Wahlprüfsteine HochschulpolitikWas die Parteien in Sachsen wollen
Aktuell sind im Sächsischen Landtag sechs Parteien vertreten: CDU (41,1% der Stimmen bei den letzten Wahlen), LINKE (als PDS 23,6%), SPD (9,8%), NPD (9,2%), FDP (5,9%) und GRÜNE (5,1%). Das führte zur ungleichsten "großen Koalition" aus CDU und SPD, die es in einem Bundesland wohl bisher gab - die CDU mehr als viermal stärker als die SPD.
In Sachsen ist der Wahlzettel recht lang, 16 Landeslisten stehen diesmal zur Wahl (2004 waren es 13). Hier zur Übersicht in der Reihenfolge, wie sie vermutlich auch auf dem Wahlzettel stehen werden. Die Parteien, die wir befragt hatten, sind mit ihren ausführlichen Antworten verlinkt.
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)
Mensch Umwelt Tierschutz (Die Tierschutzpartei)
Partei Bibeltreuer Christen (PBC)
Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)
Deutsche Soziale Union (DSU)
DIE REPUBLIKANER (REP)
Freie Sachsen - Allianz unabhängiger Wähler (Freie Sachsen)
Freiheitliche Partei Deutschlands (FP Deutschlands)
HUMANWIRTSCHAFTSPARTEI (HUMANWIRTSCHAFT)
Piratenpartei Deutschland (PIRATEN)
Sächsische Volkspartei (SVP)
Was sagen CDU, LINKE, SPD, GRÜNE und FDP?
Am 30. August 2009 sind in Sachsen Landtagswahlen - aus diesem Anlass unsere Wahlprüfsteine.
Den Landesvertretungen der auch im Bundestag vertretenen Parteien haben wir insgesamt sieben Fragen vorgelegt. Die Antworten im Detail können über die oben in der Parteiliste verlinkten Artikel nachgelesen werden. Im Folgenden haben wir versucht, die wichtigsten Unterschiede und Aussagen der Parteien herauszuarbeiten (wir haben uns dabei auf fünf der sieben Fragen beschränkt). Wenn wir im folgenden Parteien nennen, ist konkret natürlich immer der Landesverband Sachsen der jeweiligen Partei gemeint. Jeden Abschnitt führen mit einer kurzen Beschreibung des Ist-Zustandes ein.
Thema Zulassungsbeschränkungen / ZVS
In den letzten Jahren waren weit mehr als die Hälfte der Studiengänge zulassungsbeschränkt. Für die meisten Bewerbungen sind inzwischen die Hochschulen selbst zuständig. Das führte dazu, dass die BewerberInnen sich bei mehreren Hochschulen bewarben, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, überhaupt einen Platz zu bekommen. Da es keinen Abgleich zwischen den Hochschulen gibt, ist nach der ersten Runde vollkommen unklar, wie viele BewerberInnen die angebotenen Plätze überhaupt annehmen. Es kam teilweise zu langandauernden Nachrückverfahren. Ab 2011/2012 soll es ein neues Verfahren geben, bisher aber nur auf freiwilliger Basis.
Die CDU unterstützt das Vorhaben, die Vergabe von zulassungsbeschränkten Studienplätzen von der ZVS zu koordinieren. Den Hochschulen wird empfohlen, sich am geplanten Verfahren zu beteiligen.
Die LINKE möchte nach Möglichkeit die Studienplatzkapazitäten ausweiten. Wo dies nicht gelingt, will sie zumindest eine gezielte Förderung bisher unterrepräsentierter Gruppen an den Hochschulen mittels des Vergabeverfahrens ermöglichen. Die Rolle der ZVS soll dafür gestärkt werden, bundeseinheitliche Regelungen vereinbart werden.
Von der SPD heißt es kurz und bündig: "Wir Sozialdemokraten werden die Hochschulzulassung bundeseinheitlich regeln. Alle Hochschulen müssen beteiligt sein am zentralen Serviceverfahren."
Die FDP will dagegen die ZVS abschaffen und es den Hochschulen überlassen, wie sie ihre Studierenden aussuchen. Es solle lediglich ein bundesweites Clearing-Verfahren geben, an dem sich die Hochschulen beteiligen sollten.
Auch die Grünen wollen die ZVS in ihrer bisherigen Form nicht mehr, möchten das geplante Verfahren aber dadurch absichern, dass die Länder die Beteiligung ihrer Hochschulen garantieren und mitfinanzieren.
Thema Studien- und Rückmeldegebühren
Aktuell gibt es in Sachsen keine allgemeinen Studiengebühren, auch Rückmeldegebühren existieren nicht. Für ein Zweitstudium können Gebühren erhoben werden.
Die CDU möchte den aktuellen Stand beibehalten, allerdings offenbar Rückmeldegebühren ermöglichen – wobei jede Hochschule selbst entscheiden müsste, ob sie solche Gebühren erheben möchte.
Keinerlei Gebühren möchte die LINKE.
Die SPD betont, dass die Studiengebührenfreiheit (für das Erststudium) auf ihre Initiative hin ins Hochschulgesetz aufgenommen wurde. Zweitstudiengebühren sollten jedoch weiterhin möglich sein, wenn die jeweilige Hochschule dies möchte. Rückmeldegebühren werden abgelehnt.
Keine Rückmeldegebühren möchte die FDP, Studiengebühren jedoch ermöglichen. Dabei sollen die Hochschulen selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe genau sie solche erheben wollen (im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Leitlinien).
Bündnis 90/DIE GRÜNEN kann mit den Zweitstudiumsgebühren offenbar leben, auch bei weiterbildenden Mastern werden sie nicht ausgeschlossen. Ansonsten werden Gebühren jedoch ablegehnt. Rückmeldegebühren soll es nicht geben, die Semesterbeiträge (die zu einem Teil der Finanzierung der Grundaufgaben des Studentenwerke dienen) sinken, indem die Landeszuschüsse für die Studentenwerke erhöht werden.
Thema Studienfinanzierung (Studierenden-BAföG u.a.)
Das BAföG ist ein Bundesgesetz, die Länder können über den Bundesrat Einfluss nehmen. Die großen Stipendiatenorganisationen werden ebenso vor allem vom Bund finanziell unterstützt, die Länder können theoretisch eigene Programme ergänzen.
Erst einmal abwarten möchte die CDU, die darauf verweist, dass das BAföG ja erst 2008 erhöht wurde.
Die LINKE strebt eine Ausweitung und Erhöhung des BAföG an und lehnt gleichzeitig Studienkredite ab.
Die SPD spricht davon, das BAföG "regelmäßig" an die Lebenshaltsungskosten anzupassen.
Die FDP möchte das BAföG offenbar mittelfristig zugunsten von "zinsgünstigen" Studiendarlehen abschaffen und bei der Rückzahlung vor allem gute Leistungen durch Vergünstigungen honorieren. Weiterhin werden mehr Leistungsstipendien (unabhängig vom Einkommen der Eltern) gefordert, diese sollten auch vom Land mitfinanziert werden, Zielgröße soll die Förderung von 10% der Studierenden mit 300 Euro monatlich sein.
Auch die Grünen wollen das BAföG langfristig umbauen und zwar hin zu einem Bildungsgeld nach skandinavischem Vorbild. "Diese Bildungsgrundsicherung soll für alle Bildungsteilnehmer eine elternunabhängige und existenzsichernde Unterhaltsfinanzierung gewährleisten - egal ob für Abitur oder Ausbildung, Studium, zweiten Bildungsweg oder Weiterbildung. Das Bildungsgeld soll armutsfest sein und während unterschiedlicher Bildungsphasen innerhalb einer frei einteilbaren Lebensbildungszeit zur Verfügung stehen. Für die Erstausbildung innerhalb der ersten fünf Jahre soll das Bildungsgeld als reiner Zuschuss gewährt werden."
Thema Schüler-BAföG und andere Wege, mehr SchülerInnen zu Studierenden zu machen
Im internationalen Vergleich erreichen in Deutschland eher unterdurchschnittliche viele Menschen das Abitur. Eine Ursache (neben vielen anderen) mag die fehlenden finanzielle Absicherung sein. Schüler-BAföG gibt es zur Zeit für den Besuch eines regulären Gymnasiums oder einer Gesamtschule mit Abitur nur in wenigen Ausnahmefällen. Es gibt daher die Idee, das Schüler-BAföG entsprechend auszuweiten und bspw. allen SchülerInnen ab Klasse 11 zur Verfügung zu stellen (abhängig vom Einkommen der Eltern).
Die CDU sieht keinen Bedarf, das Schüler-BAföG auszuweiten. Die FDP meint, dafür sei kein Geld da und setzt eher auf "Finanzberatung" der Schüler.
Die LINKE ist dagegen unbedingt dafür, ebenso die SPD. Die Grünen verweisen auf ihr Bildungsgeld-Modell (s.o.), dass auch SchülerInnen einschließt (ab Volljährigkeit).
Thema Mitsprache der Studierenden an den Hochschulen und Entscheidungswege an den Hochschulen
In den letzten Jahren wurden praktisch in allen Bundesländern die Entscheidungsbefugnisse der Gremien, in denen Studierende, ProfessorInnen und andere MitarbeiterInnen der Hochschule vertreten sind, eingeschränkt. Die oft angesprochene "Autonomie" der Hochschulen bezog sich nie auf die Studierenden, sondern immer darauf, dass die Hochschulleitungen mehr Entscheidungsbefugnisse bekamen und die Verwendung der Landesgelder nicht mehr im Detail vorgeschrieben wurde. Wir erwähnten in unser Frage an die Parteien bewusst auch (ohne explizit die Studierenden zu nennen, auch wenn wir vorrangig, wenn auch nicht ausschließlich, deren Mitwirkungsmöglichkeiten meinten) das Stichwort "Demokratisierung".
Die CDU betont, dass funktionierende Selbstverwaltungsstrukturen "nicht nur von unten nach oben, sondern [...] genau so von oben nach unten gedacht werden [müssen]".
Die LINKE will dagegen eine paritätische Vertretung aller Hochschulangehörigen (1/4 Stimmen je von Profs, Studierenden, Mittelbau und sonstigen MitarbeiterInnen) in allen relevanten Gremien erreichen. Gleichzeitig soll den Hochschulen durchaus auch mehr Autonomie vom Land gewährt werden.
Die SPD geht davon aus, dass die von ihr mitgetragenen Änderungen im Hochschulgesetz genug Mitspracherechte der Hochschulangehörigen vorhanden sind. Sie verweist darauf, dass erstmals ein Rektor auch vom erweiterten Senat abgewählt werden könne.
Die FDP geht ausführlich darauf ein, in welchen Punkten den Hochschulen zukünftig noch weniger vom Land vorgeschrieben werden solle. Selbst das Mitbestimmungsrecht (oder eben das Fehlen desselben) der Studierenden sollen "die Hochschulen" (also wohl die aktuellen Gremien, in denen die Profs immer die Mehrheit haben) vollständig allein regeln sollen – auch das wird als "Wettbewerbs- und Qualitätsfaktor" angesehen.
Die Grünen wollen Autonomie und Mitbestimmung verbinden und weiterentwickeln. "Während in akademischen Fragen der Forschung und Lehre weiterhin die Mehrheit der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sinnvoll und verfassungsrechtlich geboten ist, müssen in allen anderen Fragen die Mitgliedergruppen der Hochschule gleichberechtigt agieren können. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern deshalb Entscheidungen durch die Viertelparität der Mitgliedergruppen in allen grundsätzlichen Angelegenheiten der Hochschule wie Grundordnung, Haushalt, Stellenplanung und Entwicklungsplanung der Hochschule."