ProjektMehr Arbeiterkinder an die Uni
Das Interview führte Jens Wernicke
Frau Urbatsch, Sie wollen mit Ihrer Internetseite ArbeiterKind.de Arbeiterkindern helfen, Bildungskarriere zu machen. Wie soll das gehen?
Katja Urbatsch, Initiatorin von arbeiterkind.de
Foto: Wolf Dermann
Mit unserer Internetseite ArbeiterKind.de möchten wir Schülerinnen und Schüler, deren Eltern nicht studiert haben, dazu ermutigen, ein Hochschulstudium aufzunehmen und Ihnen beim Studieneinstieg behilflich sein. Darüber hinaus wollen wir sie auch als Studierende dabei unterstützen, ihr Studium erfolgreich zu absolvieren.
Wie genau sieht eine solche Unterstützung denn aus?
Aktuelle Studien belegen, dass sich von den Abiturientinnen und Abiturienten nicht-akademischer Herkunft lediglich fünfzig Prozent für ein Studium entscheiden. Dies liegt zum Beispiel daran, dass Eltern ohne Studienerfahrung ihren Kindern häufig vom Studium abraten und stattdessen eine Ausbildung empfehlen. Daher möchten wir Arbeiterkinder – unter den Begriff fassen wir alle, deren Eltern nicht studiert haben – über die Vorteile eines Studiums informieren und ihnen die sehr guten Berufsperspektiven von Akademikerinnen und Akademikern aufzeigen.
Natürlich spielt auch die finanzielle Belastung eine große Rolle bei der Entscheidung für oder gegen ein Studium, insbesondere in einer Zeit, in der immer mehr Bundesländer Studiengebühren einführen. Hinzu kommt, dass viele Arbeiterkinder nicht ausreichend über die Möglichkeiten der Studienförderung durch BAföG, Stipendien oder Studienkrediten informiert sind. Deshalb werden wir auf unserer Internetseite Wege aufzeigen, wie sich ein Studium finanzieren lässt. Zudem erklären wir, warum es sich langfristig lohnt, in ein Studium zu investieren.
Außerdem können Arbeiterkinder, die sich zu einem Studium entschlossen haben, auf keine Erfahrung in ihrer Familie zurückgreifen, sodass sie bei der Organisation ihres Studieneinstiegs meist auf sich allein gestellt sind. Dies setzt sich dann auch im Verlauf des Studiums weiter fort, wenn sie mit den besonderen Leistungsanforderungen an einer Hochschule konfrontiert werden. Darum möchten wir Arbeiterkindern Informationen an die Hand geben, die ihnen den Studieneinstieg erleichtern und dabei helfen, ihr Studium erfolgreich zu absolvieren.
Besonders wichtig ist es uns auch, Arbeiterkindern zu vermitteln, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine dastehen, sondern dass es vielen anderen genauso geht wie ihnen. Denn aus eigener Erfahrung wissen wir, dass sich Arbeiterkinder an der Hochschule häufiger als andere verloren verkommen und als Außenseiter fühlen. ArbeiterKind.de soll sich daher mittelfristig auch zu einer Plattform entwickeln, auf der sich Arbeiterkinder gegenseitig ermutigen und unterstützen.
Wird es neben den Informationen im Internet denn noch weitere Aktionen oder Angebote von Euch geben?
Über die Internetseite hinaus planen wir auch persönliche Beratungsangebote, Informationsveranstaltungen und Seminare für Oberstufenschülerinnen und -schüler sowie Studierende. Hiermit werden wir zunächst am Standort Gießen beginnen. Wir haben bereits mit einigen Schulen in Gießen Kontakt aufgenommen und werden im Juni unsere erste Informationsveranstaltung für die 12. Jahrgangsstufe eines Gießener Gymnasiums anbieten.
Wer finanziert dieses Projekt denn?
Wir sind ein ehrenamtliches Projekt und finanzieren unsere Kosten momentan noch aus eigener Tasche. Im Rahmen des Wettbewerbes startsocial haben wir Anfang des Jahres aber ein Beratungsstipendium erhalten und sind nun gerade dabei, auch ein Finanzierungskonzept zu entwickeln.
Alles in allem erhoffen Sie sich…?
Wir erhoffen uns zum einen, dass wir möglichst viele Arbeiterkinder dazu ermutigen können, trotz zahlreicher Widerstände ein Studium aufzunehmen. Und zum anderen hoffen wir, dass wir möglichst viele studierende Arbeiterkinder dabei unterstützen können, ihr Studium erfolgreich zu bewältigen. Unser Projekt soll darüber hinaus aber auch darauf aufmerksam machen, welche spezifischen Hürden Arbeiterkindern den Weg an die Hochschulen und zum Studienabschluss erschweren.
Vielen Dank für das Gespräch.