Umfragen zu StudiengebührenStudierende immer noch dagegen
Nordrhein-Westfalen will Gebührenerhebung den Hochschulen freistellen
In Nordrhein-Westfalen ist der Gesetzentwurf zur Einführung von Studiengebühren gerade in der parlamentarischen Debatte - deswegen z.B. auch die Demo am 30.11. in Düsseldorf.
Wissenschaftsminister Pinkwart hält bisher an seinem Plan fest, es den Hochschulen selbst zu überlassen, ob sie tatsächlich Gebühren erheben wollen. Schon diese Detailregelung ist sehr umstritten. Die Hochschulen sehen sich Anfeindungen der eigenen Studierenden ausgesetzt und möchte das lieber vom Land geregelt wissen - egal in welche Richtung. Ein Rechtgutachten sieht - neben vielen weiteren Kritikpunkten - in dieser "Wahlfreiheit" möglicherweise sogar einen Ansatz zu juristischem Angriff auf das Gesetz.
In jedem Fall wird diese "Wahlmöglichkeit" der Hochschulen sicher noch für einige Debatten sorgen. So können die Studierenden an ihren Hochschulen versuchen, die Rektorate unter Druck zu setzen, umgekehrt bleibt auch abzuwarten, ob die Landesregierung unter der Hand die Hochschulen unter Druck setzt, doch Gebühren zu erheben, "ganz freiwillig".
Umfragen an der Uni Bochum
Die Ruhr-Universität Bochum (RUB) oder genauer das Rektorat dieser Uni nahm die ganze Debatte zum Anlass, tatsächlich die Studierenden zu befragen. Bei einer Wahlbeteiligung von 12 Prozent sprachen sich 70 Prozent gegen Studiengebühren aus. Die Umfrage fand online statt (wobei durchaus gewährleistet war, dass nur Studierende der Uni abstimmen können) in einem Zeitraum von 4 Wochen.
Und das, obwohl nach der Kernfrage "Studiengebühren an der RUB ja oder nein", einige Szenarien aufgemacht wurden, die die Befragten eher in Richtung Studiengebühren drängen könnten - so jedenfalls die Kritik des AStAs.
So wurde gefragt, wo die Uni am ehesten einsparen solle, wenn sie auf Grund einer Ablehnung von Studiengebühren fehlende Mittel haben sollte. Umgekehrt wurden Möglichkeiten vorgestellt, die angeblich besser ausgestattet werden könnten, wenn Gebühren erhoben werden.
Der AStA veranstaltete zusätzlich in einer Woche eine Urabstimmung mit klassischen Wahlzetteln. Dabei wurde eine Wahlbeteiligung von 21,7% erreicht. Gefragt wurde ausschließlich danach, ob die Studierenden für allgemeine Studiengebühren sind. Die Ablehnung war mit 90,3% noch deutlicher als bei der Umfrage des Rektorates.
Bundesweite Online-Erhebung
Das Online-Meinungsportal Sozioland hatte von Mai bis November eine sehr ausführliche Befragung zum Thema Studiengebühren laufen. Wie immer bei offenen Online-Umfragen bleibt natürlich offen, wie repräsentativ die Ergebnisse wirklich sein können, eine Tendenz können sie aber schon zeigen.
Bei allen Aussagen konnte die Ablehnung oder Zustimmung abgestuft ausgedrückt werden (stimme zu, stimme eher zu, stimme eher nicht zu, stimme nicht zu). Im folgenden wird "stimme zu" und "stimme eher zu" zusammengefasst, ebenso die Gegenseite - außer es ist ausdrücklich anders angegeben.
Studiengebühren sind nicht sozial gerecht
Der Aussage "Studiengebühren sind sozial gerecht" stimmten 66,8% der SchülerInnen und Studierenden nicht zu, insgesamt 85,6% stimmten nicht oder eher nicht zu. Auch bei Berufstätigen war die Ablehnung mit 72% (davon 46% "nicht", 26% "eher nicht") deutlich.
Bei der Sonntagsfrage, die die Zustimmung bzw. Ablehnung zur Aussage "Studiengebühren sind sozial gerecht" mit der Parteipräferenz der Befragten verknüpfte, zeigte sich zwar, dass offenbar die WählerInnen von SPD, Grünen und Linkspartei aktiver an der Umfrage teilgenommen haben. Aber auch bei WählerInnen von CDU/CSU widersprechen 56,7% der Aussage, Studiengebühren seien sozial gerecht. Bei den FDP-WählerInnen sind sogar 60,4% dieser Ansicht
Sachzwang rules?
Wird jedoch die Zustimmung/Ablehnung zur Aussage "So lange die Studiengebühren den Hochschulen zugute kommen, sind sie durchaus vertretbar" abgefragt, sieht die Sache anders aus - jedenfalls in dieser Umfrage. Der genannten Aussage stimmen sogar WählerInnen der SPD mit knapper Mehrheit zu, bei "Grünen" auch 49,2%. Nur die "sonstigen" (wohl viele WählerInnen der Linkspartei oder NichtwählerInnen) stimmen auch dieser Aussage eindeutig nicht zu.
Bei der Aussage "Um international mithalten zu können, sind Studiengebühren notwendig" kann man an der Zustimmung/Ablehnung wieder stark die Parteipräferenz erkennen. WählerInnen von CDU/CSU und FDP stimmen dieser Aussage mit weit über 60% zu, wohingegen alle anderen mit 70% oder mehr diese Aussage ablehnen.
Das Studiengebühren auf Kinder ärmerer Familien abschreckend wirken, dem stimmen wieder alle mit großer Mehrheit zu - wobei WählerInnen von SPD, Grünen und "sonstigen" dies mit weit über 90% tun, bei CDU/CSU und FDP wird dieser Aussage nur mit 75% bzw. 81% zugestimmt.
Bei der Höhe der Studiengebühren sind dann über 80% der Meinung, diese sollten höchstens 350 Euro betragen, selbst bei den über 40 jährigen sind 78% dieser Ansicht.
Mehrheit gegen Studiengebühren
Nach all diesen - durchaus differenzierten - Fragen (und noch einigen mehr, die hier nicht zitiert werden) stellte Sozioland dann die entscheidende Frage: "Sind Sie generell für oder gegen Studiengebühren ab dem ersten Semester?" Als Antworten konnte "Ich bin dafür", "Je nach Gebührenmodell bin ich dafür" oder "Ich bin dagegen" gewählt werden.
Uneingeschränkt dafür waren bei SchülerInnen und Studierenden nur 4,8%, eindeutig dagegen aber 68,3%. Auch bei berufstätigen waren 48,8% dagegen und 37% nur abhängig vom Gebührenmodell.
Auch hier wieder eine deutliche Unterscheidung nach Parteipräferenzen: SPD-WählerInnen waren zu 67,9% grundsätzlich dagegen und nur zu 5,1% dafür, bei Grünen-WählerInnen waren sogar 70,7% dagegen und nur 1,8% dafür. Bei CDU/CSU und FDP waren zwar mehr dagegen (jeweils etwas über 30%) als dafür (um die 20%), fast 50% waren aber dafür, sofern das Gebührenmodell ihnen zusagen würde.
Ein Schlusswort
Besonders überzeugt sind die Menschen (und noch viel weniger Studierende oder SchülerInnen im speziellen) von Studiengebühren durchaus nicht. Einfallstor für eine Zustimmung ist jedoch vor allem die mangelhafte finanzielle Ausstattung der Hochschulen - sofern der Politik gelingt, die Studiengebühren tatsächlich zur Verbesserung der Hochschulen einzusetzen, könnte sich eine allgemeine Zustimmung durchsetzen.
Die soziale Gerechtigkeit von Studiengebühren wird zwar von der großen Mehrheit nicht gesehen - aber das scheint für die Gesamtentscheidung scheinbar an Gewicht verloren zu haben.
Die prinzipiellen GegnerInnen von Studiengebühren werden also noch mehr als bisher zum einen zeigen müssen, dass die Gebühren doch zum Großteil in den Haushalten der Länder versickern und mitnichten Verbesserungen bringen. Noch mehr müsste aber aufgezeigt werden, dass es andere Finanzierungsmöglichkeiten für die Hochschulen geben kann - und sei es durch moderate (und nicht auf Kosten der sowieso schon wenig Verdienenden) Steuererhöhungen.
Auch der irrwitzige Aufwand der Verwaltung der Studiengebühren im Verhältnis zum geringen Nutzen sollte noch stärker herausgestellt werden. Schließlich zeigt sich, dass gerade bei Studiengebühren die Länderhochheit in Sachen Bildung wenig hilfreich ist: Jedes Land macht sein eigenes Gesetz, bei einem Ortswechsel während des Studiums dürfte es sehr kompliziert werden. Vor allem in Sachen Rückzahlung des Darlehens könnte es zu Schwierigkeiten kommen: Alle Länder, in denen studiert wurde, könnten ihre Raten gleichzeitig fordern. Jedenfalls kann man aus den bisher vorliegenden Gesetzentwürfen nichts gegenteiliges entnehmen.
- Quellen und weiteres
- Übersicht Studiengebühren in Deutschland (Stand der Dinge und Planungen, wird ständig aktualisiert)
- Ergebnisse der Urabstimmung in Bochum (AStA Uni Bochum)
- Online-Umfrage des Rektorats: Erste Ergebnisse (RUB aktuell)
- Studie zur Studiengebühren-Umfrage (Sozioland)