Wahlprüfsteine HochschuleWahlen zum Landtag Sachsen: Was die FDP will
Nach Meinung der FDP Sachsen sollten sich die Hochschulen ihre Studierenden nach eigenen Kriterien durch Aufnahmeverfahren aussuchen können. Die staatlich verordnete Verteilung eines Teils der Studienplätze durch die Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen (ZVS) wird weder den Interessen der Studienbewerber noch denen der Universitäten gerecht. Deshalb setzen wir uns für die ersatzlose Abschaffung der ZVS ein. Die Hochschulen sollten sich aus unserer Sicht an dem bundesweit geplanten Clearing-Verfahren beteiligen, um Mehrfachbewerbungen vorzubeugen.
2. Die gesicherte Studienfinanzierung ist ein entscheidender Punkt, um Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten ein Studium zu ermöglichen. In Deutschland spielen hierfür Unterhaltsrecht und BAföG zusammen, nicht immer optimal. Welche Vorstellungen haben Sie in diesen Bereichen für eine Weiterentwicklung?
Neben dem Angebot eines sozial gestaffelten Studiendarlehenssystems ergänzend zum bestehenden BAföG-System setzt sich die FDP Sachsens insbesondere für den Aufbau eines Stipendiensystems ein, dass sich an der Leistung des Studenten orientiert und unabhängig vom Einkommen seiner Eltern ist. Allen Studierwilligen muss unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund ein Studium in Sachsen ermöglicht werden. Mittelfristig sollen zehn Prozent der Studierenden ein monatliches Stipendium in Höhe von 300 Euro erhalten. Die Stipendien sollen ausschließlich auf Leistungsbasis gezahlt werden. An der Finanzierung soll sich neben Sachsen auch der Bund beteiligen und damit die Leistungen der Hochschulen und Studenten im Freistaat honorieren. Immerhin wird im Freistaat Sachsen, der Ingenieurschmiede Deutschlands, ein erheblicher Teil des akademischen Nachwuchses ausgebildet. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist ein derartiges Stipendienmodell auch interessant für die sächsische Wirtschaft. Neben dem symbolischen öffentlichen Wert der Vergabe von Stipendien stellen diese auch ein effizientes Instrument zur frühzeitigen Talentbindung dar.
Stipendien sind ein Standortvorteil. Hier muss der Freistaat aktiver und attraktiver werden. Andere Bundesländer liegen bei der Wahl des Studienortes klar vor Sachsen. Defizite bestehen zudem bei der teilweise zu langen Studiendauer. Im Aufbau eines leistungsorientierten Stipendiensystem sehen wir ein wirksames Mittel zur Behebung dieser Probleme. Stipendien dienen dabei als studienfördernder Leistungsbonus. Nach Leistungskriterien unabhängig vom Elterneinkommen vergebene Stipendien dürfen allerdings nicht auf BAföG-Zahlungen angerechnet werden. Hier wirken die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen kontraproduktiv.
Auch in diesem Zusammenhang ist eine umfassende Neuordnung der Ausbildungsförderung (BAföG) erforderlich. Künftig soll jeder Student, unabhängig vom elterlichen Einkommen, Anspruch auf ein staatlich gefördertes zinsgünstiges Studiendarlehen erhalten. Durch verschiedene Rückzahlungsmodelle wird der individuellen Situation des Studierenden Rechnung getragen. Besonders gute Studienleistungen werden bei der Rückzahlung honoriert.
3. Es gibt eine Idee, das Schüler-BAföG auszuweiten und insbesondere für SchülerInnen der Oberstufe auch dann eine Förderung zu ermöglichen, wenn sie noch bei ihren Eltern wohnen können. Unterstützen Sie eine solche Ausweitung oder wie sind Ihre Vorstellungen, mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Das Schüler-BAföG ist in seiner derzeitigen Form sinnvoll. Nach unserer Meinung ist eine Ausweitung des Schüler-BAföG kurz- bis mittelfristig nicht zu realisieren. Die Zahl der Hochschulzugangsberechtigungen würde aus unserer Sicht nicht steigen. Allerdings erachten wir es als sinnvoll, Schüler der Oberstufe schon frühzeitig über Finanzierungs- und Studienmöglichkeiten zu informieren, und zwar in einem weitaus größeren Umfang als dies jetzt geschieht.
4 . a) In Ihrem Bundesland gibt es bisher keine allgemeinen Studiengebühren, jedoch Gebühren bei einem Zweitstudium. Wollen Sie daran festhalten oder planen Sie Änderungen? Wenn Sie allgemeine Studiengebühren einführen wollen: Wie genau soll die "soziale Abfederung" aussehen, wie die Zweckbindung?
Die FDP Sachsen spricht sich klar gegen Denkverbote bei Studiengebühren aus. Hochschulen sollten nach unseren Vorstellungen künftig die Möglichkeit, nicht die Verpflichtung, haben, ihre Studenten angemessen an den Kosten der Ausbildung zu beteiligen. Die eingenommenen Mittel sind an den Hochschulen ausschließlich sachgerecht zur Verbesserung von Lehre einzusetzen. Studiengebühren dürfen zudem nicht dazu führen, dass die Zuweisungen von Landesmitteln an die Hochschulen gekürzt werden. Um eine große Akzeptanz unter der Studentenschaft zu erreichen, sind die Studenten angemessen am Prozess der Gebührenverteilung zu beteiligen. Die Mittelverwendung sollte von den Hochschulen zudem lückenlos und transparent dokumentiert werden.
Studiengebühren werden nahezu ausschließlich als studienverhindernder Standortmalus insbesondere für einkommensschwache Bevölkerungsschichten betrachtet. Dabei bleibt häufig unberücksichtigt, dass trotz des gebührenfreien Studiensystems der alten Bundesrepublik gerade in Deutschland eine im Vergleich mit anderen Ländern geringe soziale Mobilität besteht. Danach gibt es eine enge Beziehung zwischen der sozialen Herkunft einer Person und der Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese ein Studium aufnimmt. Dieser diskriminierende "Herkunft gleich Zukunft"-Zusammenhang muss beseitigt werden. Er bedeutet, dass einkommensstärkere Bevölkerungsschichten in Form der staatlichen Hochschulfinanzierung, zu der zu einem großen Teil einkommensschwächere Bevölkerungsteile beitragen, beim Zugang zu Bildung subventioniert werden. Dies ist weder sozial noch effizient.
61 Prozent der sächsischen Abiturienten verneinen einen Einfluss von Studienkosten auf ihre Studienentscheidung oder sehen nur einen gewissen Einfluss. Dies geht aus einer vom Freistaat Sachsen beauftragten Studie aus dem Jahr 2008 hervor. Wenn Studiengebührenfreiheit bei der Studienplatzwahl stets als Standortvorteil für Sachsens Hochschulen gepriesen wird, dann verwundert es auch, warum gerade Sachsen bundesweit Schlusslicht bei der Zahl der Studienanfänger ist. Als einziges Bundesland verzeichnete Sachsen im Studienjahr 2008/09 im Vergleich zum Vorjahr weniger Studienanfänger.
Mit seiner Entscheidung im April 2009 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die grundsätzliche Rechtmäßigkeit von Studiengebühren bestätigt. Das Gericht stellte zudem fest, dass begleitend zu Studiengebühren Maßnahmen zu ergreifen sind, die die soziale Verträglichkeit der Beitragserhebung sicherstellen. Wir sehen in sozial flankierten Studiengebühren, beispielsweise in Form von sozial gestaffelten Studiendarlehen, eine Möglichkeit, die Finanzierung der Hochschulen zukünftig mit abzusichern.
4. b) In Ihrem Bundesland gibt es bisher keine Rückmeldungsgebühren. Soll das so bleiben oder nicht? Wieso?
Solche Verwaltungsgebühren lehnt die FDP Sachsen ab, da sie nur den Verwaltungsaufwand erhöhen.
5. Ist die Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass die inzwischen eingeführten Abschlüsse Bachelor und Master unabhängig von der Hochschulart gleichwertig sein sollen, noch zweckmäßig? Wenn ja, warum; wenn nein, was planen Sie stattdessen?
Die FDP Sachsen möchte weiter an der Trennung von Universitäten und Fachhochschulen festhalten. Auch wenn Fachhochschulen und Universitäten Studierende zu gleichwertigen Abschlüssen führen, so unterscheiden sich Universitäten und Fachhochschulen weiterhin in der Zielrichtung ihres Wirkens. Während sich Fachhochschulen bei der Ausbildung von Nachwuchskräften sehr viel stärker an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientieren, widmen sich Universitäten verstärkt der Forschung und qualifizieren unter anderem für eine wissenschaftliche Karriere.
6. "Autonomie" ist ein Schlagwort der Hochschulreformen der letzten Jahre. "Demokratisierung" der Hochschulen dagegen nur noch selten. Wo legen Sie Ihre Schwerpunkte bei möglichen weiteren Änderungen der Hochschulgesetze Ihres Landes.
Die sächsischen Hochschulen benötigen sehr viel mehr Autonomie, und zwar in Bezug auf Organisationsstrukturen, personelle Entscheidungen, die Budgets für Lehre und Forschung sowie ihre Liegenschaften. So kann die Selbständigkeit der Hochschulen gestärkt werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass Hochschulen im Rahmen eines Globalhaushaltes künftig frei über ihre Mittel verfügen können, das heißt, sie können beispielsweise Rücklagen bilden oder bei kaufmännischer Buchführung entsprechende Investitionen über Kredite vorfinanzieren. Es ist wichtig, dass die hervorragenden Forschungsergebnisse der sächsischen Hochschulen stärker in regionale Innovationserfolge überführt werden und so auch zusätzlich Einnahmequellen generiert werden. Deshalb ist es wichtig, dass Hochschulen eigene Unternehmen gründen oder sich an Unternehmen beteiligen können.
Hochschulen sind keine Unternehmen, aber sie sollten unter stärkerer Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte geführt werden. Die wirtschaftliche Betätigung und die Bewirtschaftung eigener Finanzmittel der Hochschulen sind daher in einem gesonderten Rechtsrahmen zu regeln. Bessere Studienbedingungen bedürfen neben einer effizienten Studienorganisation vor allem einer besseren finanziellen Ausstattung. Neben der Grundfinanzierung durch die öffentlichen Haushalte stellen Sponsoring und Drittmitteleinwerbung ergänzende Finanzierungselemente dar.
Daneben sollten Hochschulen künftig die Möglichkeit erhalten, ihre Studenten an den Kosten der Ausbildung zu beteiligen. Im Zuge der verstärkten Autonomie der Hochschulen werden die innere Verfassung und das Mitbestimmungsrecht der Studierenden zu einem Wettbewerbs- und Qualitätsfaktor. Der Staat sollte sich dabei keinesfalls einmischen, weder in Gestalt des Bundes noch in Gestalt der Länder.
Leistungsfähigere Hochschulen sind nur mit weniger Staatsbürokratie zu erreichen. Daher muss das Verhältnis zwischen den sächsischen Hochschulen und dem Freistaat Sachsen neu geordnet werden. Hochschulen soll auch hinsichtlich der inneren und äußeren Organisationsform mehr Autonomie eingeräumt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass Hochschulen künftig nicht mehr ausschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sondern eine geeignete Rechtsform wählen können. Dies ermöglicht es auch, Universitäten in Stiftungsuniversitäten zu überführen.
In unserem Modell der eigenständigen Hochschule übt das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) nur die Rechtsaufsicht und keine Fachaufsicht aus. Auf der Grundlage von konkreten Zielvereinbarungen mit dem SMWK erstellen die Hochschulen eigene Strategie- und Entwicklungsplanungen. Finanz-, Personal- und Organisationsentscheidungen werden künftig weitgehend von den Hochschulen eigenverantwortlich getroffen.
Hochschulen sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Liegenschaften zu übernehmen, zu bewirtschaften und Baumaßnahmen in Eigenregie zu planen. Sie entscheiden eigenverantwortlich, ob sie diese Aufgaben mit privaten Anbietern oder dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) wahrnehmen.
Mit dem von der CDU/SPD-Koalition verabschiedeten neuen Hochschulgesetz hat Sachsen eine wichtige Chance verpasst, um den Hochschulen mehr Freiräume für eine unternehmerische Betätigung einzuräumen. Die Novellierung dieses Hochschulrechts ist und bleibt daher aus unserer Sicht eine wichtige Aufgabe.
7. Ohne eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Hochschulen ist gute Lehre nicht möglich. Darüber sind sich eigentlich alle einig. Trotzdem scheint es – egal in welchem Bundesland und unter welcher Regierung – nach wie vor nicht zu einem echten Durchbruch zu kommen. Gelder werden lieber für Leuchtturmprojekte ausgegeben (von denen nur wenige profitieren), die Forschung gestärkt (für Studierende ebenfalls kaum ohne Auswirkungen) und für die Lehre bleibt am Ende vielleicht ein kleiner Preis übrig. Was wollen Sie tun, damit es wirklich zu einer nachhaltigen Verbesserung kommt, sowohl was die bauliche, aber auch personelle Ausstattung angeht? Vor allem auch unter dem Aspekt, dass die Hochschulen heute teilweise schon fast sittenwidrige Löhne zahlen (vor allem bei studentischen Hilfskräften, Honorarprofessuren und vielen wissenschaftlichen Mitarbeitern).
Lernende und Lehrende werden nur dann an sächsische Hochschulen kommen und auch bleiben wollen, wenn sie attraktive Bedingungen vorfinden. Daher brauchen die Hochschulen ausreichende Finanzmittel für die Bewältigung der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen. Nur so können sie im internationalen Maßstab wettbewerbsfähig bleiben. Voraussetzung dafür ist die bessere Ausstattung und verbunden damit die Beendigung der chronischen Unterfinanzierung der sächsischen Hochschulen. Während im Bundesdurchschnitt die laufenden Grundmittel je Student an den Universitäten 8.390 Euro betragen, sind es in Sachsen nur 7.100 Euro. Allein beim Hochschulbau besteht in den Jahren 2009/10 eine Unterfinanzierung in Höhe von über 52 Millionen Euro.
Die FDP Sachsen bekennt sich zur staatlichen Grundfinanzierung der sächsischen Hochschulen. Nach unserer Auffassung sollte die Finanzierung jedoch mehr Leistungs- und Erfolgskomponenten beinhalten. Dazu müssen die Hochschulen bei Finanzen, Organisationsform als auch bei Personalentscheidungen die notwendigen Freiheiten erhalten.