10.000 Studierende bei Bildungsprotesten in Bonn"KMK nachsitzen"
Am Donnerstag haben bis zu 10.000 (Angabe der Veranstalter_innen, die Polizei sprach von 4.000) Studierende und Schüler_innen aus dem gesamten Bundesgebiet anlässlich der 328. Kultusministerkonferenz (KMK) in Bonn demonstriert. Zu der Demonstration hatte ein breites Bündnis von Schüler_innen, Auszubildenden- und Studierendenorganisationen, Erwerbsloseninitiativen, Gewerkschaften und anderen NGOs aufgerufen. Das Bündnis erhielt auch Unterstützung durch den Deutschen Hochschulverband (DHV), in dem rund 25.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler organisiert sind. Der DHV rief alle Dozentinnen und Dozenten dazu auf, ihre Lehrveranstaltungen zu verschieben, um den Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihren Protest gegen die Umsetzung der Bologna-Reformen zu artikulieren.
Logo der Aktion "KMK nachsitzen!"
Ziel des Protests ist es, die Kultusminister mittels Blockaden in einer symbolischen Geste zum Nachsitzen zu zwingen, so auch das Motto der Demonstration: "KMK nachsitzen". In den letzten Wochen und Monaten haben die Proteste im Bildungsbereich an Intensität zugenommen. Bundesweit sind derzeit immer noch an Dutzenden Hochschulen Hörsäle besetzt. Die Proteste sind auch für die Politik nicht zu übersehen oder ignorieren gewesen und haben nun zur Folge, dass sich Kultusminister- und Hochschulrektorenkonferenz (KMK + HRK) mit den Auswirkungen des real-existierenden Bologna-Prozesses beschäftigen müssen. Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk sagte der Vizepräsident der Kultusministerkonferenz, Ludwig Spaenle heute: "Wir wollen dem heute in der Kultusministerkonferenz (KMK) mit einem Korrekturpaket Rechnung tragen."
Der Protest richtet sich neben der Kritik an der Bologna-Reform auch gegen die Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre, überfüllte Klassen und das mehrgliedrige Schulsystem. Es wird freier Zugang zu allen Bildungs- und Kultureinrichtungen und Abschaffung sämtlicher Bildungsgebühren und die öffentliche Finanzierung eines demokratischen Bildungssystems gefordert. Doch das Bündnis ist nicht nur auf das Bildungssystem fokussiert. Auch die Abschaffung der Leih- und Zeitarbeit sowie prekärer Arbeitsverhältnisse ("Generation Praktikum") und Hartz IV werden in den Blick genommen.
KMK bewegt sich – aber nur langsam
Auf der KMK wurden nun Eckpunkte für eine "Reform der Bologna-Studenreform", in deren Rahmen die Studienordnungen an den Universitäten grundsätzlich umgekrempelt wurden, beschlossen. Der Vorsitzende der KMK, Henry Tesch (CDU), kündigte bereits die Lösung aller Probleme an: Die "Studierbarkeit des Studiums" soll wieder hergestellt und regelmäßig überprüft werden. Auch Arbeitsbelastung und Dauer der Studiengänge stehen zur Debatte. So soll z.B. die für die Bachelor-Studiengänge bisher gesetzte Regelstudienzeit von sechs Semestern öfter überschitten werden können und die Anzahl der Prüfungen vermindert werden.
Die Verantwortung für die Umsetzung und Finanzierung dieser Maßnahmen wird dabei jedoch größtenteils den einzelnen "autonomen" Hochschulen zugeschoben. Ein Wunsch der Studierenden, der freie Zugang zum Master-Studiengang, wurde explizit nicht erfüllt. So heißt es von Seiten der KMK: "Zur Qualitätssicherung oder aus Kapazitätsgründen können für den Zulassung zu Master-Studiengängen weitere Voraussetzungen bestimmt werden." Also bleibt hier faktisch alles beim Alten.
"Studierbarkeit" soll verbessert werden
In Sachen "Studierbarkeit" hatte bereits am Dienstag der Akkreditierungsrat (der selbst keine Studiengänge prüft, sondern die Agenturen kontrolliert, die dies durchführen) beschlossen, Studierbarkeit stärker bei der Akkreditierung von Studiengängen zu berücksichtigen. Was ja indirekt bedeutet, dass darauf bisher nicht sonderlich geachtet wurde – ein Armutszeugnis für die Institutionen, die sich um die Akkreditierung kümmern. Der Vorsitzende der Deutschen Studentenwerks, Rolf Dobischat sagte dazu vor kurzem sehr treffend: "Es ist absurd: Die deutsche Hochschulpolitik debattiert ernsthaft über die 'Studierbarkeit' von Studiengängen. Das ist, als müsste man über die Trinkbarkeit von Trinkwasser oder die Befahrbarkeit von Straßen diskutieren müssen."
Die KMK hat die Ankündigung des Akkreditierungsrates begüßt und und nochmals aufgeführt, dass die Arbeitsbelastung für einen Leistungspunkt 25 bis maximal 30 Stunden betragen soll. In einem Semester (30 Leistungspunkte) kommt man so auf 750 bis 900 Stunden oder 32 bis 39 Wochentunden bezogen auf 23 Wochen (3 Wochen hätte man also pro Semester tatsächlich "frei"). Allerdings bestand diese Vorgabe auch bisher schon – war aber wohl immer eher in Richtung 30 Stunden je Leistungspunkt interpretiert worden und wie man genau bestimmen soll, wie lange Studierende tatsächlich für die Erarbeitung eines Leistungspunktes brauchen, ist ja so oder so schwer festzulegen.
Letztlich bleiben aber die 10 "Eckpunkte zur Korrektur der 'Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Master-Studiengängen' und der 'Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktsystemen und die Modularisierung'" trotzdem an vielen Stellen vage.
Weiter Grund für Proteste
Nicht nur Studierende hatten sich am Bildungsstreik des Sommers und den Aktionen der letzten Wochen beteilgt. Auch Schüler_innen waren von Anfang mit dabei. Deren Forderungen jedoch wurden von der KMK praktisch vollkommen ignoriert.
Und auch die protestierenden Studierenden dürften mit den angekündigten Maßnahmen nicht wirklich zufrieden zu stellen sein. Denn einiges wird explizit nicht erfüllt (bspw. Übergang zum Master, Abschaffung von Studiengebühren), vieles andere nur angekündigt bzw. nur vage angesprochen. Alle Erfahrung der letzten Jahre zeigt (leider), dass von solchen Ankündigungen nur wenig wirklich vollständig umgesetzt wird.
Hintergründe und Quellen
- Ergebnisse der 328. Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz am 10. Dezember 2009 (Die KMK stellt ihre Ergebnisse vor)
- Studentischer Dachverband fordert die Kultusminister zum Handeln auf (fzs-Pressemitteilung, 10.12.2009)
- kmk-nachsitzen.de
- Hochschulrektoren uneinsichtig (Artikel zu den studentischen Proteste anlässlich der Hochschulrektorenkoferenz am 24.11.2009)
- Schöne Worte der KMK: Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses (Studis Online, 16.10.2009)
- GEW-Studie: "Der Bologna-Prozess zwischen Anspruch und Wirklichkeit" (PDF)