Nur für wenige wirklich relevantKlage gegen Langzeit-Studiengebühren in Thüringen erfolgreich
Das Gericht folgte nun der Argumentation des Klägers, dass nicht alle Semester vor seinem Fachwechsel mitzählen dürften. Schließlich konnte er zum Zeitpunkt des Wechsels nicht ahnen, dass dieser später noch bestraft würde. In diesem Sinne wurde ihm zugestanden, dass er als Härtefall zu behandeln sei.
Abgelehnt wurde vom Gericht aber offenbar ein weiteres vom Kläger angestrengtes Verfahren, dass sich generell gegen die Gebühren richtete. Langzeitstudiengebühren sind aus Sicht des Gerichts also durchaus legitim.
Wirkung des Urteils begrenzt
Eine direkte Auswirkung hat das Urteil zunächst nur auf (Ex-)Studierende in Thüringen. Sofern sie Langzeitstudiengebühren zahlen mussten, weil sie vor In-Kraft-Treten des Gebührengesetzes schon einmal ihr Studienfach gewechselt haben, könnten ebenfalls gezahlte Gebühren zurückfordern.
Offen bleibt aber, in welchem Umfang dann wirklich Gebühren zurückgezahlt werden müssen. Denn im konkreten Fall hatte der Kläger erst nach 6 Semestern sein Studienfach gewechselt. Das neue Studienfach schloss er dagegen zügig ab und war nur noch in seinem letzten Semester von der dann erstmals angewandten Regelung betroffen. Trotzdem musste er zahlen, weil für die Langzeit-Studiengebühren alle Semester zusammengezählt werden und eine Zahlungspflicht eintritt, sobald die insgesamt studierten Hochschulsemester 4 Semester über der Regelstudienzeit des Studiengangs liegen, den man zuletzt studiert.
In diesem konkreten Fall erschien den Richtern die "Strafe" als unangemessen. In ähnlichen Fällen (viele Semester vor Wechsel, danach schnelles Studium) dürften die Gebühren ebenfalls erstattet werden können. Aber wohl nicht grundsätzlich – wer auch nach dem Wechsel sehr lange braucht, dem wird das möglicherweise nicht als Härtefall anerkannt werden.
Andere Länder, andere Sitten – und es gibt schon einen Gerichtsentscheid auf Bundesebene ...
Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) sprach heute von einem Präzedenzfall für andere Bundesländer mit ähnlichen Regelungen. Das ist allerdings nur bedingt der Fall: Das OVG Thüringen ist nun einmal nur für Thüringen zuständig. Eine direkte bundesweite Wirkung hätte erst ein Urteil eines Bundesgerichts.
Bedauerlicherweise gibt es zur Frage der Langzeitstudiengebühren eine solche Entscheidung. Zwar bezogen auf die inzwischen so nicht mehr erhobenen Langzeitstudiengebühren in Baden-Württemberg (nicht mehr erhoben werden sie, da es stattdessen allgemeine Studiengebühren vom ersten Semester gibt). Trotzdem kann man wohl die Grundsatzargumentation für jedes Langzeitstudiengebührengesetz übernehmen.
Im Urteil vom 25.07.2001 (Aktenzeichen 6 C 8.00, einsehbar hier) heißt es jedenfalls u.a.:
- Das Landeshochschulgebührengesetz entfaltet keine nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) unzulässige Rückwirkung. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die vorliegenden Übergangs- und Härtefallregelungen zugunsten der Studierenden weiter zu fassen.
(...)
Der Gesetzgeber hatte ein berechtigtes Interesse daran, die mit dem Gesetz verfolgten Zwecke, insbesondere dessen verhaltenslenkende Wirkung, möglichst bald zur Geltung zu bringen. Zum einen hätte seine Entscheidung, ein kostenfreies Hochschulstudium nur noch in begrenztem Umfang anzubieten, an Überzeugungskraft eingebüßt, wenn die Regelungen des Landeshochschulgebührengesetzes nicht alsbald auf die über 30 000 Langzeitstudierenden bei In-Kraft-Treten des Gesetzes erstreckt worden wären. Zum anderen war es ein legitimes Anliegen, gerade auch diesen Kreis der Studierenden durch die absehbare Gebührenpflichtigkeit dazu zu bewegen, ihr Studium zügig abzuschließen. Wie die Beklagte überzeigend dargelegt hat, trifft die Ansicht der Revision nicht zu, dass bei »Altstudenten« das Gesetz keine verhaltenssteuernde Wirkung entfalten kann. Vielmehr ist die Einschätzung des Gesetzgebers nicht zu beanstanden, dass die Pflicht zur Zahlung der Studiengebühr unabhängig von der bisherigen Dauer des Studiums zu dessen Beschleunigung beitragen kann.
Auf der anderen Seite konnte kein Studierender darauf vertrauen, ein überlanges gebührenfrei begonnenes Studium ohne eine Gebührenbelastung beenden zu können. Vielmehr musste sich jedem Studierenden aufdrängen, dass der weit über die Regelstudienzeit hinausgehenden Inanspruchnahme der Hochschule auf Kosten der Allgemeinheit ohne eigenen Beitrag jederzeit Grenzen gesetzt werden konnten. Es kommt hinzu, dass der Gesetzgeber die bei In-Kraft-Treten des Gesetzes Immatrikulierten nicht abrupt und ohne Übergangsregelung mit der Gebührenpflicht konfrontiert hat. Sie hatten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LHGebG von der Verkündung des Gesetzes im Mai 1997 bis zum Beginn der Gebührenpflicht für das Wintersemester 1998/1999 annährend anderthalb Jahre Zeit, sich auf diese einzustellen. Soweit dies in außergewöhnlichen Fällen nicht möglich gewesen sein sollte, kommt ein Gebührenerlass nach der allgemeinen Härteregelung in Betracht.
Zum Erlass weitergehender Übergangs- und Härtefallregelungen war der Gesetzgeber auch in Anbetracht der regelmäßig tragbaren Höhe der Gebühr nicht verpflichtet.
Kurz gesagt: Studis Online glaubt nicht daran, dass sich aus dem Urteil des OVG Thüringen größere Folgen ergeben. Das mag man bedauern, die herrschende Rechtssprechung ist jedoch als ziemlich gebührenfreundlich anzusehen – wie ja auch die zitierten Abschnitte aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zeigen.