Bundesländer können sich nicht einigenKein Geld für den Ausbau der Hochschulen, kein nationales Stipendiensystem
Getagt hatte am gestrigen Montag die Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern. Im Oktober 2008 hatten Bund und Länder auf dem so genannten Bildungsgipfel noch verkündet, es würden genügend Gelder für mehr Studienplätze und den Ausbau der Hochschulen bereitgestellt. Nur über Details müsse noch geredet werden. Doch genau diese Details machen Probleme.
In der Pressemitteilung der GWK selbst hört sich das alles noch nicht sonderlich dramatisch an: "Beratungen sollen noch vor der Sommerpause abgeschlossen sein", "[...] beabsichtigt die GWK, alle drei Großprojekte gemeinsam in einer Sondersitzung am 22. April 2009 als Paket zu verabschieden."
Aber wenn man genauer liest, erkennt man auch dort schon die Knackpunkte. An denen alles auch noch scheitern könnte, vor allem der für Studierende wichtige Hochschulpakt. Vor allem die Frage, ob es besondere Ausgleichszahlungen für Länder geben soll, die mehr Studierende ausbilden, als es in Relation zu den Abiturientenzahlen zu erwarten wäre, ist umstritten. Dabei wäre hier ein Ausgleich durchaus sinnvoll, wie schon im Artikel Reiche Bundesländer als Trittbrettfahrer? bei Studis Online nachzulesen war (Kernsatz: "Bildungsausgaben zurückzufahren kann in einem föderalen System wider aller Beteuerungen rational sein, wenn es billiger ist, AkademikerInnen aus anderen Ländern »einzukaufen«.")
Föderale Nicklichkeiten
Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK)
Teilnehmer sind alle Bundesländer und der Bund. In der GWK müssen Beschlüsse einstimmig gefasst werden. Schon ein einziges Land kann Beschlüsse blockieren. Womit auch immer gerne gedroht wird, um spezielle Bedingungen für das eigene Land herauszuholen. Selbst wenn der Bund Geld "verschenken" will, geht das nicht einfach so: Alle Länder müssen mit dem Verteilungsschlüssel und was sonst zu regeln wäre, einverstanden sein. Ein Grund, warum mehr Bundeskompetenzen in Sachen Bildung sinnvoll sein könnten. Seit der letzten Förderalismusreform sind jedoch praktisch auch die letzten Reste gestrichen worden, daher kann der Bund nur noch im Konsenz mit den Ländern handeln.
Der studentische Dachverband sieht die Streitigkeiten mit großer Sorge. Florian Keller, Mitglied des fzs-Vorstands erklärte dazu: "Wir erleben mittlerweile im Wochentakt, wie sich Bund und Länder in Bildungsfragen nicht einigen können und am Ende mit einer schlichten Vertagung der kritischen Punkte verbleiben. Im Bereich des Hochschulpakts hat sich nunmehr seit mehr als fünf Monaten nichts messbares getan. Dieser Kindergarten gefährdet die dringend nötigen Studienplätze für die doppelten Abiturjahrgänge!"
Auch die Bildungsgewerkschaft GEW kommentiert die GWK-Sitzung negativ: "Außer Spesen nichts gewesen". Andreas Keller, das für Hochschule verantwortliche Vorstandsmitglied der GEW, erläutert: "Bis 2015 müssen 275.000 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden, um allen Studienberechtigten eine faire Chance auf eine Hochschulausbildung zu geben. Das haben Bund und Länder im Oktober 2008 auf ihrem ‚Bildungsgipfel’ verkündet. (...) Während über Nacht hunderte Milliarden Euro für die Rettung der Banken und der Automobilindustrie mobilisiert werden konnten, tun sich Bund und Länder bei einem Bruchteil dieser Summen ungleich schwerer, wenn es um die dringend erforderlichen Zukunftsinvestitionen in die Hochschulbildung geht."
In einem Punkt gab es eine "Einigung", die allerdings einfach darauf beruht, die Zuständigkeit dort zu lassen, wo sie sowieso liegen und nichts gemeinsames zu tun: Mehr Studierende für MINT (Mathematik- Informatik- Naturwissenschaften- Technik)-Fächer zu begeistern und Gleichstellungsmaßnahmen zu fördern, sollen die Länder jeweils selbst machen. Der fzs bedauert das: "Der geringe Anteil von Frauen insbesondere in den MINT-Fächern ist eine große Ungerechtigkeit an deutschen Hochschulen und sollte von Bund und Ländern gemeinsam angegangen werden!" erklärt Anja Gadow vom fzs.
Bundesweites Stipendiensystem gescheitert
Ein Beispiel für eine Blockade weniger war bei der aktuellen Sitzung der GWK der Punkt "Weiterentwicklung des Stipendienwesens". Andreas Pinkwart, Wissenschaftsminister aus Nordrhein-Westfalen geht schon seit längerem mit der Idee schwanger, ein nationales Stipendiensystem aufzubauen, das unabhängig vom Elterneinkommen oder anderen Förderungen (z.B. BAföG) 300 Euro pro Monat gewährt. Die Gelder sollten von der Wirtschaft und Bund und Ländern kommen.
Gegen diese Idee stimmten Rheinland-Pfalz, Sachsen und Bremen; Thüringen und Bremen enthielten sich. Das Argument der Ablehner, dass statt dessen besser das BAföG ausgebaut werden solle, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Mit einem Stipendium, dessen Vergabe zusätzlich stark von der Wirtschaft beeinflusst würde (die Geldgeber sollten die Vergabekriterien mitbestimmen können), werden kaum mehr Menschen zum Studium mobilisiert. Wird es ohne jede Sozialkriterien vergeben, kann es in gewisser Weise sogar Geldverschwendung sein, weil Menschen "gefördert" werden, die die Förderung gar nicht dringend benötigen.
Insofern wäre ein Ausbau des BAföGs oder noch besser einer möglichst elternunabhängigen Studien- und Ausbildungsförderung (für die im Gegenzug Kindergeld und Kinderfreibeträge für volljährige Kinder gestrichen werden) sicherlich besser. Das wiederum scheitert aber zur Zeit erst recht. Stipendien jedenfalls sind "Nicht Lösung, sondern Teil des Problems" (so ein inzwischen etwas älterer Artikel bei Studis Online zum Thema Wirkung von Stipendien). Daher muss man an dieser Stelle wohl sagen: Lieber gar nichts, als sowas.
NRW im Alleingang – wenn Hochschulen und die Wirtschaft mitmachen ...
Nordrhein-Westfalen will das Stipendienprogramm nun jedoch in einem Alleingang starten, begrenzt auf NRW. Es wird dabei noch abzuwarten sein, ob tatsächlich die angestrebten 1200 Stipendien zustande kommen werden. Denn zunächst muss die Hochschule (die das Stipendium letztlich vergibt) einen privaten Förderer anwerben, der die Hälfte der Kosten trägt. Erst dann ergänzt das Land den Rest. Gerade in der aktuellen Situation mag es am Ende so kommen, dass von Seiten der Wirtschaft gar nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Quellen und mehr zum Thema
- Hochschulpakt/Exzellenzinitiative/Pakt für Forschung: Beratungen sollen noch vor der Sommerpause abgeschlossen sein (Pressemitteilung der GWK; 30.03.2009, PDF-Datei)
- Pressekonferenz der GWK zu den Ergebnissen (Kurzfassung) der Sitzung der GWK am 30.03.2009
- Bund und Länder vertagen Kapazitätsaufstockung der Hochschulen in den Wahlkampf (Pressemitteilung des fzs, 30.03.2009)
- Milliarden für die Rettung der Zukunftschancen junger Menschen notwendig (Pressemitteilung der GEW, 31.03.2009)
- Minister Pinkwart: Zum nächsten Wintersemester stehen die ersten 1200 Stipendien für begabte Studierende bereit (Pressemitteilung des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie NRW; 31.03.2009)
- Pinkwart bedauert Entscheidung der GWK: "Gegen die Studierenden" - NRW nun mit eigenem Stipendiensystem (Pressemitteilung des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie NRW; 30.03.2009)
- Stipendien: "Nicht Lösung, sondern Teil des Problems" (Studis Online-Hintergrundartikel)
- Zur föderalen Ordnung des Bildungssytems in Deutschland: Reiche Bundesländer als Trittbrettfahrer? (Analyse von Klemens Himpele, entnommen aus Forum Recht 1/2009)