Wahlprüfsteine HochschulpolitikWas die Parteien in Thüringen wollen
Aktuell sind im Thüringer Landtag nur drei Parteien vertreten: CDU (43% der Stimmen bei den letzten Wahlen), LINKE (als PDS 26,2%) und SPD (14,5%). Obwohl die CDU von der absoluten Mehrheit der Stimmen einiges entfernt war, kam sie wegen der vielen Stimmen, die an Parteien gingen, die wegen der 5%-Hürde nicht ins Parlament einzogen, auf die Mehrheit der Sitze und konnte alleine die Regierung stellen.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN waren auf 4,5% der Stimmen gekommen, die FDP auf 3,6%. Die Freien Wähler als erste Gruppierung, die nicht im Bundestag vertreten ist, konnten immerhin 2,6% der Stimmen auf sich vereinigen.
Am 30. August 2009 sind in Thüringen Landtagswahlen - aus diesem Anlass unsere Wahlprüfsteine.
In Thüringen ist der Wahlzettel diesmal relativ kurz, nur neun Landeslisten stehen diesmal zur Wahl (2004 waren es noch 14 gewesen). Hier zur Übersicht in der Reihenfolge, wie sie vermutlich auch auf dem Wahlzettel stehen werden. Die Parteien, die wir befragt hatten, sind mit den ausführlichen Antworten verlinkt.
DIE REPUBLIKANER (REP)
Freie Wähler in Thüringen
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)
Ökologisch-Demokratische Partei (ödp)
Was sagen CDU, LINKE, SPD, GRÜNE und FDP?
Den Landesvertretungen der auch im Bundestag vertretenen Parteien haben wir insgesamt sieben Fragen vorgelegt. Die Antworten im Detail können über die oben in der Parteiliste verlinkten Artikel nachgelesen werden. Im Folgenden haben wir versucht, die wichtigsten Unterschiede und Aussagen der Parteien herauszuarbeiten (wir haben uns dabei auf fünf der sieben Fragen beschränkt). Wenn wir im folgenden Parteien nennen, ist konkret natürlich immer der Landesverband Thüringen der jeweiligen Partei gemeint. Jeden Abschnitt führen mit einer kurzen Beschreibung des Ist-Zustandes ein.
Thema Zulassungsbeschränkungen / ZVS
In den letzten Jahren waren weit mehr als die Hälfte der Studiengänge zulassungsbeschränkt. Für die meisten Bewerbungen sind inzwischen die Hochschulen selbst zuständig. Das führte dazu, dass die BewerberInnen sich bei mehreren Hochschulen bewarben, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, überhaupt einen Platz zu bekommen. Da es keinen Abgleich zwischen den Hochschulen gibt, ist nach der ersten Runde vollkommen unklar, wie viele BewerberInnen die angebotenen Plätze überhaupt annehmen. Es kam teilweise zu langandauernden Nachrückverfahren. Ab 2011/2012 soll es ein neues Verfahren geben, bisher aber nur auf freiwilliger Basis.
Die CDU unterstützt das geplante Verfahren, betont aber auch, dass Hochschulen Studienplätze (auch) außerhalb zentraler Vergabeverfahren direkt vergeben können. "Zentrales Element eines übersichtlichen und einfach handhabbaren Vergabesystems ist unserer Ansicht nach die Internetplattform, auf der noch unbesetzte Studienplätze schnell gefunden werden können.", schreibt sie abschließend.
"Wer über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügt, muss das Recht auf einen Studienplatz haben – und nicht nur das Recht auf Teilnahme an einem Auswahlverfahren.", sagt dagegen die LINKE und will dieses Recht in einem Bundesgesetz für die Hochschulzulassung regeln.
Die SPD kritisiert die (von der Bundespartei mitgetragene) Föderalismusreform I und ihre Auswirkungen auf die Bildungspolitik. "Ob Länder und HRK tatsächlich in der Lage sind, künftig ein abgestimmtes Zulassungsverfahren zu organisieren, muss sich noch zeigen. Daher ist nach unserer Auffassung notfalls der Bund in der Pflicht, für eine einheitliche Hochschulzulassung zu sorgen.", schreibt die SPD.
Die GRÜNEN betonen, dass ihnen Hochschulautonomie wichtig sei, offenbar auch in Sachen Zulassungen. Gleichzeitig müssten Hochschulen "konsequent barrierefrei" sein.
Von Seiten der FDP wird betont, dass sowohl Studierende sich ihre Hochschule als auch die Hochschulen sich ihre Studierenden auswählen sollten. Die Hochschulen sollten sich, um mit der Problematik der Mehrfachbewerbungen besser umgehen zu können, am geplanten bundesweiten Clearing-Verfahren beteiligen.
Thema Studien- und Rückmeldegebühren
Aktuell gibt es in Thüringen keine allgemeine Studiengebühren oder solche für langes Studium. Bei Immatrikulation bzw. Rückmeldung fallen jedoch 50 Euro Gebühren an.
Die CDU will an den bestehenden Rückmeldegebühren festhalten, auf allgemeine Studiengebühren aber weiterhin verzichten.
LINKE und GRÜNE lehnen alle Gebühren ab. Die SPD spricht davon, für ein gebührenfreies Studium sorgen zu wollen, spricht allerdings an einigen Stellen explizit von allgemeinen Studiengebühren, die sie ablehnen würde. Theoretisch wären mit ihr also "Langzeitstudiengebühren" denkbar, wenn auch nicht wahrscheinlich.
Die FDP dagegen spricht sich gegen die Rückmeldegebühren aus, könnte sich aber allgemeine Studiengebühren vorstellen, die aber in der Verantwortung der Hochschulen liegen sollen (ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen).
Thema Studienfinanzierung (Studierenden-BAföG u.a.)
Das BAföG ist ein Bundesgesetz, die Länder können über den Bundesrat Einfluss nehmen. Die großen Stipendiatenorganisationen werden ebenso vor allem vom Bund finanziell unterstützt, die Länder können theoretisch eigene Programme ergänzen.
Die CDU kündigt ein "Landesausbildungsförderungsgesetz" (LAföG) an, dass vorhandene und neue Studienfördersysteme bündeln soll. "Begabten Studenten soll das LAföG als "Leistungs-Stipendium" gewährt werden. Daneben kann es als monatliche Unterstützung beantragt werden, deren Rückzahlung sich nach Studienabschluss mit jedem Jahr, in der Absolventen in Thüringen wohnen und arbeiten, verringert."
Die LINKE will langfristig ein "elternunabhängiges, bedarfsdeckendes BAföG für alle Studierende ohne Rückzahlungspflicht" erreichen.
Ziel der GRÜNEN ist es, jeden Studierenden elternunabhängig zu fördern. Wie genau, darauf gehen sie nicht ein, meinen aber wahrscheinlich das Modell der Bundes-GRÜNEN. Explizit sprechen sie noch an, dass auch das Studentenwerk in Thüringen ausreichend finanziert werden müsse.
Die SPD will sich dafür einsetzen, dass das BAföG kontinuierlich angepasst wird. Das langfristige Ziel sei ein "elternunabhängiges und tatsächlich bedarfsgerechtes BAföG".
Von der FDP kommen ganz andere Vorschläge: Sie setzt vor allem auf eine besser Beratung der (zukünftigen) Studierenden in Bezug auf die Finanzierungsmöglichkeiten. Zusätzlich solle das private Bildungssparen gefördert werden.
Thema Schüler-BAföG und andere Wege, mehr SchülerInnen zu Studierenden zu machen
Im internationalen Vergleich erreichen in Deutschland eher unterdurchschnittliche viele Menschen das Abitur. Eine Ursache (neben vielen anderen) mag die fehlenden finanzielle Absicherung sein. Schüler-BAföG gibt es zur Zeit für den Besuch eines regulären Gymnasiums oder einer Gesamtschule mit Abitur nur in wenigen Ausnahmefällen. Es gibt daher die Idee, das Schüler-BAföG entsprechend auszuweiten und bspw. allen SchülerInnen ab Klasse 11 zur Verfügung zu stellen (abhängig vom Einkommen der Eltern).
Die CDU verweist darauf, dass in Thüringen im Deutschland-Vergleich viele Arbeiterkinder im Gymnasium seien. Auf eine Ausweitung des Schüler-BAföG geht sie nicht ein, sondern stellt lediglich den Status Quo dar, der ihr offenbar genügt.
Die LINKE kann sich mit dieser Idee auch anfreunden, betont aber, dass es viele andere Ursachen dafür gibt, warum es (vor allem aus den sozial schlechter gestellten Schichten) wenig AbiturientInnen gibt. Diese seien auch dringend anzugehen.
Die SPD unterstützt die Idee der Ausweiung des Schüler-BAföG eindringlich.
Auch die GRÜNEN fänden die Ausweitung des Schüler-BAföGs richtig. Konkret regen sie noch an, dass "Kosten für Lehr- und Lernmittel oder auch die Beförderung zumindest für Kinder aus einkommensschwachen Familien während des gesamten Schulbesuchs vom Land übernommen werden".
Für mehr Beratung von SchülerInnen auch in Hinsicht auf Finanzierungsmöglichkeiten plädiert dagegen die FDP. Eine Ausweitung des Schüler-BAföG sieht sie als nicht realisierbar an und glaubt auch nicht, dass dies spürbare Auswirkungen auf die Zahl der Hochschulzugangsberechtigten hätte.
Thema Mitsprache der Studierenden an den Hochschulen und Entscheidungswege an den Hochschulen
In den letzten Jahren wurden praktisch in allen Bundesländern die Entscheidungsbefugnisse der Gremien, in denen Studierende, ProfessorInnen und andere MitarbeiterInnen der Hochschule vertreten sind, eingeschränkt. Auch in Thüringen wurde bspw. die Wahl des Rektors bzw. Präsidenten inzwischen dem Hochschulrat zugewiesen, in dem keine oder nur zu einem Drittel Hochschulmitglieder vertreten sind. Studierende sind dort faktisch nie vertreten. Die oft angesprochene "Autonomie" der Hochschulen bezog sich nie auf die Studierenden, sondern immer darauf, dass die Hochschulleitungen mehr Entscheidungsbefugnisse bekamen und die Verwendung der Landesgelder nicht mehr im Detail vorgeschrieben wurde. Wir erwähnten daher (ohne explizit die Studierenden zu nennen, auch wenn wir vorrangig, wenn auch nicht ausschließlich, deren Mitwirkungsmöglichkeiten meinten) das Stichwort "Demokratisierung".
Von Seiten der CDU wird lediglich darauf verwiesen, dass die Studierenden sich als Studierendenschaft organisieren dürfen und im Rahmen der Konferenz Thüringer Studierendenschaften auch Gelegenheit haben, Stellungnahmen gegenüber dem Ministerium abzugeben. "Gestärkt werden kann diese Möglichkeit der Mitbestimmung zusätzlich, indem es den Studierendenschaften gelingt, noch mehr Studierende für ihre wichtige Arbeit zu interessieren.", wird dazu ergänzt.
Auch die LINKE will mehr Autonomie für die Hochschulen, gleichzeitig aber auch alle Hochschulangehörigen paritätisch in den Hochschulgremien beteiligen. Den Studierendenschaften solle das politische Mandat zugewiesen werden, die "Konferenz Thüringer Studierendenschaft" eine rechtsfähige Körperschaft werden.
Die SPD will dem Hochschulsenat wieder einige Befugnisse zurückgeben, die zwischenzeitlich an den Hochschulrat gefallen waren, so die Wahl und Abwahl von Rektor, Präsident und Kanzler. Die Studierenden sollen mind. 20% der Stimmen im Senat bekommen, der Personalrat eine beratende Stimme.
Von den GRÜNEN wird betont, dass die Hochschulen noch mehr Autonomie bekommen sollten (vor allem in Haushalts- und Personalfragen), gleichzeitig aber die Studierenden bei allen wichtigen Fragen, die Hochschule betreffend, mit eingebunden und beteiligt werden.
Schließlich betont auch die FDP, die Autonomie der Hochschulen weiter ausbauen zu wollen. "Wir werden den Hochschulen Finanz-, Personal- und Organisationsentscheidungen übertragen und die ministerielle Detailsteuerung 'von oben' beenden.", heißt es. Die Hochschulen sollten selbst entscheiden, wie sie jeweils die Mitwirkungsmöglichkeiten der Studierenden regeln wollen. "Anzumerken ist, dass Mitwirkungsmöglichkeiten natürlich auch eine Verpflichtung sind, die die Studenten wahrgenommen werden muss. Dies erweist sich gelegentlich als problematisch."