Aktionsbündnis legt Gutachten vorKlagewelle gegen Studiengebühren?
Das Gutachten von Verwaltungsjurist Wilhelm Achelpoehler bezieht sich in der Hauptsache auf den Entwurf aus Nordrhein-Westfalen, bezog aber auch die Entwürfe aus Baden-Württemberg und Bayern in seine Überlegungen mit ein. Grundsätzlich ähneln sich die bisher bekannt gewordenen Entwürfe, weichen aber in Details manchmal stark von einander ab.
Vertrauensschutz verletzt
Bei allen aktuell bekannten Gesetzentwürfen sollen alle Studierende ab Sommersemester 2007 zahlen - auch die, die bei In-Kraft-Treten der Gesetze schon studieren. Dies sei als verfassungswidrig anzusehen, unterstrich Achelpoehler.
In Nordrhein-Westfalen hatte die rot-grüne Vorgängerregierung Studienkonten eingeführt (bzw. zunächst eine einfachere Regelung, die nahe an Langzeitstudiengebühren orientiert war), die Studiengebühren erst bei "zu langem" Studium vorsahen. In der Begründung zum Studienkontengesetz NRW hieß es ausdrücklich:
Bis zur Einrichtung von Studienkonten erhalten die Stu- dierenden durch die in § 3 StKFG getroffene Regelung die Gewissheit, dass sie ihr Studium in Nordrhein-Westfalen ohne Studiengebühren erfolgreich abschließen können, wenn sie einen bestimmten Zeitrahmen nicht überschrei- ten. (Landtagsdrucksache 13/3023 Begründung allg. Teil.)
Nordrhein-Westfalen könnte also besondere Probleme bekommen, auch schon immatrikulierte Studierende mit Gebühren zu belegen. Aber auch bei den anderen Bundesländern wird wohl erst gerichtlich zu klären sein, wie es mit dem Vertrauensschutz steht.
Laut dem Gutachten können jedenfalls die bisherigen Entscheidungen zu Langzeitstudiengebühren - egal in welchen Bundesland - kein Maßstab sein. Dort wurde ein Vertrauensschutz auf Gebührenfreiheit für ein beliebig langes Studium bisher immer verneint - aber es ging auch ausdrücklich nicht um allgemeine Studiengebühren.
Im Gegenteil: Nach dem Gutachten könnte man durchaus zum Schluss kommen, dass allgemeine Studiengebühren eben nur bei Beginn des Studiums eingeführt werden können, nicht aber für bereits Studierende.
Schwierige Details
Problematisch - auch von den juristischen Feinheiten abgesehen - sind auch die unterschiedlichen Regelungen in den Gebührengesetzen zu möglichen Freistellungen von den Gebühren. Hier scheint sich eine große Vielfalt anzudeuten, die von den Gebührenbefürwortern als Wettbewerbsvielfalt gepriesen wird, in der Realität aber eher für Probleme bei den betroffenen Studierenden sorgen wird.
Das Gutachten wirft die Frage auf, ob die Erhebung von Studiengebühren gegen das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens verstoßen, da es Anküpfungspunkte zum BAföG gibt und Mehrkosten entstehen können. Unproblematisch wäre laut Gutachten nur eine Regelung, wonach BAföG-EmpfängerInnen grundsätzlich nicht zu Studiengebühren herangezogen werden - was in keinem der Gebührenentwürfe vorgesehen ist. Überall müssen zumindest einige (NRW), fast alle (BaWü) oder alle (Hamburg) BAföG-EmpfängerInnen auch Studiengebühren zahlen.
Weitere NRW-Spezifika
Der Studiengebühren-Gesetzentwurf von Nordrhein-Westfalen will es den Hochschulen überlassen, ob sie tatsächlich Studiengebühren erheben wollen. Das könnte sich als Eigentor des Wissenschafts-Ministers erweisen, der das als wahren Wettbewerb ansieht. Denn die Wahlfreiheit der Studierenden ist bspw. durch viele NC-belegte Fächer nicht immer sehr groß.
"Wenn einige Studenten künftig zahlen müssen und andere kostenlos studieren dürfen, ist das nicht mit dem Grundgesetz und dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar", meinte Achelpoehler.
Aktionsbündnis gegen Studiengebühren will Klagewelle anstoßen
"Die Gebührenpläne sind nicht nur politisch, sondern auch juristisch nicht zu halten", kommentierte Jochen Dahm, Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren. Bereits in der Verhandlung über das Studiengebührenverbot im Hochschulrahmengesetz hatte der Vorsitzende des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichtes Professor Hassemer angedeutet, dass sich das Gericht wohl bald wieder mit der konkreten Ausgestaltung von Studiengebühren beschäftigen müsse. Aus Sicht des ABS wird er mit dieser Ankündigung warscheinlich Recht behalten. "Wenn die Gesetzentwürfe nicht zurückgezogen werden, werden wir das Land mit einer Klagewelle überziehen, so Amin Benaissa, ebenfalls ABS-Geschäftsführer.