptsache dagegen. Wanka ganz kategorisch: „Diese Pläne einzelner Länder lehne ich ab.“
Bundesländer auf Abwegen
Von wegen „Pläne“. Drei Bundesländer, neben Hessen sind das Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, haben längst gesetzliche Grundlagen für den FH-Doktor geschaffen. Bei der Umsetzung hat allerdings bisher nur Hessen richtig ernst gemacht. Nach dem zum Jahresende 2015 beschlossenen neuen Hochschulgesetz (HHG) können Fachhochschulen dann ein Promotionsrecht erhalten, sofern sie im Rahmen einer Prüfung eine herausragende Forschungsstärke nachweisen können. Allerdings betrifft dies lediglich einzelne Fachrichtungen. Eine ganze FH, bzw. Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW), wie diese neuerdings offiziell in Hessen heißen, kann nicht zum Zug kommen. Dabei läuft die Beschränkung auf ausgesuchte Fakultäten unter dem Motto „Klasse statt Masse“.
Gewährleisten soll das ein Kriterienkatalog. Danach muss der Antragssteller mindestens zwölf Professorinnen und Professoren aufbieten können, die ihre besondere Qualität anhand von Publikationen sowie eingeworbenen Drittmitteln nachzuweisen haben. Laut Gesetz darf etwa in technischen Fächern nur Promovierungen vornehmen, wer 300.000 Euro in drei Jahren für seinen Arbeitgeber an Land gezogen und mit sechs Veröffentlichungen hat glänzen können. In Sozial- oder Gesundheits- und Pflegewissenschaften reichen die halbe Drittmittelsumme und drei Publikationen aus. Um die Mindestzahl an Profs zu erfüllen, können sich mehrere Hochschulen in sogenannten Promotionszentren zusammentun.
Akademische Zeitenwende
Mit der Beurkundung ihres „Promotionszentrums Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Globalisierung, Europäische Integration, Interkulturalität“ hat die HAW Fulda in der Vorwoche eine akademische Zeitenwende eingeläutet. Es ist zwar schon seit längerem möglich, an einer FH den Doktorgrad zu erlangen. Allerdings brauchte es dazu bisher immer eine Universität als Kooperationspartner. Konkret müssen FH-Absolventen zunächst einen Doktorvater an einer Uni für sich gewinnen, wozu es in der Regel guter Kontakte und einiger Netzwerkerei bedarf. Einen anderen Weg zu Doktorwürden eröffnen sogenannte Graduiertenkollegs, in denen Professoren beider Hochschultypen die Doktoranden gemeinsam betreuen. In beiden Fällen bleibt aber die Uni Herrin des Verfahrens, während die FHs ein bisschen wie das fünfte Rad am Wagen anmuten.
Das belegt auch die Statistik: Von den rund 60.000 Dissertationen, die zwischen 2009 und 2011 an deutschen Hochschulen abgenommen wurden, stammen gerade einmal 836 von FH-Absolventen. Laut neueren Zahlen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sind etwa 300 der 25.000 pro Jahr abgeschlossenen Promotionen von FH-Studierenden. Zwar hat sich das Verhältnis im Zuge der stärkeren Zusammenarbeit leicht zugunsten der FHs verschoben, an der Übermacht der Unis hat das jedoch nicht gekratzt. Sie haben bei der Titelvergabe weiterhin die Hosen an und das soll gefälligst so bleiben. Der Chef der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, hat das mal so ausgedrückt: „Wenn eine Fachhochschule Promotionsrecht haben soll, muss man sie zur Universität machen.“
Überkommenes Mantra
Hinter der Haltung steht das von der Zeit längst überholte Mantra, wonach Fachhochschulen nur Praktiker und Unis nur Forscher ausbildeten. Dabei sind gerade im Zuge der Bologna-Studienstrukturreform Unis und FHs sich in vielem deutlich nähergekommen. Seit Einführung des Bachelor wird mittlerweile auch an den Unis sehr viel berufsbezogener studiert, und umgekehrt machen FHs immer stärker mit anwendungsorientierter Forschung von sich reden. Mit Stolz stellte so auch der Präsident der HAW-Fulda, Karim Khakzar, am Montag vor einer Woche klar: „An unserer Hochschule wird seit langem eine national und international anerkannte sozialwissenschaftliche Forschung betrieben.“ Vor diesem Hintergrund sei es nur konsequent, „wenn wir nunmehr Promovierende in eigener Hoheit betreuen und damit das Forschungsprofil unserer Hochschule insgesamt weiter stärken“. (Meldung der HAW Fulda)
„Es geht hier nicht um Eitelkeiten oder Prestige“, sekundierte Hessens Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU), der die Urkunde für das Promotionszentrum überreichte. Das Promotionsrecht sei kein Angriff auf die Universitäten. Vielmehr erhoffe sich die Landesregierung eine Diskussion um die Weiterentwicklung des deutschen Hochschulsystems. Insofern markiere das Ereignis ein „wissenschaftspolitisch historisches Ereignis“. Dieses soll keine Einmaligkeit bleiben. Khakzar kündigte weitere Anträge seiner Hochschule an, etwa in den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, in der Sozialen Arbeit sowie für die Informatik und die Wirtschaftswissenschaften.
Schleswig-Holsteins kleiner Wurf
Dass ausgerechnet Hessen den bundesweiten Vorreiter gibt, kommt einigermaßen überraschend. Denn eigentlich waren Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein schon früher am Drücker, die Trutzburg der Unis zu knacken. Das Nordland hatte bereits vor drei Jahren einen entsprechenden Vorstoß unternommen, vorgetragen durch die damals amtierende Wissenschaftsministerin Waltraud Wende (parteilos). Es gebe „keine Forschung erster und zweiter Klasse“, meinte sie seinerzeit und verlangte Gleichberechtigung. „Die Fachhochschulen sind in den vergangenen 20 Jahren derart in die Forschung gegangen, darauf muss man reagieren“, polterte sie, notfalls im föderalen Alleingang.
Auf die großen Töne folgte indes eher ein kleiner Wurf. Auf Grundlage des inzwischen novellierten Hochschulgesetzes wurde inzwischen ein „Virtuelles Promotionskolleg“ für FH-Absolventen gegründet (Bericht des Tagesspiegels). Der Name ist Programm. Von einer echten Eigenständigkeit der FHs kann nicht die Rede sein. Neben den mindestens drei forschungsstarken Fachhochschulprofessoren, die an einem gemeinsamen Forschungsfeld arbeiten, soll den Teams wenigstens eine universitäre „Spiegelprofessur“ angehören. Die Dissertationen werden von einem Promotionsausschuss begutachtet, worunter sich wieder ein Uniprofessor befindet. Die Promotionsurkunde wird vom „Virtuellen Promotionskolleg“ ausgestellt, wobei diese das Siegel der der FH und der Uni trägt.
Ohne Uni läuft nix
Die Uni mischt also beim ganzen Verfahren von vorne bis hinten mit, oder anders: Ohne sie läuft nix. Sieht man von der höheren Zahl der FH-Professoren in den Forscherteams ab, unterscheidet sich das Modell kaum von den kooperativen Forschungskollegs der FHs und Unis, die das Bundesforschungsministerium schon seit 2011 fördert. Entsprechend begrüßte seinerzeit auch Gerhard Fouquet, Präsident der Kieler Universität und erklärter Kritiker von FH-Promotionen, das „im Konsens gefundene Modell“. Dieses könne „nur der besseren Forschungskooperation zwischen Universitäten und Fachhochschulen dienen“. Einen Doktor in FH-Eigenregie ermöglicht die Reform mitnichten.
Beharrlichkeit hat die Unilobby auch in Baden-Württemberg bewiesen. Dabei sah die Sache dort noch am günstigsten für die FH-Rektoren aus. Das Hochschulgesetz im Ländle sieht seit März 2014 eine Experimentierklausel vor, nach der Zusammenschlüsse von Fachhochschulen „zeitlich und thematisch begrenzt das Promotionsrecht erhalten können“. Die Möglichkeit existiert bis auf weiteres aber nur auf dem Papier. Zur Anwendung käme die Option nur für den Fall des Scheiterns der schon gängigen Kooperationen zwischen Unis und FHs. Tatsächlich gelten die kooperativen Promotionskollegs weiterhin als der „Königsweg“. Und damit das auch so bleibt, hat Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) Anfang 2016 ein dreijähriges Förderprogramm über 6,6 Millionen Euro für zehn dieser Verbünde aufgelegt.
Zeiten ändern sich
Ein lupenreines FH-Solo wird es aber auch in Hessen nicht geben. Dort sitzt ebenfalls ein Univertreter im Promotionsausschuss mit am Tisch und wacht darüber, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Denn: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und die will sich der Uni-Klüngel nicht nehmen lassen. Aber Zeiten ändern sich.
(rw)