Wahlprüfsteine HochschuleLandtagswahl Hessen: Was die Parteien wollen
Wer aktuell die Regierung stellt
Im hessischen Landtag hat die CDU bei den letzten Wahlen 2003 die absolute Mehrheit der Sitze erreicht (56 / Stimmenanteil 48,8%). Die Opposition wird durch SPD (33 Sitze / 29,1%), Bündnis 90/DIE GRÜNEN (12 / 10,1%) und FDP (9 / 7,9%) gestellt, alle anderen Parteien erreichten 2003 gerade 4,1%. Von 1999 bis 2003 hatten CDU und FDP die Regierung gestellt, davor waren es SPD und Grüne.
Was die Parteien vorhaben
Aus den ausführlichen Antworten haben wir die wesentlichen Aussagen gefiltert und stellen sie im folgenden gegenüber. Dass eine Partei, die tatsächlich an die Regierung kommt, wirklich alles umsetzt, darauf kann man sich allerdings nicht verlassen - gerade, wenn es zu einer Koalition kommt, müssen die beteiligten Parteien ja zu Kompromissen kommen. Und dann gibt es noch die angeblichen oder tatsächlichen "Sachzwänge". Von daher bleibt immer Beteiligung und wo nötig auch Protest nötig ...
In der folgenden Zusammenfassung haben wir teilweise drastisch gekürzt und einige Fragen/Antwort-Komplexe weggelassen. Wer die vollständigen Antworten der Parteien lesen will, für den hier die Auflistung der Detail-Artikel:
- Antwort der SPD (eingegangen am 24.10.2007)
- Antwort der FDP (eingegangen am 31.10.2007)
- Antwort von Bündnis 90/DIE GRÜNEN (eingegangen am 16.11.2007)
- Antwort der CDU (eingegangen am 16.11.2007, aber nur per Post; veröffentlicht am 19.11.)
- Antwort der Linken (eingegangen am 19.11.2007)
Welche Parteien und EinzelbewerberInnen sonst noch zur Wahl stehen, erfährt man bspw. beim Landeswahlleiter Hessen. Eine sehr ausführliche Gegenüberstellung der Positionen von 11 der antretenden Parteien und Wählergruppen bietet die Seite http://www.wis-hessen.de/, die vom Institut für Politikwissenschaft der Uni Duisburg-Essen bereitgestellt wird.
Thema Studiengebühren
SPD, Grüne und Linke wollen alle die Studiengebühren sofort abschaffen.
Die CDU - die die Gebühren eingeführt hat - sieht erwartungsgemäß keinen Änderungsbedarf.
Die FDP will die Studiengebühren grundsätzlich beibehalten, möchte aber eine "Geld-zurück-Garantie" bei "Schlechtleistung" ergänzen. Wie diese "Schlechtleistung" allerdings festgestellt werden soll, dazu gibt es wenig Angaben. In NRW hatte der von der FDP gestellte Wissenschaftsminister ebenfalls eine "Geld-zurück-Garantie" angekündigt, in der letztendlichen Ausgestaltung scheint sie keine Wirkung zu haben. Zusätzlich möchte die FDP breitere soziale Ausnahmetatbestände für die Gebühren einführen.
Thema Studienfinanzierung / BAföG
Keine Partei will grundsätzlich am BAföG rütteln. Trotzdem sind die Prioritäten unterschiedlich:
Die SPD betont, dass sie das BAföG eingeführt hatte und freut sich über die Erhöhung ab 2008. Studienkredite seien eine sinnvolle Ergänzung, ebenso sei der Ausbau des Stipendiensystems dringend geboten.
Die FDP will das BAföG "weiterentwickeln" und mit Studienkrediten "zusammenführen". "BAföG-Bezieher sollen wie bei der bisherigen Förderung die Kredite zu vergünstigten Konditionen erhalten."
Auch die Grünen sehen Bedarf an grundsätzlicheren Reformen des BAföGs. Es solle mittel- bis langfristig elternunabhängig zur Verfügung gestellt werden. In welcher konkreten Form das geschehen soll, dazu wird allerdings nicht eingegangen, es könnten auch größere Darlehensanteile dabei sein.
Die CDU betont den "im BAföG enthaltene Darlehensanteil", der den "Aspekt der Eigenverantwortung deutlich" mache. Ansonsten wird die aktuelle Erhöhung unterstützt.
Die Linke ist für eine stärkere Anhebung des BAföGs und will perspetivisch eine elternunabhängige, verlässliche und bedarfsdeckende Studienfinanzierung. Auch hier ist die genaue Ausgestaltung unklar, vermutlich dürfte aber im Gegensatz zu den Grünen der Zuschussanteil die Hauptrolle spielen.
Thema Geld für Bildungsreformen
In unserer letzten Frage an die Parteien hatten wir behauptet, dass oft der Eindruck entstehe, dass das Finanzministerium die anderen Ressorts regiert. Konkret fragten wir: "Sind Sie der Meinung, Bildungsreformen müssten "kostenneutral" umgesetzt werden und warum sehen Sie das so?"
Die SPD antwortete erstaunlich verhalten: "Das Finanzministerium hat natürlich eine Schlüsselstellung. Das ist trivial. Dennoch müssen Bildungsreformen nicht kostenneutral sein – in den meisten Fällen geht das gar nicht. Es gibt auch Finanzminister/innen, die das wissen und auch richtig finden."
Die FDP verweist darauf, dass "während der der Regierungsverantwortung der liberalen Wissenschafts- und Kunstministerin Ruth Wagner die Ausgaben für Hochschulen substantiell gesteigert (wurden)." Sie kritisiert den Hochschulpakt II der CDU-Landesregierung, der ein reines Verteilmodell nach Kassenlage sei und keine Planungssicherheit biete. Im Bereich "Bildung und Innovation" seien trotz der Erfordernis, nachhaltig zu hausgalten, auch Ausgabensteigerungen nötig. Zusätzlich sollten die Hochschulen durch "Vermarktung eigener Forschungsergebnisse und Kooperationen mit Unternehmen", Eigenvermögen erwirtschaften können.
Die Grünen erwähnen, dass sich nicht alle Probleme des Bildungssystem mit Geld lösen lassen, betonen aber: "ohne zusätzliches Geld wird es nicht gehen." Die Ausgaben für Bildung sollen spürbar erhöht werden. Auf Bundesebene wolle man sich für verbesserte steuerpolitische Rahmenbedingungen einsetzen, damit die Bundesländer stärker in Bildung investieren.
Die CDU antwortet deutlich: "Nein". Und listet dann eine Menge Ausgaben auf, die sie insbesondere für den Hochschulbau aufgewendet habe. Es wird auf LOEWE, einer Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz, verwiesen. Immerhin gibt man auch zu, dass die Haushalte der Hochschulen bis 2010 von der Entwicklung der Steuereinnahmen abhängen. Planungssicherheit ist das jedenfalls nicht – das relativiert den Rest (der sehr stark auf Forschung bezogen war und Studierenden daher wohl weniger hilft) deutlich.
Die Linke tritt für einen "massiven" Ausbau der Bildungsfinanzierung ein.
Thema Studianabbrüche und wie sie verhindert werden können (Studienstrukturreform?)
Die SPD will die Beratung schon in den Schulen verbessern. Sie ist für Studieneingangstests ("wo es sinnvoll ist"). Dies sei zwar eine zusätzliche Prüfung, aber auch eine Orientierung für junge Studierende.
Die FDP will die "Studierneigung steigern" (wie das mit Studiengebühren zusammenpasst, bleibt unklar). Sie möchte die Betreugungsrelation an den Hochschulen "nach Möglichkeit" steigern. Die Berufsorientierung und "Employabilty" soll durch einen Ausbau der Kooperation zwischen Unternehmen und Hochschulen gewährleistet werden. Zusätzlich sieht die FDP aber auch, dass die Vereinbarkeit von Familie und Studium gesteigert werden muss. Wichtig seien hierfür "spezielle Fördernetzwerke, Elternstipendien und das Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen".
Die Grünen möchten, dass die Hochschulen einen wachsenden Anteil ihrer Studierenden selbst Auswählen. Sie glauben, dass transparente und objektivierbare Auswahlverfahren möglich seien (was man durchaus bezweifeln kann). Durch "finanzielle Anreize aus den Innovationsbudgets" sollen die Einführung von Auswahlverfahren, aber auch allgemein mehr Beratung und Betreuung in der Einführungsphase des Studiums ermöglich werden. Auch "die Kooperation mit Schulen und Berufsberaterinnen und -beratern (soll) weiter ausgebaut werden."
Die CDU zitiert eine Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, nach der der volkswirtschaftliche Verlust durch Studienabbrecher über 7,6 Mrd. Euro betrage. Daher müsse auf jeden Fall eine Steigerung der Absolventenquote erreicht werden. Die Hochschulen sollen sich verstärkt der Beratung widmen, durch Zielvereinbarungen mit den einzelnen Hochschulen würde das durch die Regierung gefördert. Die Studiengebühren würden ebenfalls für diese Zwecke eingesetzt.
Die Linke will vor allem die Studienbedingungen verbessern. "Dazu gehört der Ausbau von individuellen Beratungs- und Betreuungsangeboten, ein entsprechendes Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden und die vernünftige Ausstattung von Instituten und Bibliotheken." Ein verbessertes, elternunabhängiges BAföG soll den Finanzierungsdruck verschwinden lassen und die Konzentration auf das Studium erleichtern.
Zur von der CDU erwähnten Studie sei allerdings von Studis Online angemerkt, dass eine Gleichsetzung der Studienkosten mit dem Schaden gewagt ist. Auch Studienabbrecher haben meist etwas vom Studium gehabt, man kann also nicht sagen, dass die Kosten für das Studium völlig verschwendet gewesen seien. Noch gewagter ist es, mit entgangenen Einkünften der Abbrecher zu rechnen. Denn gäbe es keine Abbrecher mehr, würden insgesamt mehr (teure) Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Umgekehrt könnten günstige "Jobber" (die Abbrecher) fehlen. Das gegeneinander aufzurechnen, ist kaum möglich.
Thema Umstellung auf Bachelor/Master; FHs vs. Uni
Die SPD sieht die Unterschiede zwischen Fachhochschulen und Unis langfristig abnehmen. Der Wechsel zwischen Studiengängen soll allgemein vereinfacht werden. Zu den Schwierigkeiten der Umstellung auf das Bachelor/Master-System wollte sich die SPD nicht weiter äußern, man müsse abwarten.
Die FDP sieht ebenfalls eine Aufweichung zwischen den Hochschularten. Speziell eingreifen will sie in diesen Prozess nicht. Den Bologna-Prozess (insbesondere also die Umstellung auf Bachelor/Master) sieht die FDP insgesamt als Erfolg an. Starre Quoten für den Übergang vom Bachelor zum Master soll es nach Ansicht der FDP nicht geben.
Die Grünen glauben, dass sich die Grenzen zwischen Unis und FHs in einigen Jahren oder Jahrzehnten historisch überholt haben werden. Sie finden die Umstellung auf Bachelor/Master richtig, sehen aber einges, was dabei an den Hochschulen schief gelaufen ist. Sie "wollen an den Hochschulen Bachelor- und Masterbeauftragte installieren, die sich um die Probleme bei der Umstellung kümmern." Wie die FDP möchten sie keine festen Übergangsquoten zwischen Bachelor und Master. Die Grünen sehen mit besonderer Sorge, dass viele Frauen offenbar nach dem Bachelor nicht weiterstudieren und wollen "dieser Tendenz (...) mit speziellen Anreizen zur Frauenförderung für die Hochschulen entgegenwirken."
Die CDU will "Gleichwertigkeit, aber keine Gleichartigkeit". Insofern hält die CDU also an der Trennung zwischen FHs und Unis fest. Die CDU will die Hochschulen "in ihrem Bemühen unterstützen, dass in die Studiengänge Auslandssemester in Kooperation mit Partnerhochschulen integriert werden." Offenbar wird es nicht als Problem gesehen, dass innerhalb des Bachelor-Studiums ein Wechsel schwieriger geworden ist, denn die CDU betont, "dass der Wechsel zum Masterstudium jeden Standortwechsel (Ort bzw. Land) erlaubt."
Die Linke will die Trennung in FHs und Unis "überwinden". Sie tritt dafür ein, dass der Zugang zum Master für alle Studierende offen steht.
Thema Mitsprache der Studierenden
Die SPD will die demokratischen Strukturen in der Hochschule stärken (wie genau und was dabei die Studierenden zu sagen haben, bleibt offen). Der Hochschulrat (der auch mit Mitgliedern von außerhalb der Hochschulen besetzt ist) soll dagegen nur noch beratend tätig sein.
Die FDP wollen mehr Autonomie insbesondere in Hinblick auf Wettbewerb unter den Hochschulen. "Wettbewerb und das Bedürfnis, sich voneinander abzugrenzen, führen zu Qualitätssteigerungen und Verbesserungen der Studienbedingungen, wie das Beispiel privater Hochschulen zeigt." Dabei soll aber die "demokratische Legitimation" sichergestellt bleiben. Was das konkret für die Mitsprache der Studierenden bedeutet, bleibt offen.
Die Grünen wollen den Hochschulen mehr Autonomie geben. Allerdings gehörten dazu auch "mehr Mitsprache insbesondere der Studierenden in den Hochschulen und eine Ausweitung der Kompetenzen des Senats" (offenb bleibt, worin das "mehr" bestehen soll). Die von der CDU eingeführte 25%-Hürde bei den Hochschulwahlen (wird diese unterschritten, wird der Etat der Studierendenvertretungen gekürzt) soll abgeschafft werden.
Die CDU will die Autonmie der Hochschulen weiter ausbauen und verweist u.a. auf die Umwandlung der Uni Frankfurt in eine Stiftung (die vom AStA der Uni übrigens eher kritisiert wurde). Auf die Mitspracherechte der Studierenden geht die CDU nicht konkret ein, sie spricht nur wolkig davon, dass die "Einbeziehung aller Personen und Gruppen an den Hochschulen (...) von elementarer Bedeutung" sei. Nur was heißt "Einbeziehung" konkret?
Die Linke tritt für eine Stärkung der studentischen Selbstverwaltung ein und will in Hochschulgremien die Drittelparität einführen.
Erläuterung: Drittelparität bedeutet, dass in Gremien wie dem Senat ProfessorInnen, Studierende und (wissenschaftliche) Mitarbeitende jeweils 1/3 der Stimmen auf sich vereinen. Bisher hat die Gruppe der ProfessorInnen an Universitäten die absolute Mehrheit (9 Sitze), die Studierenden sind mit drei Sitzen vertreten (an Fach- und Kunsthochschulen 5), 3 haben die wissenschaftlichen, 2 die sonstigen Mitarbeiter.