Wahlprüfsteine HochschuleWahlen zum Bundestag: Was DIE LINKE will
Die Bundesregierung plant gemeinsam mit den Ländern ein kompliziertes Onlineverfahren zur Vergabe von Studienplätzen. DIE LINKE lehnt dies ab, denn es ist nicht auf die Bedürfnisse der Studierenden zugeschnitten, sondern vielmehr perfektioniert es die Auslese von Studierwilligen. Sie müssen sich endlos vielen Auswahlverfahren unterziehen – bundesweit können so bis zu zwölf Durchgänge zusammenkommen – wenn sie eine Chance auf einen der begehrten Studienplätze haben wollen.
Um die Hochschulen zu öffnen, fordert DIE LINKE stattdessen zusätzliche Studienplätze und ein bundesweites Hochschulzulassungsgesetz. Dieses soll dem jetzigen Chaos Abhilfe schaffen und die Studienplatzvergabe und den Hochschulzugang für Menschen ohne Abitur verbindlich und einheitlich regeln. NCs und individuelle Auswahlverfahren werden auf diese Art und Weise überflüssig. Alle Studierwilligen haben das Recht auf freie Berufswahl und müssen deshalb auch einen Studienplatz bekommen.
Es ist zu befürchten, dass das Gerangel um die Studienplätze mit den doppelten Abiturjahrgängen noch zunimmt. Bund und Länder verzögerten lange mehr Mittel für zusätzliche Studienplätze. Leider konnten sie sich kürzlich nur auf viel zu wenige und schlecht ausfinanzierte Plätze einigen. Gerade in der Krise ist schlägt die LINKE deshalb vor, große Unternehmen und Millionäre stärker zu besteuern, um mehr Geld in Bildung investieren zu können wie DIE LINKE es vorschlägt.
2. Die gesicherte Studienfinanzierung ist ein entscheidender Punkt, um Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten ein Studium zu ermöglichen. In Deutschland spielen hierfür Unterhaltsrecht und BAföG zusammen, nicht immer optimal. Welche Vorstellungen haben Sie in diesen Bereichen für eine Weiterentwicklung?
Insgesamt gehen 44 Prozent aller staatlichen Subventionen der Studienfinanzierung, Steuerfreibeträge und Kindergeld, an die Eltern und nicht an die Studierenden. Dieses System fördert damit die Abhängigkeit der Studierenden von ihren Eltern und deren Geldbeutel.
DIE LINKE spricht sich für ein "Zwei-Körbe-Modell" aus. DIE LINKE will auf diese Weise eine verlässliche Studienfinanzierung ermöglichen. Der erste Korb soll hierbei aus einem für alle Studierenden einheitlichen Sockelbetrag bestehen, in dem alle kindbezogenen Transferleistungen und Freibeträge, zum Beispiel Kindergeld und Steuerfreibeträge für die Eltern, zusammengefasst werden und direkt an die Studierenden fließen. Der zweite Korb soll aus einem – in einem ersten Schritt elternabhängigen – Zuschussteil bestehen, der schrittweise hin zur Elternunabhängigkeit ausgeweitet wird, denn Studierende sind erwachsene Menschen, deren Bildungsweg nicht vom guten Willen der Eltern abhängig sein sollte. So kann der Weg zu einer elternunabhängigen, bedarfsdeckenden und repressionsfreien Studienfinanzierung für alle Studierenden bei individuellem Bedarf geöffnet werden. Gezahlt werden soll diese für die Zeit der durchschnittlichen Studiendauer.
Der Staat gibt derzeit für Studierende aus einkommensstarken Elternhäusern fast genauso viel Geld aus wie für einkommensschwache, so eine Studie des Hochschul- Informations-System HIS. Denn Steuererleichterungen für studierende Kinder kommen vor allem wohlhabenden Eltern zu Gute. Das BAföG, das Studierenden aus einkommensschwachen Elternhäusern zur Verfügung steht, wird immer weiter ausgehöhlt. Die Erhöhung der BAföG-Sätze um zehn Prozent seit 2008 reicht noch nicht einmal, um die Inflation auszugleichen und den Stand von 2001 wieder zu erreichen.
Bei den einkommensschwachen Studierenden verursacht die staatliche Förderung Schulden, bei den Reichen nicht, denn das BAföG muss zur Hälfte zurückgezahlt werden. Ergebnis der staatlichen Förderung ist eine verschärfte soziale Ungleichheit. DIE LINKE fordert deshalb, das BAföG wieder auf einen Vollzuschuss umzustellen, denn die Aussicht, am Ende des Studiums vor einem Schuldenberg zu stehen, schreckt gerade junge Menschen aus nichtakademischen Elternhäusern vom Studium ab. 83 Prozent aller Akademikerkinder nehmen ein Studium auf, aber nur 17 Prozent aller Arbeiterkinder.
3. Es gibt die Idee, das Schüler-BAföG auszuweiten und insbesondere für SchülerInnen der Oberstufe auch dann eine Förderung zu ermöglichen, wenn sie noch bei ihren Eltern wohnen können. Unterstützen Sie eine solche Ausweitung oder wie sind Ihre Vorstellungen, mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
DIE LINKE will ein umfassendes BAföG für alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 11 einführen, auch dann, wenn sie bei den Eltern wohnen. DIE LINKE fordert zudem "eine Schule für alle" statt dem gegliederten Schulsystem. So können die soziale Auslese beendet und alle Schülerinnen und Schüler individuell gefördert werden.
4. Regelungen zu Studiengebühren sind zwar laut Bundesverfassungsgericht Sache der Länder. Trotzdem kann der Bund natürlich Einfluss nehmen. In welcher Weise sollte er das aus ihrer Sicht tun?
DIE LINKE fordert, Studien- und Bildungsgebühren im Grundgesetz zu verbieten. Dieser Weg stünde der Bundesregierung auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Januar 2005 offen. Die Bundesregierung ist noch nicht einmal für minimale Verbesserungen für von Studiengebühren Betroffene bereit: es wäre das Mindeste BAföG-EmpfängerInnen von der Gebührenpflicht in allen Bundesländern auszunehmen bzw. die Länder, die von den Gebühren profitieren, den Mehrbedarf im BAföG zahlen zu lassen. Gemeinsam mit Studierendenschaften und Gewerkschaften kämpft DIE LINKE dafür, dass Studiengebühren jeglicher Form abgeschafft werden.
Studiengebühren verbessern die Lehre nicht. Die Hochschulen der Gebührenländer haben ihre Ausgaben 2007 nahezu in exakt gleichem Maß gesteigert wie die Unis ohne Gebühren. Anders formuliert: die Länder haben unterm Strich gespart. Gebühren verschärfen aber die soziale Auslese. Sie zwingen Studierende, ihre Studienentscheidung nach Renditeaussichten ihres Fachs zu treffen, um das spätere Verschuldungsrisiko abzumildern. Außerdem sind Frauen durch das Bezahlstudium besonders benachteiligt, denn sie verdienen durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Daneben führen Betreuungsunterbrechungen für Angehörige dazu, dass sie deutlich länger als Männer Studiengebühren zurückzahlen. DIE LINKE fordert ein gebührenfreies Studium – damit ein Studium nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt.
5. Ist die Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass die inzwischen eingeführten Abschlüsse Bachelor und Master unabhängig von der Hochschulart gleichwertig sein sollen, noch zweckmäßig? Wenn ja, warum; wenn nein, was planen Sie stattdessen?
Wir stellen uns gegen ein Zwei-Klassen-System in der Hochschullandschaft. Wir wollen, dass Bachelor und Master an Universitäten und Fachhochschulen tatsächlich als gleichwertig anerkannt werden. Über die Unterscheidung von forschungs- und anwendungsorientierten Masterstudiengängen versuchen die KultusministerInnen, die alte Hierarchie zwischen Unis und FH’s durch die Hintertür wieder einzuführen. So wird den AbsolventInnen von Fachhochschulen weiterhin der Wechsel an eine Universität erschwert und die Promotionsberechtigung wird nach wie vor häufig in Frage gestellt. Nicht zuletzt erhalten FH-AbsolventInnen beim Berufseinstieg weniger Lohn. Wir unterstützen die Gewerkschaften in ihrer Forderung, die tarifliche Eingruppierung von Bachelor- und Master-AbsolventInnen der FH’s den Uni-AbsolventInnen gleich zu stellen. Die öffentliche Hand sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und die Ungleichbehandlung von FH- und Uni-AbsolventInnen in den Laufbahnen des öffentlichen Dienstes endlich beenden.
Es gibt keinen Grund, "theorieorientierte" Bildung pauschal für höherwertig zu halten als "praxisorientierte". Trotzdem hat diese Sichtweise in der Bundesrepublik Tradition. Dies führt auch dazu, dass Berufserfahrung und Qualifikationen aus der beruflichen Bildung von den deutschen Hochschulen kaum anerkannt werden. In kaum einem anderen Land ist der Hochschulzugang aus der beruflichen Praxis so schwierig wie hier und wird so wenig wahrgenommen. DIE LINKE tritt dafür ein, dass der Hochschulzugang für BewerberInnen ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung deutlich ausgebaut wird.
6. Ohne eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Hochschulen ist gute Lehre nicht möglich. Darüber sind sich eigentlich alle einig. Trotzdem scheint es - egal in welchem Bundesland und unter welcher Regierung - nach wie vor nicht zu einem echten Durchbruch zu kommen. Gelder werden lieber für Leuchtturmprojekte ausgegeben (von denen nur wenige profitieren), die Forschung gestärkt (für Studierende ebenfalls kaum ohne Auswirkungen) und für die Lehre bleibt am Ende vielleicht ein kleiner Preis übrig. Was wollen Sie tun, damit es wirklich zu einer nachhaltigen Verbesserung kommt, sowohl was die bauliche, aber auch personelle Ausstattung angeht? Vor allem auch unter dem Aspekt, dass die Hochschulen heute teilweise schon fast sittenwidrige Löhne zahlen (vor allem bei studentischen Hilfskräften, Honorarprofessuren und vielen wissenschaftlichen Mitarbeitern).
Die Hochschulen sind chronisch unterfinanziert. Sie sind damit zunehmend von Spendengeldern und den im Wettbewerb vergebenen Drittmitteln abhängig gemacht worden. Die mit Milliarden geförderte Exzellenzinitiative kommt ausschließlich der Forschung an wenigen Universitäten zu Gute. Die Betreuung in der Lehre verschlechtert sich.
DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die Ausgaben für Bildung deutlich aufgestockt werden. Unser Ziel ist es, die öffentlichen Bildungsausgaben auf sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Gleichzeitig müssen Kürzungen bei sinkendem Bruttoinlandsprodukt ausgeschlossen werden. Bundesweit stünden damit für Ganztagsschulen, eine bessere Ausstattung der Schulen mit Personal, flächendeckende Kita-Versorgung, Erhöhung der Anzahl der Studierenden und eine bessere Finanzierung der Aus- und Weiterbildung 50 Milliarden mehr zur Verfügung als heute. So könnte auch die öffentliche Finanzierung aller Hochschulen deutlich aufgestockt werden und die Betreuungsrelation im Interesse von Studierenden und Lehrenden verbessert werden. DIE LINKE setzt sich deshalb für einen Hochschulpakt ein, der die tatsächlichen Kosten eines Studienplatzes berücksichtigt und ausreichend Studienplätze schafft. Einer weiteren Exzellenzrunde erteilte DIE LINKE hingegen eine Absage.
Der Ausbreitung prekärer Beschäftigung im Wissenschaftsbereich zum Beispiel bei Lehrbeauftragten, Promovierenden, PrivatdozentInnen und befristet beschäftigen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern muss entschlossen entgegengetreten werden. Hauptfeld dieser Auseinandersetzung ist nach der Föderalismusreform das Hochschulrecht der Länder. Lehraufträge werden ohne vertragliche Bindung und ohne jegliche Absicherung von Semester zu Semester vergeben. Die Vergütung ist nicht sozialversicherungspflichtig und berücksichtigt keine Vor- und Nachbereitungszeiten. Lehrbeauftragte werden so gering oder gar nicht vergütet, dass viele derzeit Hartz IV beantragen müssen. Dies kann weder mit individuellen Qualifizierungserfordernissen noch mit wissenschaftsspezifischen Flexibilitätsansprüchen begründet werden, sondern dient schlicht der Verbilligung der entsprechenden Tätigkeiten – zumeist in der Lehre.
Lehraufträge sind auf ihre eigentliche Aufgabe, den Transfer von externem Wissen, zurückzuführen und als befristeter Nebenerwerb zu konzipieren. Alle Beschäftigungsverhältnisse sind arbeitsvertraglich, ggf. bei Lehraufträgen honorarvertraglich zu regeln. Die Lehraufträge dürfen nicht mehr als 20% der Lehrveranstaltungen ausmachen. Für Daueraufgaben sind unbefristete Dauerstellen einzurichten. Die Daueranstellung für wissenschaftliche und sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleibt das Leitbild für linke Wissenschaftspolitik und steht einer individuellen Karriereplanung nicht nur nicht im Wege, sondern ermöglicht diese erst.
Für studentische Beschäftigte fordert DIE LINKE eine gesetzliche Regelung für Mindestbeschäftigungszeiten von einem Semester, das Recht auf unbezahlten Sonderurlaub bei Prüfungen und Praktika, eine angemessenen Mindestlohn und Urlaubsanspruch durch eine tarifvertragliche Absicherung.
Für eine unabhängige Wissenschaft ist allerdings nicht nur eine ausreichende Finanzierung notwendig. Damit die Ziele und Methoden von Forschung und Lehre unabhängig von ökonomischen Zwängen definiert werden, müssen die Hochschulen demokratisiert werden. Welche Forschung wichtig ist und welche nicht, darf weder ein externer Sponsor, noch allein die Hochschulleitung entscheiden. Wir treten ein für demokratisch gewählte Gremien, in denen Professorinnen und Professoren, wissenschaftliche, Verwaltungs- und technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studierende gleichermaßen mitbestimmen.