Hochschulpolitik"Lucky" Streik again?
Bundesweit
In der SPD macht ein "Netzwerk Berlin" junger und pragmatischer (?) Bundestags-Abgeordneter von sich reden, die nachlaufende Studiengebühren fordern. Damit entfernt sich die SPD immer mehr von ihrer Position, zumindest allgemeine Studiengebühren abzulehnen, wie sie es noch bei der Bundestagswahl 1998 vertreten hat - damals auch als Nachwirkung des "Lucky Streiks" an den Hochschulen Ende 1997. Bundesbildungsministerin Bulmahn stellt sich zwar noch dagegen, hat aber selbst schon länger die ursprüngliche Position, Studiengebühren jeder Art auszuschließen, ohne Not aufgegeben.
UnterzeichnerInnen des Netzwerk-Papiers sind u.a. Sigmar Gabriel (Landtagsfraktionschef des SPD in Niedersachsen), Christoph Matschie (Staatssekrtär im Bundesbildungsministerium), Ute Vogt (SPD-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg) und Kerstin Griese. Letztere hat damit offenbar die Seiten gewechselt, war sie früher doch im AStA der HHU Duesseldorf und in der Juso-Bundeskoordination und gegen Gebühren.
Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) - seit langem Befürworter von Studiengebühren - begrüßte das Papier der SPD-PolitikerInnen und nutzte es, um erneut auf eigene Modelle hinzuweisen. Die allerdings durch dauerndes wiederholen auch nicht besser werden.
Auch CDU- und FDP-PolitikerInnen unterstützten - was keine Überraschung ist - den Vorstoß. Das ganze ist natürlich auch eine gute Gelegenheit, die Bundesbildungsministerin zu schwächen. Aufgewärmt wird vor allem das Argument, das Studiengebührenverbot sei sozial ungerecht. Dass die Bildungs-Finanzierung genauso gut und mit viel geringerem Verwaltungsaufwand über allgemeine Steuern funktionieren könnte, wird dabei gern verdrängt.
Bei den Grünen äußern sich ebenfalls einige Bundespolitiker pro Studiengebühren, so z.B. der Bundesvorsitzende Bütikhofer, der hessische Landesvorsitzende Matthias Berninger (schon länger ein Befürworter) und selbst Verbraucherschutzministerin Künast. Auch bei den Grünen geht der Trend also hin zu Gebühren.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) warnt SPD und Grünen vor einer neuerlichen Debatte um Studiengebühren. "Statt noch mehr Hürden für ein Studium aufzubauen seien vielmehr bestehende zu reduzieren", meint der DSW-Präsident in einer Presseerklärung. Schon jetzt würden mehr als 60 Prozent der Studierenden während des Semester jobben. "Bei Einführung von Studiengebühren wird dieser Anteil noch einmal gewaltig ansteigen", prognostizierte Rinkens. Dies würde kontraproduktiv die durchschnittliche Studiendauer verlängern und die Abbrecherquote von derzeit etwa 30 Prozent weiter erhöhen.
Hessen
In Hessen befindet sich ein Gebührengesetz im Gesetzgebungsverfahren. Geplant sind gestaffelte Studiengebühren bei überschreiten der Regelstudienzeit in Höhe von bis zu 1500 Euro im Semester. Dazu 50 Euro Rückmeldegebühren für alle. Und nebenbei sollen noch 30 Millionen an den Hochschulen eingespart werden.
An einigen Hochschulen in Hessen regt sich daher verstäkt Protest, so z.B. an den Unis in Frankfurt und Gießen. Vor sechs Jahren ging der "Lucky Streik" von Hessen aus - sollte es wieder soweit sein? An der Uni Frankfurt wurde jedenfalls ein Streik beschlossen - allerdings mit knapper Mehrheit. In der Tat ist ein Streik zwar medienwirksam, allerdings nur begrenzte Zeit aufrecht zu erhalten und in der Politik mahlen die Mühlen langsam, andere, dauerhaftere Protestformen auf jeden Fall auch nötig.
In der aktuellen Lage, die von Kürzungen allerorten geprägt ist, dürften Proteste in den Medien allerdings nicht so positiv aufgenommen werden. "Alle müssen eben den Gürtel enger schnallen" scheint das Motto zu sein, dabei führen Kürzungen gerade im Bildungsbereich langfristig wahrscheinlich zu einer Verstärkung des wirtschaftlichen Abwärtstrends.
Niedersachsen
In Niedersachsen wurden Langzeitstudiengebühren bereits von der SPD-Regierung eingeführt. Kürzungen mussten die Hochschulen ebenfalls schon hinnehmen, bekamen aber gewisse Garantien für die folgenden Jahre. Die aktuelle CDU-Regierung will nun aber noch drastischer sparen. Einige kleinere Hochschulstandorte sollen ganz aufgegeben werden (Buxtehude, Nienburg). Andere sollen Studiengänge aufgeben, Soziologie und Romanistik an der Uni Hannover sowie Medienwissenschaft an der Uni Göttingen. Die gesamte Lehrerausbildung soll von der Uni Hannover an die Uni Hildesheim verlagert und die Göttinger Rechtsmedizin geschlossen werden, an der FH Hannover zudem das Fach Bildende Kunst. Wie immer sind die Entscheidungen von der politischen Richtung der Regierung und persönlichen Bindungen an Standorte geprägt. Die Uni Göttingen wird besonders hart getroffen - Strafe dafür, dass der frühere SPD-Wissenschaftsminister aus dem Wahlkreis kommt? Die Opposition im niedersächsischen Landtag argwöhnt, dass etwa Osnabrück und Oldenburg nur deshalb besser davon kommen, weil aus den Städten Ministerpräsident Wulff und Wissenschaftsminister Stratmann kommen.
Bayern
In Bayern waren allgemeine Studiengebühren lange Zeit kein Thema, der bis zur letzten Landtagswahl amtierende Wissenschaftsminister Zehetmair fand andere Bereiche der Hochschulpolitik dringlicher, als sich mit allgemeinen Gebühren abzugeben. Zweitstudiengebühren und restriktive Exmatrikulationsregelungen bei langem Studium gab es allerdings schon.
Der neue Wissenschaftsminister Goppel hat da eine andere Meinung und diese Ende Oktober 2003 auch lautstark verkündet. "Natürlich" sollen die Gebühren "sozialverträglich" sein und zur Verbesserung der Situation an den Universitäten eingesetzt werden.
Quellen und weitere Infos
In der SPD macht ein "Netzwerk Berlin" junger und pragmatischer (?) Bundestags-Abgeordneter von sich reden, die nachlaufende Studiengebühren fordern. Damit entfernt sich die SPD immer mehr von ihrer Position, zumindest allgemeine Studiengebühren abzulehnen, wie sie es noch bei der Bundestagswahl 1998 vertreten hat - damals auch als Nachwirkung des "Lucky Streiks" an den Hochschulen Ende 1997. Bundesbildungsministerin Bulmahn stellt sich zwar noch dagegen, hat aber selbst schon länger die ursprüngliche Position, Studiengebühren jeder Art auszuschließen, ohne Not aufgegeben.
UnterzeichnerInnen des Netzwerk-Papiers sind u.a. Sigmar Gabriel (Landtagsfraktionschef des SPD in Niedersachsen), Christoph Matschie (Staatssekrtär im Bundesbildungsministerium), Ute Vogt (SPD-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg) und Kerstin Griese. Letztere hat damit offenbar die Seiten gewechselt, war sie früher doch im AStA der HHU Duesseldorf und in der Juso-Bundeskoordination und gegen Gebühren.
Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) - seit langem Befürworter von Studiengebühren - begrüßte das Papier der SPD-PolitikerInnen und nutzte es, um erneut auf eigene Modelle hinzuweisen. Die allerdings durch dauerndes wiederholen auch nicht besser werden.
Auch CDU- und FDP-PolitikerInnen unterstützten - was keine Überraschung ist - den Vorstoß. Das ganze ist natürlich auch eine gute Gelegenheit, die Bundesbildungsministerin zu schwächen. Aufgewärmt wird vor allem das Argument, das Studiengebührenverbot sei sozial ungerecht. Dass die Bildungs-Finanzierung genauso gut und mit viel geringerem Verwaltungsaufwand über allgemeine Steuern funktionieren könnte, wird dabei gern verdrängt.
Bei den Grünen äußern sich ebenfalls einige Bundespolitiker pro Studiengebühren, so z.B. der Bundesvorsitzende Bütikhofer, der hessische Landesvorsitzende Matthias Berninger (schon länger ein Befürworter) und selbst Verbraucherschutzministerin Künast. Auch bei den Grünen geht der Trend also hin zu Gebühren.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) warnt SPD und Grünen vor einer neuerlichen Debatte um Studiengebühren. "Statt noch mehr Hürden für ein Studium aufzubauen seien vielmehr bestehende zu reduzieren", meint der DSW-Präsident in einer Presseerklärung. Schon jetzt würden mehr als 60 Prozent der Studierenden während des Semester jobben. "Bei Einführung von Studiengebühren wird dieser Anteil noch einmal gewaltig ansteigen", prognostizierte Rinkens. Dies würde kontraproduktiv die durchschnittliche Studiendauer verlängern und die Abbrecherquote von derzeit etwa 30 Prozent weiter erhöhen.
Hessen
In Hessen befindet sich ein Gebührengesetz im Gesetzgebungsverfahren. Geplant sind gestaffelte Studiengebühren bei überschreiten der Regelstudienzeit in Höhe von bis zu 1500 Euro im Semester. Dazu 50 Euro Rückmeldegebühren für alle. Und nebenbei sollen noch 30 Millionen an den Hochschulen eingespart werden.
An einigen Hochschulen in Hessen regt sich daher verstäkt Protest, so z.B. an den Unis in Frankfurt und Gießen. Vor sechs Jahren ging der "Lucky Streik" von Hessen aus - sollte es wieder soweit sein? An der Uni Frankfurt wurde jedenfalls ein Streik beschlossen - allerdings mit knapper Mehrheit. In der Tat ist ein Streik zwar medienwirksam, allerdings nur begrenzte Zeit aufrecht zu erhalten und in der Politik mahlen die Mühlen langsam, andere, dauerhaftere Protestformen auf jeden Fall auch nötig.
In der aktuellen Lage, die von Kürzungen allerorten geprägt ist, dürften Proteste in den Medien allerdings nicht so positiv aufgenommen werden. "Alle müssen eben den Gürtel enger schnallen" scheint das Motto zu sein, dabei führen Kürzungen gerade im Bildungsbereich langfristig wahrscheinlich zu einer Verstärkung des wirtschaftlichen Abwärtstrends.
Niedersachsen
In Niedersachsen wurden Langzeitstudiengebühren bereits von der SPD-Regierung eingeführt. Kürzungen mussten die Hochschulen ebenfalls schon hinnehmen, bekamen aber gewisse Garantien für die folgenden Jahre. Die aktuelle CDU-Regierung will nun aber noch drastischer sparen. Einige kleinere Hochschulstandorte sollen ganz aufgegeben werden (Buxtehude, Nienburg). Andere sollen Studiengänge aufgeben, Soziologie und Romanistik an der Uni Hannover sowie Medienwissenschaft an der Uni Göttingen. Die gesamte Lehrerausbildung soll von der Uni Hannover an die Uni Hildesheim verlagert und die Göttinger Rechtsmedizin geschlossen werden, an der FH Hannover zudem das Fach Bildende Kunst. Wie immer sind die Entscheidungen von der politischen Richtung der Regierung und persönlichen Bindungen an Standorte geprägt. Die Uni Göttingen wird besonders hart getroffen - Strafe dafür, dass der frühere SPD-Wissenschaftsminister aus dem Wahlkreis kommt? Die Opposition im niedersächsischen Landtag argwöhnt, dass etwa Osnabrück und Oldenburg nur deshalb besser davon kommen, weil aus den Städten Ministerpräsident Wulff und Wissenschaftsminister Stratmann kommen.
Bayern
In Bayern waren allgemeine Studiengebühren lange Zeit kein Thema, der bis zur letzten Landtagswahl amtierende Wissenschaftsminister Zehetmair fand andere Bereiche der Hochschulpolitik dringlicher, als sich mit allgemeinen Gebühren abzugeben. Zweitstudiengebühren und restriktive Exmatrikulationsregelungen bei langem Studium gab es allerdings schon.
Der neue Wissenschaftsminister Goppel hat da eine andere Meinung und diese Ende Oktober 2003 auch lautstark verkündet. "Natürlich" sollen die Gebühren "sozialverträglich" sein und zur Verbesserung der Situation an den Universitäten eingesetzt werden.
Quellen und weitere Infos
- Aktuelles zu Studiengebühren und Hochschulpolitik
- Übersicht über Studiengebühren in den Bundesländern
- Argumente gegen Studiengebühren vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS)
- Bericht in der Frankfurter Rundschau zum Streibeschluss an der Uni Frankfurt (5.11.2003)
- Bericht in der Frankfurter Rundschau zum SPD-Netzwerk, das Gebühren fordert (5.11.2003)
- Kahlschlag in Niedersachsen - "Good bye learning" (Artikel bei SPIEGEL ONLINE, 4.11.2003)
- Presseerklärung des Deutschen Studenwerks (4.11.2003)
- Presseerklärung des CHE (31.10.2003)