Schöne neue HochschulweltHörsaal von Aldi, Uni von Jacobs-Kaffee, BWL-Studium von Tchibo
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst in der Erziehung und Wissenschaft 5/2008 der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Wir danken der GEW und dem Autoren für die Genehmigung, den Artikel auch bei Studis Online publizieren zu dürfen. |
"Hochschulen sind keine Marktunternehmen!" Das erklärten Professoren und Dozenten in der Beilsteiner Erklärung von 2006. Sie wehrten sich gegen Bildungspolitiker, die Unis und FHs zu kommerziell ausgerichteten Dienstleistern umbauen wollen. Das führe zu "kultureller Verarmung". Forschung und Lehre "frei und zum Wohl der Allgemeinheit zu betreiben", finde immer weniger statt. Unterzeichnet haben Hochschullehrerinnen und –lehrer aus Heilbronn, Mannheim, Wuppertal, Dortmund, der Schweiz, Ungarn und den USA.
Studieren im "easyCredit"-Hörsaal
Auf Argwohn stößt bei Studierenden und Dozenten auch der wachsende Einfluss von Unternehmen und unternehmensnahen Stiftungen. An der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt zum Beispiel sitzen Studierende inzwischen im "Aldi-Süd-Hörsaal". Das Discount-Unternehmen zahlte für die Namensrechte eine Summe "im fünfstelligen Bereich", berichtete die FH. An der Uni Erlangen-Nürnberg studieren Frauen und Männer im "easyCredit"-Hörsaal, gesponsert von der Nürnberger TeamBank. 130.000 Euro legte die Bank dafür auf den Tisch. 24 Millionen Euro stiftete die Unternehmerfamilie Schwarz-Schütte ("Schwarz Pharma") der Universität Düsseldorf. Dort kommt das Geld nicht etwa allen Fachbereichen zugute. Die Millionen fließen allein an die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät – für ein neues "Institut zur Förderung des Wettbewerbs in Wirtschaft und Gesellschaft". Noch tiefer in die Schatulle griff die Stiftung des Unternehmers Klaus J. Jacobs (ehemals "Jacobs-Kaffee"). 200 Millionen Euro flossen an die private International University in Bremen, wie im Herbst 2006 bekannt wurde. Das Dankeschön für den Spender: Die Hochschule hieß fortan Jacobs University Bremen. Rund 1.000 Menschen studieren hier. Die Studiengebühren betragen – je nach angestrebtem Abschluss - 15.000 oder 20.000 Euro pro Jahr.
Ganz neue Vermarktungswege für Bildung ließ sich ein anderer ehemaliger Kaffee-Röster einfallen. Anfang Dezember 2007 verkaufte Tchibo in seinen Läden ein BWL-Studium an der privaten Fachhochschule Göttingen. Zum angeblichen Schnäppchenpreis von 298 Euro im Monat. Andreas Keller, GEW-Hochschulexperte, protestiert: "Eine solche Vertriebsform ist unseriös."
Strippenzieher und Hintermänner
Viele Bildungspolitiker arbeiten derweil daran, die Hochschulen nach dem Vorbild von Aktiengesellschaften umzubauen. Zu diesem Zweck erhalten Unis und FHs ein neues, mächtiges Gremium an die Seite gestellt – den Hochschulrat. Der wählt den Präsidenten und bestimmt die strategische Ausrichtung. Die universitätsfremden Mitglieder des Hochschulrats kommen zu etwa einem Drittel aus Unternehmen oder Wirtschaftsverbänden. Das ergab eine Studie der Ruhr-Universität Bochum.
Der Privatisierungsreport enthüllt, wer zu den Strippenziehern und Hintermännern des Hochschul-Umbaus gehört: etwa das Centrum für Hochschulreform (CHE) in Gütersloh, finanziert von der Bertelsmann-Stiftung. Oder der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft - ein Verein, dem das who is who der deutschen Wirtschaft angehört. Zu nennen ist ebenso das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Weitere Akteure sind die Unternehmensberatung McKinsey, der Aktionsrat Bildung und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Schöne neue Hochschulwelt.
Matthias Holland-Letz, freier Journalist
Mehr zum Thema: Privatisierungsreport 6: Schöne neue Hochschulwelt
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