InterpretationenSchrecken Studiengebühren ab?
Dies war Anlass, bei der ZVS genauer nachzufragen. Wie mir der Pressesprecher der ZVS versicherte, liegt es der ZVS fern, politische Bewertungen abzuliefern. Es sei lediglich so, dass "die Presse" nachfragte, wie sich denn die Bewerberzahlen entwickelt haben. Da am 15. Juli bei der ZVS Bewerbungsschluss war, liege das nahe. Aus der reinen Zahl der Bewerbungen könne die ZVS tatsächlich keine abschreckende Wirkung der kommenden Studiengebühren ablesen - es gibt nämlich deutlich mehr BewerberInnen. Vollkommen verwunderlich sei das nicht, da auch die Zahl der AbiturientInnen gestiegen sei. Trotdzem habe man nicht damit gerechnet, dass die Bewerberzahlen so hoch ausfallen. Vgl. "ZVS: Studiengebühren schrecken Bewerber nicht ab" bei web.de (beruhend auf einer dpa-Meldung).
Die ZVS hat bisher jedoch keinerlei detaillierteren Auswertungen vorliegen, so dass es für jedwelche tiefgreifenden Schlussfolgerungen zu früh ist. Bekannt ist die Zahl der online und schriflich eingegangenen Bewerbungen. Dies sind diesmal 117900, worunter allerdings eine Menge Dopplungen sind - sei es, weil online Unsicherheit bestand, ob der Antrag angekommen ist, sei es, weil eine Korrektur als neuer Antrag losgeschickt wurde. Hinzu kommt noch, dass alle Online-Bewerber noch einige Unterlagen per Post nachreichen müssen. Einige tun dies nicht und fallen daher wieder weg. Es sei aber ziemlich sicher davon auszugehen, dass es am Ende mehr als die 72.000 BewerberInnen vom letzten Jahr sein werden.
Soweit also zum Stand der Dinge - der offensichtlich noch wenig aussagekräftig ist.
Aber selbst, wenn die ZVS irgendwann im Oktober alle Anträge, Nachrückverfahren etc. hinter sich hat und eine detaillierte Statistik vorlegen kann, sind Schlüsse in Bezug auf die Wirkung von Studiengebühren eher fehl am Platz (obwohl die Politik sie wohl bringen wird). Warum?
1. Die ZVS vergibt nur einige wenige Studiengänge vor allem aus dem medizinischen Bereich. Man kann vermuten, dass diese Studiengänge traditionell von Menschen aus finanzschwachen Familien nicht so stark nachgefragt sind. Nur für letztere aber stellen Studiengebühren in der aktuellen Höhe ein deutliches Hindernis dar. Wenn also die ZVS-Studiengännge keinen Einbruch verzeichnen, so stellt sich daraus nicht ableiten, dass dies allgemein so sein müsste.
2. Selbst wenn man auswertet, welche Hochschulen besonders gefragt waren oder nicht, lässt sich nicht zwangsläufig ein Argument für oder gegen Studiengebühren finden, da die Wahl von vielen anderen Faktoren überdeckt wird (und die Studiengebühren nach 1. ja bei de betrachteten Studiengängen auf die Studienwahl vermutlich geringere Auswirkungen haben). Genannt sei nur der Ruf der Hochschule, die Beliebtheit der Stadt, aber auch die Lebenshaltungskosten der einzelnen Städte.
3. Für eine generelle Aussage, ob Studiengebühren abschreckend wirken, wäre auch eine Betrachtung der gesamten Studienanfängerzahlen nicht ausreichend. Zusätzlich müsste betrachtet werden, ob sich die soziale Zusammensetzung der StudienanfängerInnen verändert hat. Es könnte z.B. sein, dass es zwar auch relativ mehr StudienanfängerInnen gibt - aber dies vor allem deswegen, weil Menschen aus finanzstärkeren Familien viel stärker auf ein Studium setzen, diejenigen aus finanzschwachen jedoch weniger. Das wäre dann durchaus bedenklich.
4. Sollte sich herausstellen, dass zunächst die Studierneigung allgemein nicht abfällt, so wäre trotzdem sehr genau zu beachten, ob es auf längere Sicht zu Verschiebungen zwischen Studiengängen und Hochschulen kommt. Der Blick auf ein Jahr im Vergleich zum Vorjahr zeigt relativ wenig. Schließlich gibt es immer auch ein gewisses zufälliges "Rauschen", ob Studieren beliebter wird oder auch nicht.