Studiengebührenboykott SoSe 2007Nur noch Hamburg dabei
Wer die Idee eines Gebührenboykotts noch nicht (gut) kennt, sollte sich zunächst im Artikel Studiengebühren boykottieren? informieren, bevor weitergelesen wird.
Dieser Artikel zeigte während der vergangenen Monate, welche Hochschulen überhaupt einen Boykottversuch gestartet hatten und schließlich, wie diese Versuche ausgingen. Die Hamburger Hochschulen waren im Artikel ebenfalls erwähnt, faktisch aber etwas außen vor, da in Hamburg als einzigem Bundesland die Studiengebühren erst mitten im Semester zu zahlen sind. Wie es dort ausgeht, kann nun im gesonderten Artikel Studiengebührenboykott in Hamburg nachgelesen werden, weitere Boykottversuche bezogen auf Gebühren für das Wintersemester 2007/2008 sind in einem weiteren Artikel zu finden.
Zu den Quoren: Die Prozentzahlen bezogen sich auf die Zahl der immatrikulierten Studierenden, meist wird aber eine absolute Zahl festgelegt, die nahe an diesem Prozentwert liegt, der Prozentwert ist also eher als ungefähr-Angabe zu verstehen.
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Quorum erreicht - realer Boykott war im Gange, wurde aber abgebrochen
Mit Erreichen des jeweiligen Quorums - auch vor Erreichen der Frist - ist der erste Schritt gemacht: Es kann in die heiße Phase des Boykotts eingetreten werden und Verhandlungen mit Hochschulleitung und evt. Ministerium mit dem Rückhalt der zahlreichen Beteiligung begonnen werden. So jedenfalls die Theorie, die wohl am ehesten realisierbar würde, wenn auch mehrere große Hochschulen in den Boykott treten.
Zum Boykott an der Musikhochschule Karlsruhe
An der Musikhochschule Karlsruhe wurde das Quorum buchstäblich in letzter Minute erreicht: durch Bareinzahlungen, teilweise direkt beim Anwalt. Zwischenzeitlich gab es schon - leider auch hier - die Falschmeldung, es hätte nicht gereicht. Inzwischen (siehe weiter unten) wurde der Boykott aber abgebrochen.
An der Musikhochschule wurde der Boykott am 19.02. abgebrochen. "Da an den meisten anderen Hochschulen und Universitäten das erforderliche Quorum nicht erreicht wurde, sehen wir uns nicht mehr in der Lage, den Boykott länger aufrecht zu erhalten. Die Gefahr, exmatrikuliert zu werden ist ohne deren Beteiligung einfach zu groß", erklärte Dominique Anstett vom AStA.
Der AStA der MuHo betont aber: Von Aufgeben kann allerdings nicht die Rede sein. Über 2.500 Klagen gegen die Zahlungsbescheide sind in Baden-Württemberg anhängig. Weiterhin werden auch die Studierenden der Hochschule für Musik Karlsruhe ihrem Protest gegen Studiengebühren Ausdruck verleihen und auf die negativen Auswirkungen des Gesetzes aufmerksam machen.
So sei es gelogen, "wenn die Landesregierung behauptet, dass jeder, der Studiengebühren bezahlen muss auch Anspruch auf den zu unverschämten Konditionen angebotenen Kredit der L-Bank hat." Hintergrund ist die Tatsache, dass bei Weiterbildungsstudiengänge zwar Studiengebühren anfallen, ein Darlehen dafür aber meist nicht möglich ist (das Darlehen gibt es nur für die Regelstudienzeit eines Erststudium plus einige Semester).
Zum Boykott an der HfG Karlsruhe und der Kunstakademie Karlsruhe
Diese beiden Hochschulen hatten ihr Quorum schon einige Tage vor Fristende erreicht und schließlich deutlich übertroffen. Auch nachdem bspw. an der HfG Mitte Februar die Briefe der Hochschulverwaltung verschickt wurden, die eine letzte Frist für die Überweisung der Geldes setzten und die Exmatrikulation nach Ablauf dieser Frist androhten, blieben sie weiter im Boykott.
Kurz vor Ablauf der genannten Frist (28.02.) jedoch wurde auch diesen Studierenden die Sache zu heiß. Bis auf das Ergebnis der Uni Karlsruhe zu warten (die schließlich ihr Quorum deutlich verfehlte), erschien ihnen zu riskant. "Es besteht die begründete Sorge, dass die jetzigen Boykottierer als Bauernopfer exmatrikuliert werden, um die Studenten an der Universität Karlsruhe abzuschrecken", so der AStA Vorsitzender der HfG, David Howoldt.
"Gerade wegen der hohen Beteiligung von über 50 Prozent der Studierenden, die zahlen müssen, betrachten wir den Boykott nicht als gescheitert. Die Studenten haben durch ihre Beteiligung am Boykott eine klare Aussage getroffen, die auch bei weiteren Verhandlungen, etwa über die Verwendung der Gebühren, ausschlaggebend sein wird. Allerdings geht aus den bisherigen Gesprächen bereits hervor, dass nur ein Bruchteil des Geldes tatsächlich in die Lehre fließen wird. 10% - 30% der Studiengebührengelder gehen als Ausfallfonds an die L-Bank, es wird bei uns mit 10% Verwaltungsaufwand gerechnet. Durch den Wegfall der bisherigen Langzeitstudiengebühren fallen weitere 30 % der Einnahmen durch die Allgemeinen Studiengebühren weg. Es wir demnach weder viel Spielraum geben von unserem Mitspracherecht zur Gebührennutzung Gebrauch zu machen, noch werden Verbesserungen der Lehre zu erwarten sein", so Andreas Arndt, AStA der Kunstakademie Karlsruhe.
Die aktiven Studierenden der beiden Hochschulen betonen, dass sie sich weiter auf allen Ebenen gegen die Politik von Landeswissenschaftsminister Frankenberg wehren werden. Vom AStA der HfG gibt es weiterhin den Protestbrief-Generator, mit dem bequem baden-württembergischen PoltikerInnen der regierenden CDU geschrieben werden kann.
Stadt | Hochschule | Teilnehmende zur Frist/ | benötigt | Frist | im Gang/ |
Karlsruhe | HfG | 138/148 | 124 (30%) | 29.01. | Abbruch 26.02. |
Kunstakademie | 139/141 | 100 (30%) | 31.01. | Abbruch 26.02. | |
Musikhochschule | 117/123 | 117 | 29.01. | Abbruch 19.02. |
Quorum nicht erreicht
Ein Problem des Boykotts zum SoSe 2007 war, dass die Rückmeldefristen an den einzelnen Hochschulen äußerst unterschiedlich sind. Bei einigen lagen diese Fristen Anfang/Mitte Januar, an anderen erst Mitte/Ende Februar oder März. Hamburg schlägt vollkommen aus der Reihe: Dort wird die Zahlung der Studiengebühren von der Rückmeldung entkoppelt sein und erst im Juni fällig (siehe In Hamburg zahlt man später - oder gar nicht?).
Eine erste Zwischenbilanz und eine kurze Analyse der Lage, nachdem die meisten Hochschulen aus dem Boykott aussteigen mussten, kann man im Artikel Studiengebührenboykott 2007: Eine Zwischenbilanz nachlesen.
Grundsätzlich scheint es an großen Hochschulen deutlich schwieriger, genügend Leute zusammen zu bekommen. Es ist schwerer, die Masse der Studierenden zu erreichen (an sehr kleinen Hochschulen wie bei den drei Karlsruhern kennen sich dagegen fast alle direkt), das Misstrauen gegenüber den Organisatoren ist größer (obwohl es auch bei ähnlichen Aktionen in der Vergangenheit nie tatsächliche Probleme gab). An manchen Hochschulen waren es offenbar auch einfach zu wenig Aktive, die die Aktion gestützt haben - und ohne Aktive geht es eben nicht.
Die Studierenden der PH Heidelberg waren vom Quorum noch am wenigsten entfernt. Dafür, dass erst Mitte Dezember der Boykott endgültig beschlossen wurde und die Vorlaufzeit somit sehr kurz war, sind 773 TeilnehmerInnen (zu Fristende am 19.01., es kamen dann offenbar verspätet noch einige hinzu, so dass es insgesamt 788 waren) ein sehr gutes Ergebnis gewesen - und nicht sehr weit von den benötigten 1000. Vor allem waren alle bisherigen "Aussteiger" zu früh dran, um noch die ersten zustande gekommenen Boykotte mitzubekommen (siehe ganz oben).
In Hannover war die Teilnahme am Boykott etwas komplizierter - man musste neben der Überweisung noch eine Teilnahme-Erklärung ausfüllen. Dazu waren die Drohgebärden des niedersächsischen Wissenschaftsministeriums besonders stark. Wie aus einer Presseerklärung des Uni-AStA-Referenten Daniel Josten hervorgeht, ist die Zahl der Nachfragen nach einer Beurlaubung stark gestiegen - und die Uni antwortet darauf mit einer Verschärfung der Bedingungen. "Offenbar sind der Universität die Einnahmen aus Studiengebühren wichtiger als das erfolgreiche Studium der Studierenden.", heißt es von Seiten des AStAs.
Auffällig ist noch, dass in Bayern - die allerdings auch sehr wenigen und spät gestarteten - Boykottversuche extrem wenig Unterstützung finden.
Stadt | Hochschule | Teilnehmende rechtzeitig / insgesamt | benötigt | Frist |
Bamberg | Uni | ca. 280 | 25% (ca.2000) | 01.02. |
Braunschweig | TU | 504/535 | 3000 (25%) | 03.02. |
HBK | ? | 25% | 16.02. | |
Dortmund | Uni | ca. 500 | 5000 (<25%) | 14.02. |
Freiburg | Uni | 2204 | 5500 (25%) | 15.02. |
PH | 771 | 1200 (25%) | 26.01. | |
Hannover | Uni | ca. 1250 | 5000 (25%) | 31.01. |
FH | ca. 60? | ca. 1400 (25%) | 26.01. | |
Hannover | TiHo | 101 | 300 (25%) | 07.03. |
HMT | 103 (11,4%) | 25% | 26.01. | |
Heidelberg | Uni | 1216 | 4500 (ca.17%) | 15.02. |
PH | 773/788 | 1000 (25%) | 19.01. | |
Hildesheim | Uni | 15,7% (703) | 25% (1119) | 09.02. |
Hildesheim u.a. | HAWK/FH Hildesheim/ |
498 | 30% | 08.01. |
Karlsruhe | Uni | 962 | 4500 (25%) | 23.03. |
Hochschule/FH | 209 | 1500 (25%) | 23.02. | |
PH | 206 | 1200 (40%) | 26.01. | |
Köln | SpoHo | ca. 240 | 1200 (25%) | 07.02. |
Lüneburg | Uni | 9,1% (944) | 25% | 12.01. |
Mannheim | Hochschule/ |
266 (6%) | 1200 (25%) | 15.01. |
Oldenburg | Uni | ca. 1100 | 2500 (25%) | 25.02. |
Osnabrück | Uni | 456 | 2626 (25%) | 16.02. |
Siegen | Uni | 174 | 3137 (25%) | 01.03. |
Stuttgart | Uni | mind. 1377 | 4200 (25%) | 15.02. |
Trossingen | MuHo | 65 | 100 | 31.01. |
Tübingen | Uni | 1644 | 6100 (25%) | 14.02. |
Wilhelmshaven | FH OOW | 16,7% | 30% | 02.01. |
Würzburg | Uni | < 1% | 5000 (25%) | 01.02. |
Kein Boykott-Versuch - oder verschoben
An weiteren Hochschulen gab es zwar Initiativen, die die Idee eines Boykotts verfolgt haben, trotzdem kam es aber nicht zur Eröffnung eines Treuhandkontos. Wir nennen hier einige an größeren Unis, soweit uns Informationen dazu vorliegen.
Laut der Webseite des Protestkomitee gegen Studiengebühren in Bochum wird es an der Uni Bochum zum Sommersemester doch kein Versuch eines Boykotts geben. Grund ist demnach, dass nach den Wahlen zum Studierendenparlament Anfang Februar die weitere Zusammensetzung und Ausrichtung des AStAs unsicher sei und daher ein Boykott wenig Sinn mache.
An der Uni Bonn gab es eine Vollversammlung, die mit großer Mehrheit für einen Boykott votierte. Allerdings war die VV eher schlecht besucht (ca. 400 Studierende - für eine Uni dieser Größe wenig bei so einem Thema). Der AStA sah daher zu wenig Rückhalt für einen Boykott und weigerte sich, Vorbereitungen für einen Boykott zu treffen. Auch die Boykott-BefürworterInnen schafften es nicht, AStA-unabhängig ein Treuhandkonto auf die Beine zu stellen.
An der Uni Göttingen wurden die Studierenden per Urabstimmung um ihre Meinung gebeten. Zwar wurde eine deutliche Mehrheit erzielt - aber das nötige Quorum verfehlt.
Die Bemühungen, einen Boykott an der Uni München zu organisieren, kamen etwas spät. Der aktive Arbeitskreis hat daher Anfang Januar beschlossen, einen Boykott nicht mehr zum SoSe 2007, sondern erst zum WiSe 2007/2008 zu versuchen.
Weitere aktuelle Artikel und Hintergründe, Diskussion
- Zum Thema diskutieren - im Forum Hochschulpolitik bei Studis Online
- Studiengebührenboykott 2007: Eine Zwischenbilanz (20.02.2007)
- In Hamburg zahlt man später - oder gar nicht? (Artikel vom 17.01.2007)
- Minister drohen Studiengebühren-Boykotteuren (Artikel vom 22.12.2006)
- Studiengebührenboykott kommt in Fahrt (Artikel vom 01.12.2006)
- Studiengebühren boykottieren? (Artikel vom 13.11.2006 mit der Grundidee eines Gebührenboykotts und ein wenig Geschichte, also Erfahrungen von früheren Boykotten)
- boykottinfo.de (Bundesweite Seite zum Gebührenboykott mit Links zu den lokalen Initiativen)
- Liste von Hochschulen, deren Studierenden beim Boykott dabei sind - oder auch nicht (via bildung-schadet-nicht.de)
- Stand der Dinge in Sachen Studiengebühren (Übersicht von Studis Online, ständig aktualisiert)
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