HochschulpolitikRheinland-Pfalz will Studiengebühren für Nicht-Landeskinder
Nach wie vor behauptet der Wissenschaftsminister Zöllner, gegen Studiengebühren zu sein. Er befürchtet aber einen Studierendenansturm aus Gebühren-erhebenden Bundesländern. "Vor diesem Hintergrund sehen wir uns dazu gezwungen, im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen ein gebührenfreies Erststudium auf der Basis von Studienkonten grundsätzlich auf jene Studierende zu beschränken, die durch ihre Wohnsitznahme dazu beitragen, dass dem Land Mittel aus dem Länderfinanzausgleich zufließen", erläuterte der Minister.
Der Gesetzentwurf, der in den kommenden Wochen parlamentarisch beraten wird, sieht vor, dass Studierende, die nicht mit dem Hauptwohnsitz im Land gemeldet sind, pro Semester 500 €, nach dem 14. Semester 650 € entrichten müssen. Nur im ersten Semester sollen noch keine Gebühren anfallen, wegen der "mit dem Studienbeginn verbundenen Schwierigkeiten einer rechtzeitigen Wohnungssuche" (wie es in der Presseerklärung des Ministeriums heißt). Wer aktuell BAföG erhält, soll auch nicht zahlen müssen.
Vorteilsausgleich statt Studiengebühren?
"Priorität hat für die Landesregierung weiterhin der Einstieg in einen Systemwechsel in der Hochschulfinanzierung, wie er in der Schweiz mit dem Vorteilsausgleich erfolgreich praktiziert wird. Die Landeskinderregelung wird nur dann in Kraft treten, wenn der Vorteilsausgleich nicht realisiert werden sollte", ergänzte Wissenschaftsminister Zöllner.
Bildung ist - seit der Föderalismusreform noch mehr als schon zuvor - vor allem Ländersache, der Bund kann nur noch geringen Einfluss nehmen (ganz davon abgesehen, dass die große Koalition selbst nicht einig ist). Da eine Regelung wie der von Zöllner vorgeschlagene Vorteilsausgleich die Zustimmung aller Bundesländer erfordern würde, ist damit nicht wirklich zu rechnen. Denn bspw. die Länder, die mit dem Status Quo besser fahren, werden wohl nicht zustimmen.
Studiengebühren-Pläne möglicherweise nicht verfassungskonform
Da der eigentlich gewünsche Vorteilsausgleich wohl nicht zustande kommen wird, bliebe es bei den Studiengebühren-Plänen. Das ist durchaus gewagt. Ähnliche Gesetze gab bzw. gibt es schon in Bremen und Hamburg - mit wenig Erfolg.
In Hamburg entschied im November 2005 das Oberverwaltungsgericht, die Studiengebühren für Studierende an Hamburger Hochschulen, die außerhalb der "Metropolregion Hamburg" wohnen, seien verfassungswidrig. Eine Studiengebühr für alle, die nicht in Hamburg und naher Umgebung wohnen, verstoße gegen den Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger. Demnach sei es nicht statthaft, nach dem Wohnsitz der BürgerInnen zu differenzieren, wenn es wie hier um den Zugang zu einer Hochschule gehe, der über Landesgrenzen hinweg allen gleichermaßen offen stehen müsse.
Da in Hamburg ab nächstem Jahr allgemeine Studiengebühren erhoben werden sollen und die im genannten Verfahren verklagte Uni Hamburg auf die weitere Erhebung der Gebühr verzichtete, dürfte das Verfahren in diesem Fall zum Erliegen gekommen sein.
In Bremen wurde die Gebühr für Externe erstmals in diesem Wintersemester erhoben - und per Eilentscheid gestoppt. Damit ist zwar noch keine endgültige Entscheidung gefallen - ganz davon abgesehen, dass es sowieso "nur" die erste Instanz wäre - aber eine Tendenz wird erkennbar.
Es bleibt also gewagt von der rheinland-pfälzischen Regierung, auf den aktuellen Gesetzentwurf zu setzen. Vermutlich wird aber auch die Befassung im Landtag daran nichts ändern - die SPD wird den Antrag mit ihrer absoluten Mehrheit im Landtag durchwinken. Problematisch könnte dabei - neben den schon genannten Bedenken - auch sein, dass eine Darlehensregelung für die Gebühren nicht im Gesetz vorgesehen ist, sondern nur in der Gesetzesbegründung als geplant erwähnt wird.
Studentischer Dachverband kritisiert Pläne
Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften lehnt den Gesetzentwurf grundsätzlich ab. Von der neu vorgesehenen Landeskinderregelung abgesehen, wird schon das bisher bestehende Studienkontenmodell (faktische Langzeitstudiengebühren) als problematisch angesehen. Der fzs sieht schon das Studienkontenmodell als eine Aufgabe der Idee von Bildung als Menschenrecht an - es wird durch die Idee Bildung als Ware ersetzt.
Zur "Landeskinderregelung" wird angeführt, dass Studierenden, die in den Grenzgebieten der benachbarten Bundesländer bei ihren Eltern leben und zu den grenznahen Rheinland-Pfälzischen Hochschulen pendeln, besonders benachteiligt werden. Diese Studierenden, die sich schon ihren Wohnortwechsel zu ihrem Studienort nicht leisten können, auch noch mit Studiengebühren zusätzlich zu belasten, ist sozial völlig unausgewogen. Ähnliche Effekte ergeben sich für Studierende aus Luxemburg, die große ökonomische Nachteile durch den Wegfall von luxemburgischen Studienförderungen durch einen Erstwohnsitzwechsel nach Rheinland-Pfalz erleiden.
Schließlich befürchtet der fzs, dass nach einem Einstieg in eine "Landeskinderregelung" die Definition von "Landeskind" immer restriktiver ausfallen könnte. In der vorangegangenen Diskussion tauchte bereits der Vorschlag auf, nur Rheinland-Pfälzische AbiturientInnen könnten als "Landeskinder" gelten. In diesem Fall würde der Kreis der von Studiengebühren Betroffenen erheblich erweitert.
Hintergründe und mehr zum Thema
- Ministerrat billigt Gesetzentwurf zur Änderung des Hochschulgesetzes (Pressemeldung des Wissenschaftsministeriums, 31.10.2006)
- Der fzs lehnt Einführung von Studiengebühren auch mit einer sog. Landeskinderregelung ab (Positionspapier des freien zusammenschluss von studentInnenschaften, 01.11.2006)
- Erstes Landesgesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften des Landes Rheinland-Pfalz (Gesetzentwurf, Landtagsdrucksache 15/400)
- Bremen: Verwaltungsgericht sieht Studiengebühren für Externe als rechtswidrig an (17.08.2006)
- Hamburg: Gebühren für Externe gestoppt (22.11.2005)
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