Hochschulpakt 2020Problem Studienplätze erkannt, aber längst nicht gelöst
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst in der Erziehung und Wissenschaft 1/2007 der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Wir danken der GEW und dem Autoren für die Genehmigung, den Artikel auch bei Studis Online publizieren zu dürfen. |
Damit trugen die Regierungschefs einerseits der besonderen demografischen Situation in den neuen Ländern sowie dem Umstand Rechnung, dass die Berliner, Hamburger und Bremer Hochschulen weit über den landeseigenen Bedarf hinaus Studierende ausbilden. Andererseits steht damit fest, dass fast ein Viertel der vom Bund bereit gestellten Mittel nicht für den notwendigen Ausbau der Studienplätze, sondern lediglich für die Verhinderung bzw. Abmilderung ihres Abbaus eingesetzt werden.
Aus weiteren Details ergeben sich zudem Zweifel, ob der "Hochschulpakt 2020" tatsächlich 90000 zusätzliche Studienplätze bringen wird. So ist fraglich, ob für die Schaffung eines neuen Studienplatzes 5500 Euro pro Jahr ausreichen, wie die Regierungschefs kalkulieren.
Nicht auszuschließen ist ferner, dass die Länder die Ausbildungskapazitäten ihrer Hochschulen durch die Schaffung neuer Personalkategorien mit höherer Lehrverpflichtung ("Lecturer") ausweiten – ohne mehr Geld dafür auf den Tisch zu legen. Derartigen Mitnahmeeffekten hätten die Regierungschefs durch verbindliche qualitative Kriterien für das Lehrpersonal vorbeugen müssen. Mit diesem Instrument hätten sie auch einen Mindestanteil an Frauen bei der Besetzung neu einzurichtender Wissenschaftlerstellen vereinbaren können.
Nur ein erster Schritt
So oder so wird der "Hochschulpakt 2020" nur ein allererster Schritt sein können, um dem steigenden Bedarf an Studienplätzen gerecht zu werden. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat einen Anstieg der Studierendenzahlen um rund ein Drittel von heute unter zwei Millionen auf rund 2,7 Millionen bis 2014 prognostiziert.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) geht davon aus, dass deshalb von 2007 bis 2020 pro Jahr ein finanzieller Mehrbedarf von durchschnittlich 2,3 Milliarden Euro besteht. Bund und Länder müssen sich also schnell auf eine tragfähige Anschlussregelung verständigen, wenn sie nicht nach den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ein zweites Mal der verhängnisvollen Illusion unterliegen wollen, einen "Studentenberg untertunneln" zu können.
Etwas Geld für die Lehre, mehr aber für die Forschung
Der "Hochschulpakt 2020" umfasst neben der "Säule Lehre" auch eine "Säule Forschung", über die der Bund die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Drittmittelprojekte zusätzlich mit einer Programmpauschale in Höhe von 20 Prozent der Fördersumme unterstützen wird. Damit sollen den Hochschulen die so genannten "Overhead-Kosten" der Drittmittelforschung, die durch Nutzung von Flächen, Infrastruktur oder Verwaltung entstehen, erstattet werden.
Hierfür will der Bund bis 2010 700 Millionen Euro aufbringen. Das ist mehr als er für den Ausbau der Studienplätze im Rahmen der "Säule Lehre" ausgibt. Obwohl das Problem des Studienplatzmangels sich weiter verschärfen wird: Die geburtenstarken Jahrgänge der 90er Jahre drängen an die Unis; die Verkürzung der Schulzeit in den Ländern sorgt für doppelte Abiturjahrgänge.
Kritische Begleitung vor Ort nötig
Doch auch wenn die Prioritätensetzung zu Lasten von Studium und Lehre kritisch zu sehen ist: Die Overhead-Finanzierung ist längst überfällig – denn sie verbessert bei unterfinanzierten Hochschulen und Fächern die Chancen, erfolgreich Drittmittel einzuwerben. Zugleich ermöglicht sie, dass künftig die stillschweigende Zweckentfremdung von Grundausstattungsmitteln für Forschung und Lehre zu Gunsten von Drittmittelprojekten unterbleibt.
Voraussetzung dafür ist, dass die neue Programmpauschale tatsächlich an die Hochschulhaushalte zurückfließt – und damit letztlich auch der Verbesserung der Qualität der Lehre zu Gute kommt. Die Umsetzung des "Hochschulpakts 2020" in den Ländern und Hochschulen bedarf daher der kritischen Begleitung vor Ort.