Was interessieren die paar ProzenteAuswirkungen von Studiengebühren "nicht beträchtlich"?
Studis Online hat beim BMBF nachgefragt, ob die in diversen Medien herumgeisternden Zahlen korrekt sind. Dabei stellte sich heraus, dass an einigen Stellen durchaus genauere Zahlen vorliegen. Auch sollte man bei dieser Gelegenheit genau beachten, welchen Fokus die jeweilige Studie hat.
4,4% aller Studienberechtigter nennen Gebühren mehr oder weniger abschreckend
Zum einen wurden 2006 diejenigen befragt, die gerade eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben (also vor allem AbiturientInnen), ob sie ein Studium aufnehmen wollen und was sie möglicherweise daran hindern könnte. Es handelt sich insofern um Absichtserklärungen, was die Befragten schließlich wirklich getan haben, ist offen. Es könnten am Ende sowohl mehr als auch weniger gewesen sein, die tatsächlich durch Studiengebühren aufgehalten wurden.
Rechnet man die Ergebnisse der Befragung auf alle neuen Studienberechtigte im Jahr 2006 hoch, dann gilt, dass ca. 6.000 "voraussichtlich" wegen der Studiengebühren kein Studium beginnen. Das wären laut BMBF "nur" 1,4% aller Studienberechtigter. Weitere 9.000 schließen ein Studium nicht aus, wollen es aber zunächst wegen der Studiengebühren aufschieben. 3.000 waren noch unsicher, ob sie wegen Studiengebühren studieren oder nicht.
Auch wenn die Sprecherin des BMBF betonte, dass Menschen aus "hochschulfernen" Schichten auch andere Gründe als nur die Studiengebühren aufführen, die sie vom Studium abhalten: Nicht zu bestreiten sei, dass unter denen, die Studiengebühren als Grund aufgeführt haben, nicht (gleich) zu studieren, hochschulferne Menschen stärker vertreten sind. Auch Frauen und Ostdeutsche scheinen Gebühren stärker zu schrecken.
13% StudienanfängerInnen werden durch Studiengebühren beeinträchtigt
Die StudienanfängerInnen des Wintersemesters 2007/2008 in Bundesländern mit Gebühren wurden ebenfalls zum Einfluss von Studiengebühren befragt. Diejenigen, die durch Gebühren schon vom Studium abgehalten wurden, sind zwangsweise hier nicht mehr dabei. Diese Studie ist wohl erst in diesen Tagen in Fertigstellung und laut BMBF auch der Grund, dass die Studie mit den Studienberechtigten noch nicht veröffentlicht wurde – man wollte beide zusammen herausgeben. Von verschiedener Seite (siehe z.B. hier) wurden an dieser Darstellung Zweifel geäußert.
Wobei die Ergebnisse bei den StudienanfängerInnen nicht günstiger für Studiengebührenbefürworter sind. Denn auch wenn 87% der Studierenden in Bundesländern mit Studiengebühren äußern, sie wollten mehr oder weniger unbeeindruckt davon weiterstudieren, planen 2% den Studienabbruch wegen Studiengebühren, 3% wollen in ein gebührenfreies Bundesland wechseln und 8% hoffen zwar weiterstudieren zu können, setzen dazu aber auf Sparen, Jobben, Stipendien oder andere Möglichkeiten, die Finanzen zu stabilisieren. Insgesamt sind also 13% von Gebühren mehr oder weniger betroffen – und man kann vermuten, dass auch hier wieder vor allem Frauen und Menschen aus hochschulfernen Schichten stärker vertreten sind.
Debatte wird weitergehen
Bundesbildungsministerin Schavan müht sich noch, die Ergebnisse so zu interpretieren, dass Studiengebühren kein Problem seien. Allerdings: Schon heute studieren in Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Ländern weniger Menschen aus hochschulfernen Schichten, auch die Frauenqoute ist europaweit auf einem der hintersten Ränge (vgl. Eurostudent III: Soziale und wirtschaftliche Lage der Studierenden in Europa). Und genau diese Gruppen werden offenbar von Studiengebühren am stärksten beeinflusst.
Da ist es eher peinlich, davon zu sprechen (wie es Schavan gerade getan hat), der Einfluss von Studiengebühren sei "nicht beträchtlich". Denn gerade bei den Gruppen, die in Sonntagsreden besonders gefördert und für ein Studium begeistert werden sollen, ist der Einfluss unbestreitbar.
Trotzdem scheinen die "Blöcke" unverändert zu sein: CDU/CSU und FDP wollen an Gebühren festhalten, SPD, Grüne und Linke sie abschaffen (was letztere in Hessen tatsächlich realisiert haben; in Hamburg dagegen haben sich die dortigen Grünen auf "nachgelagerte Studiengebühren" eingelassen).
Hintergründe und weiteres zum Thema