"Bologna-Konferenz"Klitzekleine Zugeständnisse nach Bildungsstreik
Der letztlich dezentral organisierte Bildungsstreik ist für Politiker schwer fassbar. Denn die wollen immer gern mit "dem" Verantwortlichen sprechen, mit "offiziellen" VertreterInnen. Insofern waren auf dem Treffen mit Bundesbildungsministerin Schavan "echte" TeilnehmerInnen des Bildungsstreiks kaum vertreten (LHG und RCDS lehnten den Bildungsstreik explizit ab). Statt dessen durften Vertreter der Partei-nahen Hochschulgruppen (die an vielen Hochschulen aber nur eine Minderheit der politischen Studierendengruppen darstellen) und des studentischen Dachverbands fzs teilnehmen.
Gespräch unsinnig?
Die Problematik des Übergangs zwischen Bachelor und Master war nur eines der Themen beim Gespräch mit Bundesbildungsministerin Schavan, Studierenden und HochschulvertreterInnen
Vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren wurde das Gespräch schon im Vorfeld als "unsinnig" bezeichnet. "Die sogenannte Bologna-Konferenz ist eine reine Prestige- und Präsentationsveranstaltung, die über die tatsächliche Machtlosigkeit und Unfähigkeit des Bundesbildungsministerium hinwegtäuschen soll. Wir rufen dazu auf, sich am Schavansinn in Berlin nicht zu beteiligen und stattdessen Gegenaktionen zur Konferenz zu unterstützen", erklärte Malte Clausen, Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS).
"Das von Frau Schavan anberaumte Treffen ist eine Farce im Stile ihrer sonstigen Bildungspolitik. Anstatt sich mit den Akteurinnen und Akteure vor Ort auseinanderzusetzen, will die Ministerin schöne Pressefotos, die nicht für die vielen unterschiedlichen Individuen sprechen können, von denen der Bildungsstreik mit Leben gefüllt wurde. Die Berufspolitiker_innen sollen von ihrem hohen Ross runter kommen und endlich ernsthafte Diskussionen mit den lokalen Streikbündnissen beginnen", so Jessica Castro Merino, ebenfalls Geschäftsführerin des ABS.
Zu Aktionen kam es zwar letztlich nicht, ganz falsch waren die Anmerkungen des ABS jedoch nicht. Am Rande bemerkt: Ministerin Schavan dürfte so oder so nicht mehr viel bewirken können – die Legislaturperiode ist bald vorbei und wie man in einigen Medien hört, dürfte sie im nächsten Kabinett nicht mehr dabei sein, selbst wenn die CDU erneut die Regierung stellen kann und über diesen Ministerposten verfügen könnte.
Hinzu kommt in der Tat: Wie soll eine Ministerin, die ihren eigenen Posten selbst mehr und mehr entmachtet hat und schon als Landesministerin gefordert hat, der Bund solle alle Kompetenzen im Bildungsbereich an die Länder geben (zum Großteil war das schon immer so, sie will aber auch noch die letzten Reste abgeben), real etwas erreichen? Ohne Gesetzgebungskompetenz kann man letztlich nichts durchsetzen.
Wer war dabei?
Dabei waren bei der Konfeernz schließlich weniger VertreterInnen des Bildungsstreiks, sondern nur vor allem von den mehr oder weniger Partei-nahen Gruppen RCDS (CDU/CSU), Juso-Hochschulgruppen (SPD), Campusgrün (Grüne) und Bundesverband der Liberalen Hochschulgruppen (FDP). RCDS und Liberale hatten sich seinerzeit deutlich gegen den Bildungsstreik gestellt, Jusos und Grüne unterstützten ihn. Dazu kamen beim Gespräch VertreterInnen der kirchlichen Hochschulgruppen ESG und KHG. Und schließlich der studentische Dachverband fzs (ebenfalls Unterstützer des Streiks).
Neben den Studierenden waren noch Vertreter von Gewerkschaften (DGB, GEW), vom Deutschen Studentenwerk und vom Deutschen Hochschulverband anwesend. Komplettiert wurde die Runde durch die Vorsitzenden von Hochschulrektorenkonfernz und Kultusministerkonferenz.
Top oder Flop?
Die Bewertungen, was das insgesamt vierstündige Gespräch letztlich gebracht hat, liegen fast erwartungsgemäß weit auseinander.
Das Bundesbildungsministerium versucht in seiner Pressemitteilung den Anschein zu erwecken, das Gespräch sei ein voller Erfolg gewesen und alle seien sich (mehr oder weniger) einig. Der einzige Punkt, bei dem sie wohl die volle Unterstützung der Bildungsstreikenden haben dürfte, dürfte ihre Aussage sein, der Übergang vom Bachelor zum Master müsse problemlos möglich sein. Hier fügte Schavan hinzu, sie sei gegen eine Quote. Allerdings kann sich mit dieser Aussage niemand etwas kaufen: Konkrete, will sagen gesetzliche, bundesweite Vorschriften will sie keine.
Das ist denn auch ein Kritikpunkt des studentischen Dachverbandes fzs (der das ganze Gespräch als Flop bezeichnet). "Nicht einmal in den nach der Föderalismusreform verbliebenen Kompetenzfeldern, nämlich in der Regelung von Hochschulzugang und Hochschulabschlüssen war Handlungsbereitschaft zu erkennen.", heißt es in der fzs-Presseerklärung. Ganz allgemein bedauert der fzs, dass im Bildungsbereich die Kompetenzen des Bundes in Sachen Bildung im Rahmen der Föderalismusreform weiter eingeschränkt und an die Länder gegeben wurden. Vor allem will die CDU/CSU ja in der nächsten Legislaturperiode sogar die letzten Reste des Hochschulrahmengesetzes abschaffen.
Der Unions-nahe RCDS zeigte sich erfreut, dass sich Bundesbildungsministerin Schavan der Probleme annimmt. Wenn man sich die Aussagen der anderen TeilnehmerInnen des Gesprächs ansieht, bleibt aber die Frage, was das konkret sein soll. Viel offenbar nicht ...
Die Juso-Hochschulgruppen kritisierten, dass zentrale Forderungen des Bildungsstreiks von Frau Schavan komplett ignoriert wurden. Nämlich die nach Abschaffung der bestehenden Studiengebühren und mehr demokratischen Mitspracherechten in den Hochschulen. Positiv sahen sie die Aussage, das Masterstudium solle ohne Quotenregelungen für alle Bachelor-AbsolventInnen zugänglich sein. Dies wurde offenbar auch von den VertreterInnen von HRK und KMK zugesichert – was etwas mehr wert ist, als die bloße Forderung der Bundesministerin.
Von campusgrün wurde in einer Pressemitteilung kritisiert, "dass kein Dialog zwischen der Ministerin und den Studierenden stattgefunden hat. Stattdessen hat Frau Schava sich die Positionen der Teilnehmenden angehört. Dabei hat sie den Eindruck erweckt, sie würde zum ersten Mal von der Kritik an der Umsetzung des Bologna-Prozess hören. Es war weder eine inhaltlich Vorbereitung zu den bekannten Positionen des Bildungsstreikes erkennbar, noch hat sie eigene Positionen dargelegt. Lediglich am Ende Veranstaltung teilte die Minsterin der Runde mit, was sie jetzt der Presse berichten werde. Ein Diskussion dazu war nicht vorgesehen."
Was bleibt?
Das Versprechen der VertreterInnen von KMK und HRK (das letztlich auch keine Garantie ist, da es Sache der Länder bleibt, ihre Hochschulen entsprechende Anweisungen zu erteilen bzw. Sache der Hochschulen, das wirklich so umzusetzen), es solle keine Quoten beim Übergang zum Master geben, fast das einzig Greifbare. Alles andere bleibt vage. Vor den Bundestagswahlen ist sowieso nichts mehr zu erwarten, danach werden die Karten so oder so neu gemischt.
Die Diskussion geht also weiter – aber wird sich auch real etwas ändern?
Die Aktiven des Bildungsstreiks jedenfalls treffen sich zur möglichen Vorbereitung und Koordination weiterer Aktionen (die wohl nötig sein dürften ...) in den nächsten Wochen sogar mehrfach. So vom 10. bis 12. Juli in Bonn und vom 29. Juli bis 04. August in Frankfurt/Main. Nähere Infos dazu auf den Seiten der Bildungsstreik-Koordination.
Quellen und Hintergründe
- Schavan: "Bologna-Reform gemeinsam weiterentwickeln" (Pressemitteilung 171/2009 des BMBF, 07.07.2009)
- Bologna-Konferenz der Bundesbildungsministerin gefloppt / Studentischer Dachverband stellt fest: "Sinnvolle Bildungspolitik mit Ministerin und CDU scheint unmöglich" (Pressemitteilung des fzs, 07.07.2009)
- Bologna-Prozess anerkennen (Pressemitteilung des RCDS, 07.07.2009)
- Master für alle! Jetzt konkret werden! (Pressemitteilung der Juso-Hochschulgruppen, 07.07.2009)
- Dialog ist etwas anderes - Zur Bologna-Konferenz bei Ministerian Schavan (Pressemitteilung von campusgrün, 07.07.2009)
- HRK-Präsidentin für offene Diskussion zur Weiterentwicklung der Studienreform - "Thementag Bologna" geplant (Pressemitteilung der HRK, 07.07.2009)