Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 26.01.2005Auf dem Weg zu Studiengebühren
Zum Jahrestag Demo, u.a. gegen Studiengebühren und für die verfasste Studierendenschaft 26.01.2007, 14 Uhr, ab Vorplatz HBf Karlsruhe Unterstützt wurde die Demonstration nicht nur vom bundesweiten Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) und vielen Studierendenvertretungen, auch von SchülerInnenorganisationen, Gewerkschaften und der SPD Baden-Württemberg waren RednerInnen dabei. |
Das Bundesverfassungsgericht befand in seiner Entscheidung nicht über die Verfassungsmäßigkeit von Studiengebühren, sondern darüber, ob der Bund an dieser Stelle eine Richtlinienkompetenz hat oder nicht. Bildung ist traditionell Sachen der Bundesländer gewesen, der Bund hatte (durch die Föderalismusreform sind diese Kompetenzen weiter geschrumpft) lediglich gewisse Kompetenzen für eine Rahmengesetzgebung.
Die Entscheidung schließlich fiel zuungunsten der damaligen Bundesregierung aus. Das Gericht ging davon aus, dass Studiengebühren sozialverträglich gestaltet werden könnten. Auch sah das Gericht die Gefahr als gering an, dass es zu Kapazitätsengpässen an gebührenfreien Hochschulen komme.
Sozialverträgliche Studiengebühren?
Diese beiden Punkte wurden teilweise als politische Bewertung des Gerichts kritisiert, die größtenteils auf Spekulationen beruhen. Die damit verbundene indirekte Forderung des Gerichts nach "sozialverträglicher" Ausgestaltung der Studiengebühren dürfte jedoch ein Grund gewesen sein, dass alle Bundesländer, die Studiengebühren eingeführt haben, dazu auch Studienbeitragsdarlehen anbieten.
An der Ausgestaltung der Studienbeitragsdarlehen (aber auch an den Ausnahmeregelungen, wer keine Studiengebühren zahlen muss) kann man jedoch sehen, wie unterschiedlich die einzelnen Länder das Kriterium "sozialverträglich" interpretieren. Die Zinsen sind schon heute zwischen 5,46% (Hamburg) und 7,2% (Baden-Württemberg), die Kappungsgrenze, über der weitere Schulden erlassen werden (Studienbeitragsdarlehen und BAföG-Staatsdarlehen zusammengerechnet) liegt zwischen 10.000 Euro (Nordrhein-Westfalen, genau genommen sogar 1.000 Euro mal Anzahl der Semester mit Studienbeitragsdarlehen - meist also sogar unter 10.000 Euro) und 17.000 Euro (Hamburg). KritikerInnen sehen in all diesen Regelungen keine wirkliche Sozialverträglichkeit.
Eine grundlegender Auseinandersetzung findet sich im Artikel Studiengebühren und soziale Gerechtigkeit.
2005/2006: Einführung von Studiengebühren doch nicht so schnell, Banken führen Studienkredite ein
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war der Weg für Studiengebühren aus Sicht der Gebührenbefürworter frei. Im ersten Überschwang wurden Gebühren schon für das Wintersemester 2005/2006 angekündigt - jedenfalls vom bayerischen Wissenschaftsminister Goppel. Den Stand kurz nach Urteilsverkündigung siehe den Artikel Welche Länder Studiengebühren planen vom 29.01.2005.
Baden-Württemberg und Hamburg wollten wenigstens 2006 mit Gebühren anfangen und auch Niedersachsen (das zwar nicht geklagt hatte, aber für Studiengebühren war) sich dem anschließen. Mit gewissem Erstaunen war dann aber zu registrieren, dass die Termine immer wieder verschoben wurden. Offenbar hatten die Gebührenfans doch nicht so gut ausgearbeitete Gebührengesetze in der Schublade.
Am Ende waren dann Nordrhein-Westfalen (was erst durch die Abwahl der rot-grünen Landesregierung im Mai 2005 überhaupt zu einer gebührenbefürwortenden Landesregierung kam) und Niedersachsen am schnellsten. In diesen Länder mussten von Erstsemestern bereits im Wintersemester 2006/2007 Studiengebühren bezahlt werden.
Noch bevor konkrete Studiengebührengesetze präsentiert wurden, hatten einige Banken schon Studienkredite vorgestellt. Der Zusammenhang mit der kommenden Einführung von Studiengebühren war eklatant - offenbar wollten sich die Banken in Position bringen, wenn zukünftig die Gebühren steigen und die staatliche Absicherung bröckelt.
"Passend" hörte man im April 2005, dass die CDU bei einem Wahlsieg im Herbst das BAföG abschaffen wolle. Das wurde später zwar relativiert, zeigt aber die Tendenz. Die mit dem Regierungswechsel und Beginn der großen Koalition amtierende Bundesbildungsministerin Schavan (CDU) hat sich tatsächlich eher um Studienkredite, als um das BAföG gekümmert.
Proteste begleiten tatsächlichen Beschluss und Einführung der Studiengebühren bis heute
In allen Bundesländern kam es mit dem Bekanntwerden konkreter Studiengebührenpläne zu Protesten, schon am 03.02.2005 versammelten sich bundesweit an die 30.000 Studierenden.
Der Sommer 2005 stand für Studierende an vielen Hochschulen unter dem Motto "Summer of Resistance", es kam zu Streiks und anderen Protesten. Nicht nur Studierende kritisierten die geplanten Gebühren, auch Gewerkschaften oder das Deutsche Studentenwerk (siehe Mehr Staat, weniger Markt bei der Studienfinanzierung!). Einen Erfolg im Sinne des Verhinderns von Gebühren gab es trotz der Proteste nicht - allerdings wären ohne diese Unruhe die Details der Studiengebührengesetze sicher rigider ausgefallen.
Aber auch "zwei Jahre danach" sind die Proteste nicht vorbei: Es läuft der Versuch, mit einem Boykott der Studiengebühren doch noch die Gebühren zu verhindern. Parallel dazu gibt es Klagen gegen diverse Details der Gebührengesetze, die Umsetzung an einzelnen Hochschulen oder die Gesetze an sich.
Quellen und weitere Informationen
- Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2 BvF 1/03)
- Studiengebühren in Deutschland (ständig aktualisiert)
- Übersicht und Vergleich der Studienbeitragsdarlehen (ständig aktualisiert)
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