Tausende Studierende demonstrieren gegen HRKHochschulrektoren uneinsichtig
Wie der Name ja schon sagt, ist die HRK die "Hochschulrektorenkonferenz", also das Treffen der Hochschulleitungen. Diese sind zwar gewählt, aber je nach Bundesland zunehmend nicht mehr von den Hochschulangehörigen allein (und hier nur zu einem Bruchteil von den Studierenden, die ja eigentlich die große Mehrheit der Hochschulmitglieder stellen). Dazu kommt, dass die RektorInnen auf ihrer Tagung ohne jede Rücksprache mit den Gremien der Hochschulen Dinge verlautbaren können, wie sie es gerade für richtig halten.
Da die HRK also kaum wirklich die Sicht der Studierenden darstellt, wendete sich die Demonstration der Studierenden (und SchülerInnen) auch explizit gegen den Anspruch der HRK, "Die Stimme der Hochschulen" zu sein. In den Worten eines Demoaufrufes: "Hochschulpolitik und Bildungspolitik müssen demokratisch legitimiert sein! 'Die Stimme der Hochschulen' sind alle Mitglieder der Hochschulen inklusive derer, die es werden wollen und so ein Recht haben, Mitglieder zu sein - und nicht nur RektorInnen und PräsidentInnen." Andere Studierende bezeichneten die HRK einfach als "Lobbyverband von Präsidenten und Hochschulrektoren".
Tausende Studierende demonstrieren
Wenn an Quoten oder Mindestnoten für den Master festgehalten wird, ist für viele mit dem Bachelor das Studium zu Ende – "Ausfahrt Bachelor"
Gründe, die HRK zu kritisieren und aus Anlass eines Treffens derselben zu demonstrieren, gab es also aus Studierendensicht genug. So fanden sich denn heute in Leipzig bis zu 10.000 DemonstrantInnen ein (die Polizei sprach von bis zu 6.000, StudierendenvertreterInnen dagegen von über 10.000). Die HRK reagierte auf die Kritik mit Trotz und Unverständnis. Nach außen hin sollte mit der Stellungnahme immerhin Geschlossenheit demonstriert werden, intern – so hört man – stritten die RektorInnen allerdings durchaus. Vielleicht ändert sich also doch etwas – wenn der Druck weiter anhält.
Die HRK-Präsidentin sagte übrigens im Deutschlandradio: "Es bewegt sich schon etwas, aber die Studierenden sind furchtbar ungeduldig". Dabei ist die Ungeduld kein Wunder: Nach 10 Jahren Bologna-Prozess hätte man wirklich mehr erwarten können. Vor allem zeugt es nicht gerade von viel Verständnis, wenn man sich nun – wie die HRK – hinstellt und behauptet: "Die aktuelle Bilanz zeigt sichtbare Erfolge wie die Verkürzung der realen Studiendauer oder die wachsende Akzeptanz der Bachelorabsolventinnen und -absolventen am Arbeitsmarkt, wie von unabhängiger Seite inzwischen bestätigt." Das mag zwar sogar stimmen, tröstet aber nicht darüber hinweg, dass die Abbrecherquote bei diversen Studiengängen gestiegen ist und der Druck, den die Studierenden verspüren, gewachsen ist.
Den Vorwurf der Entdemokratisierung an den Unis bezeichnete die HRK-Präsidentin als "baren Unfug". Dabei wurden in den letzten Jahren den Hochschulgremien, in denen ProfessorInnen (mit absoluter Mehrheit), wissenschaftliche und sonstige MitarbeiterInnen und sowieso nur wenige Studierende sitzen, Kompetenzen entzogen. Diese gingen zum einen an die RektorInnen (oder PräsidentInnen), zum anderen an neue Gremien wie Hochschulräte, in denen je nach Bundesland sogar externe VertreterInnen aus der Wirtschaft und Gesellschaft die Mehrheit haben.
Hin- und Herschieben der Verantwortung
Die Proteste der letzten Wochen hatten – wie schon beim Bildungsstreik des Sommers – dazu geführt, dass mehr oder weniger alle Addressaten sich zumindest in Teilen Forderungen der Protestierenden anschlossen, aber jede eigene Schuld am Zustand der (Hoch-)Schulen von sich wiesen, Schuld sind immer die anderen. So hatte die Kultusministerkonferenz (KMK), also die Wissenschaftminister der Länder, vor einigen Wochen nette Dinge verkündet (vgl. unseren Artikel Schöne Worte der KMK: Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses), die Probleme bei der Umstellung auf Bachelor/Master aber vor allem den Hochschulen selbst angekreidet.
Die HRK sieht das natürlich anders: Schuld sind aus ihrer Sicht vor allem die Länder (also insbesondere auch die KMK). In der heute von der HRK herausgegebenen Erklärung heißt es u.a. "Die Länder enthalten den Hochschulen wesentliche Rahmenbedingungen für eine optimale Fortsetzung der Reform vor. Sie vernachlässigen die Hochschulfinanzierung, setzen Restriktionen und tragen durch falsche Anreize zu gedrängten Curricula bei. Sie versäumen es an wesentlichen Punkten, Rechtssicherheit und Verlässlichkeit für Hochschulen und Studierende zu schaffen. Sie vernachlässigen wesentliche Koordinierungsaufgaben zwischen den Ländern. Sie belasten das Hochschul- und Akkreditierungssystem mit Detailregulierungen."
Schuld sind aber alle
Damit machen es sich sowohl KMK als auch HRK zu leicht. Beide Seiten haben so einiges versäumt. Natürlich fehlt es an Geld und manche ministerielle Vorschrift mag die Hochschulen behindert haben. Genau so haben aber oft auch die Hochschulen (namentlich die ProfessorInnen, die die Studienordnungen für die neue Studienstruktur ausgearbeitet haben) schlecht gearbeitet. Auf die "Studierbarkeit" wurde kaum geachtet und die Bachelor-Studiengänge stärker verschult, als nötig. Die Wahlmöglichkeiten wurde zu sehr eingeschränkt, Spezialisierungen zu früh festgezurrt.
Selbst die (Ex-)Studierenden sind nicht ganz unschuldig an der Lage. Auch wenn sie in den entscheidenden Hochschul-Gremien immer in der Minderheit sind, so können sie doch mitreden. Gerade auf Hochschulebene wurde diese (anstrengende und oft auch nicht zum Erfolg führende) Möglichkeit zu wenig genutzt. Zwar haben auf Landes- und Bundesebene Studierendenvertreter immer wieder auf (potentielle) Fehlentwicklungen hingewiesen, in den Kommissionen an den Hochschulen selbst aber oft zu wenig getan. Wobei: Solche Arbeit vor Ort war und ist unbezahlt. Und diejenigen, die sie hätten machen müssen (mit Studienordnungen vertraute Studierende, also eher "höhere Semester") haben zwangsläufig gar nichts von der Arbeit: Sie betrifft die neue Studien+Prüfungsordnung gar nicht mehr. Die ProfessorInnen dagegen hätten mehr Grund gehabt, die Umstellung gut zu planen und durchzuführen.
Hoffnung?
Bleibt nur zu hoffen, dass sich an den Hochschulen selbst in den nächsten Wochen und Monaten etwas tut und die Prüfungs+Studienordnungen sinnvoll überarbeitet werden. Von allen Betroffenen (Profs, Mittelbau, Studierende) zusammen und möglichst ohne dass die Profs ihre Mehrheiten ausspielen und damit den Rest im Zweifel überstimmen.
Von Seiten der Länder (und des Bundes) wäre zu gewährleisten, dass bei den Hochschulen (und Schulen!) tatsächlich mehr Gelder insbesondere für die Lehre ankommen. Auch in Sachen Studienfinanzierung lässt sich noch einiges verbessern, auch über das BAföG hinaus. Üerspektivisch sollte auf eine elternunabhängige Finanzierung umgestiegen werden. Dabei sollten alle heutigen Transferleistungen wie Kindergeld oder Kinderfreibeträge zu Gunsten der neuen Ausbildungs+Studienfinanzierung abgeschafft werden. Dazu gehört auch, dass die Unterhaltspflicht der Eltern mit der Volljährigkeit endet und stattdessen der Staat eintritt, um zu vermeiden, dass die Kinder durch die Abhängigkeit vom Geldfluss der Eltern zu bestimmten Studien- oder Ausbildungswegen gedrängt werden.
Nächste bundesweite Protestgelegenheit übrigens: Die Aktion "KMK nachsitzen" am 10. Dezember, bei der die Tagung der KMK in Bonn durch Demonstationen begleitet werden soll.
Quellen und Hintergründe
- Die Stimme der Hochschulen: pro Bologna (Pressemitteilung der HRK, 24.11.2009)
- Eine Stimme konferiert - 10 000 Stimmen demonstrierten (Pressemitteilung des fzs, 24.11.2009)
- Ausführliche Informationen und Hintergründe der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften zur Demonstration
- KMK nachsitzen (Infos zu den geplanten Protesten am 10. Dezember in Bonn aus Anlass der KMK-Tagung)