Ein Kreuz mit dem Kreuzchen am 23.2.25Der Studi-Wahlcheck zur Bundestagswahl
In etwas mehr als drei Wochen ist Bundestagswahl. Schon jetzt lässt sich sicher sagen: Bildungspolitik im Allgemeinen und Hochschulpolitik im Speziellen werden den Urnengang am 23. Februar nicht entscheiden. Andere Themen stehen bei weitem höher im Kurs – Migration, Ukraine-Krieg, Nahostkonflikt, die Talfahrt der deutschen Wirtschaft, Klima- und Energiepolitik, nicht zuletzt Donald Trump und die Frage: Wie umgehen mit einem US-Präsidenten im Machtrausch? Manches davon mag auch Studierende interessieren. Allerdings hängt ihr Dasein nicht unmittelbar davon ab. Da gibt es naheliegendere Sorgen: Wie finanziell über die Runden kommen, wenn die Preise fürs Wohnen, Heizen und Essen kein Halten kennen? Wie das Studium zügig und erfolgreich absolvieren, wenn Workload und Prüfungsstress Überhand nehmen und der Nebenjob die Kraft raubt? Oder wäre es nicht schöner, in einer schönen Uni zu lernen, statt in einer mit bröckelndem Putz, stinkenden Klos und tropfender Decke? Von solchen Dingen ist im Wahlkampf praktisch nichts zu hören. Dafür um so mehr von „Kriegsertüchtigung“, „Sozialschmarotzern“ und „russischen Saboteuren“. Andockpunkte zu den mannigfachen Problemen an Kitas, Schulen und Hochschulen ergeben sich wahlkampfrhetorisch allenfalls über Schlagworte wie „Sanierungsstau“ und „Investitionsoffensive“. Ja, so eine wollen durch die Bank alle Parteien anstoßen – nachdem mithin dieselben Parteien die öffentliche Infrastruktur in einem endlosen Spardiktat haben verfallen lassen. Schwamm drüber ... Für gewöhnlich neigt der gemeine Wähler zu Vergesslichkeit und Gutgläubigkeit. Nach der Wahl wird schon alles besser! Wirklich? Falls die kommende Bundesregierung Ernst macht und demnächst drei oder mehr Prozent der deutschen Wirtschaftskraft ins Militär steckt – was bleibt dann noch hängen für Soziales, die Modernisierung der Bahn, Schul- und Hochschulbau oder eine längst überfällige Strukturreform der Bundesausbildungsförderung (BAföG)? Eher wenig bis gar nichts. Gerade Studierende sind nach Wahlen häufig die Angeschmierten. Auch nach der von 2021. Die geplatzte Ampelregierung war einst mit dem Versprechen einer BAföG-Rundumerneuerung angetreten, als ein „Grundstein für ein Jahrzehnt der Bildungschancen“. So stand es im Koalitionsvertrag. Geworden ist daraus zu wenig. Es gab zwar Neuerungen wie das Flexisemester oder die Studienstarthilfe, die aber beide zu bescheiden ausfielen. Recht großzügig war lediglich die Erhöhung der Altersgrenze auf 45 und die höhere Vermögensgrenze. Doch was nutzt das alles, wenn es ansonsten bloß zwei magere BAföG-Erhöhungsrunden gab und die nächste Erhöhung erst wieder beschlossen werden muss und es weiterhin keinen Automatismus für Erhöhungen gibt? Überhaupt fielen die Erhöhungen angesichts der anhaltenden Hochinflationsphase deutlich zu klein aus und konnten schon gar nicht die Versäumnisse der vergangenen drei Jahrzehnte wettmachen, in denen die Bedarfssätze von der Preis- und Lohnentwicklung immer weiter abgehängt wurden und die Gefördertenzahlen in den Keller rauschten. Heute lebt über ein Drittel der Studierenden in Armut, von jenen, die allein oder in einer WG wohnen, sind es fast 80 Prozent. Für BAföG-Empfänger sieht die Bilanz noch schlechter aus. Dass dies mit dem Dauerlamento über „Fachkräftemangel“ nicht zusammenpasst, ist so offenkundig wie der fehlende politische Wille, den nötigen Kurswechsel anzupacken. Brotlose Sonntagsreden sind genug gehalten worden, „Bildungsgipfel“ folgenlos verpufft. Was muss noch alles schieflaufen, bis die BRD endlich in großem Stil in Bildung investiert? Das politische Versagen in Zahlen: In den Kitas fehlen fast 400.000 Betreuungsplätze, wofür es 300.000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher bräuchte. Ein Viertel aller Schüler kann nach Ende der vierten Klasse nicht richtig lesen. Jedes Jahr bleiben 50.000 junge Menschen ohne Schulabschluss. Es mangelt an Ausbildungsplätzen, Lehrlinge verdingen sich nicht selten zu Hungerlöhnen. Die Hochschulen sind überlaufen, die Betreuungsquoten mies, im akademischen Mittelbau massenhaft prekär Beschäftigte unterwegs und fast ein Drittel eines Studienjahrgangs bricht vorzeitig ab. Das sind nur einige von etlichen Zumutungen. Die Misere ist riesig, es gäbe reichlich zu tun. Ob sich etwas und was sich nach dem bundesweiten Wahlgang bildungs- und hochschulpolitisch bewegt, ist nicht absehbar. Denn Versprechen sind das eine, Realpolitik etwas ganz anderes, zumal bei parlamentarischen Kräfteverhältnissen, die eine Regierungsbildung erschweren und ein Bündnis von drei, vielleicht sogar vier Parteien erzwingen. Dass mitunter gut gemeinte Vorhaben in der Kompromissmühle zermahlen werden, hat sich in drei Ampel-Jahren wiederholt gezeigt. Die Wahlprogramme der Parteien sind also kein wirklich verlässlicher Wegweiser. Gleichwohl liefern sie Anhaltspunkte dazu, wofür eine Partei steht und in welche Richtung es im Falle einer aus Sicht des jeweiligen Wählers günstigen Parteienkonstellation gehen könnte. Studis Online hat sich die Wahlprogramme angesehen und im Speziellen auf ihre hochschul- und wissenschaftspolitischen Zielstellungen gecheckt. Nur am Rande werden bisweilen auch allgemeinere bildungspolitische Aspekte berücksichtigt. Den einen oder anderen Kommentar konnten wir uns nicht verkneifen. Dabei beschränkt sich der Blick im Wesentlichen auf die Parteien mit den besten Chancen, in den nächsten Bundestag einzuziehen. Das sind CDU/CSU, AfD, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, BSW, FDP und Die Linke. Dazu kommt mit VOLT eine Partei, die bei den Europawahlen in Deutschland beachtliche 2,6 Prozent erreichte, mit drei Sitzen ins EU-Parlament einzog und insbesondere bei jungen Menschen punktet (bei der Europawahl mit ca. 8 Prozent bei den 16- bis 24-jährigen). Bei der Rangfolge orientieren wir uns an dem Kräfteverhältnis, wie es sich in aktuellen Wahlumfragen zeigt, wohl wissend, dass am Wahlabend auch ganz andere Ergebnisse eintreten können. Noch etwas: Bei Nichtumsetzung mitunter wohlklingender Wahlkampfversprechen kann Studis Online nicht in Haftung genommen werden. Insofern sind alle Angaben ohne Gewähr!Stand der Dinge und Blick zurück
Bildung kein Thema
Missstände zuhauf
Angaben ohne Gewähr!
Wahlcheck: Hochschulpolitische Positionen der Parteien zur Bundestagswahl 2025
CDU/CSU
CDU und CSU sagen in ihrem Wahlprogramm zu allem, was sie wollen, „Ja“. Ein „Ja“ zu „Recht und Ordnung“, „Ja“ zu „Leitkultur und Zusammenhalt“ und auch „Ja“ zu „leistungsstarker beruflicher und akademischer Bildung“. Hochschulpolitische Maßnahmen, viele davon mit elitärem Anstrich, finden sich in den Rubriken „Mit Exzellenz in die Zukunft gehen“ und „Alle Talente in Deutschland bestmöglich fördern“.
Man werde „Spitzenleistungen, Profilbildungen und Kooperationen im Wissenschaftssystem“ unterstützen und die „Exzellenzstrategie“, ehemals „Exzellenzinitiative“, weiterentwickeln. Das Programm wurde vor 20 Jahren aufgelegt, um durch gezielte Forschungsförderung deutsche „Leuchttürme“ der Wissenschaft zu schaffen. Aus Sicht von Kritikern hat es die Spaltung der Hochschullandschaft in wenige Gewinner und viele Verlierer vorangetrieben.
Die Union will „Personal in der Wissenschaft entwickeln“ und dabei „gezielt den Mittelbau“ stärken. „Junge, hochtalentierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rücken wir in den Fokus.“ Hintergrund sind die prekären Lohn- und Arbeitsbedingungen im Wissenschaftsbetrieb. Betroffene sind in der Mehrzahl nur befristet angestellt und die Perspektiven für eine dauerhafte Karriere schlecht. Wie konkret sich das ändern ließe, behalten CDU/CSU für sich. Faktisch sind die Missstände in der Verantwortung mehrerer CDU-Bildungsministerinnen immer größer geworden.
Die Union spricht sich für „mehr Praxisorientierung“ aus, das „enorme Innovationspotenzial von Studenten und Wissenschaftlern an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften“ wolle man heben. Zudem werde es mit ihr „mehr Freiräume geben“, indem man Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ermögliche, „ihre Geräte gegen Gebühr zu vermieten“.
„Zivilklauseln“ an Hochschulen erteilen CDU/CSU eine Absage. Stattdessen gelte es, die „strategische Sicherheitsforschung“ zu stärken. „Dafür werden wir ein Kompetenznetzwerk für strategische Sicherheitsforschung entwickeln und daraufhin wirkende Einschränkungen für militärische Forschung aufheben.“ Mit Blick auf die ökonomische Konkurrenz zum Reich der Mitte werde man „ein Netzwerk für unabhängige China-Wissenschaften“ aufbauen.
Konkrete Belange von Studierenden spielen im Programm kaum eine Rolle. Man wolle „Stipendiensätze anheben“ und „vollauskömmlich“ machen, „Unternehmertum in der Begabtenförderung verankern“, Studien- und Forschungsaufenthalte im Ausland fördern und „qualitative Bildung gerecht finanzieren“. Hier kommt das Thema BAföG ins Spiel: Dieses müsse „auskömmlich“ und besser mit dem KfW-Studienkredit abgestimmt werden. Außerdem müsse die Beantragung einfacher und vollständig digitalisiert werden.
Auch hier gilt: Unter Unions-Regentschaft hat das BAföG viel an Substanz verloren und wurden private Studienfinanzierungsmodelle schrittweise ausgebaut. Ein echtes BAföG-Revival ist mit CDU/CSU nicht zu erwarten.
AfD
Peinlich! Im Internet ist das Programm der AfD in der Vollversion nur als Leitantrag für den vor knapp drei Wochen in Riesa abgehaltenen Bundesparteitag abrufbar. Fast nichts findet sich darin zum Thema BAföG, lediglich dieser Satz: „BAföG-Empfängern soll bei einer Geburt während der Ausbildung bzw. während des Studiums die Rückzahlung nach erfolgreichem Abschluss erlassen werden.“ Direkt darunter wird für eine Verlängerung der Regelstudienzeit für Studierende mit Kindern „um bis zu sechs Semester“ plädiert.
Ansonsten tendiert die Partei in Richtung Entakademisierung, Stichwort: „Mehr Meister statt Master.“ Dazu kommt ein Hang zum Elitären. „Ein leistungsorientiertes, mehrgliedriges Bildungswesen ist die Grundlage unseres Wohlstands und wesentlicher Bestandteil unserer Kultur.“ Ein Mittel der Wahl: „Hochschulen sollen das Recht besitzen, Bewerber mittels standardisierter Eignungstests und Aufnahmeprüfungen auszuwählen.“
Der durch politische „Zielvorgaben zu Studentenzahlen, Studienerfolg und anderen Quoten erzeugte Zwang zur Nivellierung ist zu beenden“, liest man. Außerdem sollten internationale Studierende aus dem Nicht-EU-Raum „angemessene Studiengebühren“ entrichten. Ferner müsse das Promotionsrecht Universitäten vorbehalten bleiben. Auch hier also: Weniger Akademisierung, die dafür um so elitärer.
Die europäische Studienstrukturreform unter dem „Label Bologna“ hält die AfD für „gescheitert“. Die akademische Freiheit sei „beschnitten“, Studienplatzwechsel wären „erschwert“ worden und Arbeitgeber kritisierten „die geringe Qualifikation von Bachelor-Absolventen“. Die bewährten Diplom- und Magisterstudiengänge müssten wieder eingeführt, die Modularisierung des Studiums und die Akkreditierungsbürokratie abgeschafft werden. Früher war alles besser? Eigentlich nicht wirklich …
Begrüßenswert erscheint der Punkt „höhere Grundfinanzierung der Hochschulen, um deren Abhängigkeit von Drittmitteln zu verringern“. Die „Freiheit von Lehre und Forschung ist unbedingt zu gewährleisten“, wobei hier die Stoßrichtung wohl vor allem gegen „Gender“, „Klimaschutz“ und „Vielfalt“ geht. So seien „die zunehmende Einflussnahme ‚woker‘ Ideologie auf die Universitäten und die Repression gegen unliebsame Dozenten“ zu beenden. Desgleichen müssten „Gleichstellungsbeauftragte“ abgeschafft werden. Eine interessante Sicht auf Freiheit: Nur die für meine Meinung, nicht für die anderer.
SPD
Die SPD „kämpft“ für so manches. „Wir kämpfen für Made in Germany 2.0“, „wir kämpfen für ein bezahlbares Zuhause“ und „wir kämpfen dafür, dass gute Bildung für alle zuverlässig gelingt“. Das hört sich gut an und im Wahlprogramm taucht das Thema Bildung auch ziemlich weit vorne auf. Dafür gerät die Passage mit nicht einmal zwei Seiten reichlich kurz. Nach explizit hochschulpolitischen Aspekten muss man mit der Lupe suchen. In Deutschland solle „jeder junge Mensch das Beste aus sich und seinen Fähigkeiten machen können, allen jungen Menschen müssen alle Ausbildungswege offenstehen“, heißt es wolkig und weiter: „Das ist unser Versprechen vom Aufstieg durch Bildung.“
Immerhin werden die hohen Preise für Miete, Energie und Lebensmittel als „zentrales Problem“ benannt. Deshalb wolle man die „Mindestausbildungsvergütung anheben“ und mit einer BAföG-Reform dafür sorgen, „dass die Höhe der Ausbildungsförderung regelmäßig an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst wird“. Langfristig wolle man das BAföG „elternunabhängiger machen“, eine „schrittweise Rückkehr zum Vollzuschuss streben wir an“.
Beides sind prima Ziele, allerdings legt die Wortwahl nahe, dass sie nicht ganz oben auf der To-Do-Liste stehen. Warum nur? Und warum hat die SPD in weit über zwei Dekaden nahezu ungebrochener Regierungsverantwortung das BAföG so herunterkommen lassen, während sie zugleich von sich behauptete, die „BAföG-Partei in Deutschland“ zu sein? Dazu gehörte schon sehr lange auch das Versprechen, die „Bearbeitungszeiten für BAföG-Anträge zu verkürzen – durch weitere Digitalisierung und Vereinfachung“, wie es jetzt einmal mehr im Wahlprogramm auftaucht.
Dort steht auch, dass man „das erfolgreiche Bundesprogramm ‚Junges Wohnen‘“ fortsetzen und aufstocken wolle, „um bezahlbaren Wohnraum für Auszubildende und Studierende zu schaffen“. Das ist löblich, aber doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Mieten erreichen trotzdem jedes Jahr neue Rekordstände – ähnlich wie die Wartezeiten beim BAföG-Antrag.
Man wolle die „Wissenschafts- und Innovationspolitik in eine neue Ära führen“ und die „Ausbildung von Fachkräften“ stärken, heißt es an anderer Stelle im Wahlprogramm. „Dafür werden wir die Hochschulen weiter ausreichend staatlich fördern, um die Qualität von Studium und Lehre zu verbessern.“ Tatsächlich sind die Unis seit Jahren chronisch unterfinanziert, auch das ein Erbe der langen SPD-Mitregierungsjahre. Dasselbe gilt für den prekären Lehrbetrieb, wozu man nun erfährt: „Wir werden die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft durch die Förderung planbarer Karrierewege, insbesondere zur Verwirklichung von Gleichstellung, verbessern.“
Das alles hätte längst geschehen können. Die SPD hat in puncto Hochschulpolitik schon viel Bewährungszeit weitgehend ergebnislos verstreichen lassen. „Kämpfen“ geht ohne Frage anders.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Die Grünen betätigen sich in ihrem Wahlprogramm als notorische „Für“-Sprecher. Sie sind zum Beispiel „für ein stabiles und sicheres Klima“ oder „für sauberes Wasser und lebendige Meere“. Ob ihnen das die Insulaner auf Rügen abnehmen, wo vor der Küste neuerdings ein riesiges LNG-Terminal zur Regasifizierung von Flüssiggas den Seeblick verstellt und den Fischen den Lebensraum raubt? Regierungsverantwortung ist nicht immer einfach …
Egal, es geht hier um Bildung und „für eine gute Bildung für gute Chancen“ ist und bleibt die Partei, ganz ohne sich verbiegen zu müssen. „Für eine starke Hochschul- und Wissenschaftslandschaft“ sind die Grünen deshalb allemal. Auch für sie zählt das Primat der Grundfinanzierung, die, „auskömmlich“ sein müsse, ergänzt durch Drittmittel, die, „wenn sie richtig eingesetzt werden und die tatsächlich anfallenden Kosten abdecken“, eine „zusätzliche Dynamik entfachen“.
Mit einer „Innovationsinitiative Zukunfts-Campus“ sollen Hörsäle, Labore und Bibliotheken modernisiert und zu „Experimentierräumen für den nachhaltigen, digitalen Wandel“ gemacht werden. Zu diesem Zweck wolle man die bestehenden Bund-Länder-Pakte „fortführen, weiterentwickeln und gezielt ergänzen“.
Konkreter als bei den Mitbewerbern wird das Programm mit Blick auf die schäbigen Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Personals. Man wolle den „Anteil befristet Beschäftigter deutlich senken, indem wir wissenschaftliche Qualifikation als Sachgrund enger und klarer fassen“, um so „mehr Dauerstellen neben der Professur“ zu schaffen. Heute werden nahezu sämtliche Tätigkeiten von Nachwuchskräften zur Qualifizierungsmaßnahme deklariert, um so einen Freibrief zum Heuern und Feuern zu haben. Auch wollen die Grünen die „Tarifsperre abschaffen“, die es den Gewerkschaften verbietet, mit den Hochschulen bessere Arbeitsverhältnisse auszuhandeln.
Zudem setze man sich für den internationalen Austausch der Forschung und von Studierenden (Erasmus) ein. „Der Verächtlichmachung ganzer Forschungsfelder wie etwa der Klima- oder Geschlechterforschung stellen wir uns entschieden entgegen, stärken die Wissenschaftskommunikation und schützen Betroffene vor Anfeindungen.“
Ambitioniert klingen die Planspiele zur Aufwertung des BAföG: Nach dem „größten Update“ (gemeint sind zwei unzureichende Novellen der Ampel), „machen wir es jetzt zukunftsfest, für Studium und berufliche Bildung“. Die Leistungen sollten auch bei steigenden Lebenshaltungskosten „existenzsichernd“ sein, womit die Partei die Forderung einer Vielzahl hochschulpolitischer Akteure nach einer regelmäßigen, automatisierten Anpassung der Bedarfssätze an die Lohn- und Preisentwicklung aufgreift.
Ferner wolle man die Freibeträge bei den elterlichen Einkommen erhöhen und das BAföG „für mehr Menschen“ öffnen. Für Berufstätige, die beispielsweise einen Meister machen wollten, „reformieren wir das Aufstiegs-BAföG und ermöglichen den Bezug in Teilzeit, die Förderung gleichwertiger Fortbildungsabschlüsse sowie ein vollständig digitalisiertes Antragsverfahren“.
Schließlich werde man den Bau von neuen Wohnheimen über das Programm „Junges Wohnen“ weiter fördern. In diesem Zusammenhang wolle man zudem die „Mietpreisbremse“, deren Fortbestand aktuell in Frage steht, im Interesse der Mieter verschärfen. Auch das hätte man als Regierungspartei längst erledigt haben können. Mit einem Bundeskanzler Friedrich Merz dürfte das schwieriger werden. Aber „für“ die CDU sind die Grünen ja auch nicht, sondern dagegen. Oder doch nicht?
BSW
Im BSW-Wahlprogramm geht es nicht ohne große Töne: „Die Bildungsmisere wird immer schlimmer und die Politik schaut tatenlos zu.“ Dabei schaut „die Politik“ (sind das immer nur die anderen?) gar nicht tatenlos zu, eher ist die Frage, was sie denn tut. Das fragliche Kapitel legt die Schwerpunkte auf Schule und berufliche Bildung. Als ein Übel wird der Föderalismus ausgemacht. Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich müsse aufgehoben werden. Durch ein „bundesweites Bildungsrahmengesetz“ seien vergleichbare „Rechtsansprüche und hohe qualitative Standards in allen Bundesländern“ zu schaffen.
Die Digitalisierung im Bildungsbereich stößt beim BSW auf wenig Gegenliebe. Handys und Tablets sollten aus dem Primarbereich verbannt und danach möglichst wenig im Unterricht eingesetzt werden. Die Partei fordert ein „Social-Media-Gesetz“ nach australischem Vorbild, damit „Kinder nicht in einem virtuellen Paralleluniversum verschwinden, sondern wieder im Hier und Jetzt mit echten Freunden kommunizieren und lachen“. Und: „Die Bundeswehr, Konzernlobbyismus und Kommerz haben an Schulen nichts verloren“, dagegen müsse auf „mehr friedenspädagogische Bildung“ gesetzt werden.
Als Pendant in der akademischen Sphäre seien „Zivilklauseln an allen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen“ zu verankern. Die chronische Unterfinanzierung von Unis und FHs müsse beendet werden. Zwingend erforderlich sei eine Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung sowie mit Investitionsmitteln am Hochschulbau. Des Weiteren verlangt das BSW „das Ende von Kettenbefristungen“ beim wissenschaftlichen Personal nach der Devise „Dauerstellen für Daueraufgaben“.
Zum BAföG heißt es lediglich, dass es einer Reform „zur auskömmlichen Finanzierung des Studiums“ bedürfe. Ferner sei ein „Hochschulsozialpakt für gute soziale Infrastruktur“ dringend nötig. Die Forderung nach Wiederherstellung der Wissenschaftsfreiheit richtet sich, wie bei der AfD, gegen politische Übergriffigkeiten, wie es sie insbesondere im Zusammenhang mit Corona, dem Ukraine- und Gaza-Krieg gegeben hat.
Professoren und Hochschulpersonal müssten die Gelegenheit haben, sich ohne Angst vor Disziplinierung „im Rahmen der Meinungsfreiheit kritisch äußern zu können“. Als wenn sie das nicht hätten tun können (dass im BMBF Akteure merkwürdige Ideen hatten, ist zwar sehr bedenklich gewesen, hat ja am Ende zu nichts geführt, wovor irgendwer wirklich Angst haben müsste). Umgekehrt sind AfD und BSW ja gerade die Parteien, die angeblich Freiheit fordern, sie aber gerade nicht allen gewähren wollen – Stichwort „Genderwahn“.
FDP
Das Wahlprogramm der Freidemokraten legt gleich nach der Präambel mit „Weltbeste Bildung für selbstbewusste Bürger“ los. Das ist ehrenwert und macht ihnen keine der anderen Parteien nach. Vielleicht gerät so ja in Vergessenheit, dass es die FDP war, die in Regierungsverantwortung mögliche wegweisende sozial-, bildungs- und hochschulpolitische Projekte ausgebremst hat, allen voran die Kindergrundsicherung, von der auch Studierende hätten profitieren können. Vielleicht hätte sich auch die FDP mal ändern müssen, dann hätte es vielleicht sogar was mit der „Fortschrittskoalition“ werden können.
In die Zuständigkeit von FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger fielen außerdem zwei halbherzige BAföG-Novellen samt Bruch ihres Versprechens einer „grundlegenden“ Erneuerung sowie das Vergeigen einer Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, das die Basis für die prekären Lohn- und Arbeitsbedingungen im akademischen Mittelbau ist. Dank einer dreijährigen Hinhaltetaktik ist das Vorhaben mit dem Koalitionsbruch wieder auf der ganz langen Bank gelandet. Im Wahlprogramm findet der Punkt dann auch mit keinem Wort Erwähnung, das ist konsequent.
Dafür gibt man sich beim Thema BAföG innovativ, getreu der Ansage, „die Wahl des Studiums darf nicht von den Voraussetzungen des Elternhauses abhängig sein“. Deshalb wolle man die Sozialleistung zu einem „elternunabhängigen Baukasten-System weiterentwickeln“. Dafür werde man das Bildungskreditprogramm „bereits kurzfristig stärken und ausbauen“ und zusätzlich „das Bildungssparen attraktiv machen“. Wer für sein Kind oder Enkelkind vorsorgen wolle, damit es später einmal studieren kann, solle dies „steuerfrei“ tun können. Und was ist daran „elternunabhängig“? Offenbar bleibt dieser Widerspruch der FDP verborgen.
Ihr Mantra „mehr privat und weniger Staat“ demonstriert die Partei bei weiteren ihrer bildungspolitischen Rezepte. So solle ein „persönliches Freiraumkonto“ das steuer- und abgabenfreie Ansparen für Weiterbildungsangebote und Bildungsauszeiten ermöglichen. Zur Finanzierung von Kursgebühren, bildungsbedingten Auszeiten und Kinderbetreuung wolle man ein neues „Lebenschancen-BAföG“ einführen. Analog zum Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) werde man ein berufliches Orientierungsjahr schaffen und Stipendien der Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SSB) sowie Azubi-Stipendien ausbauen.
Die FDP sieht „die Wissenschaft in einem neuen Systemwettbewerb“, weshalb es „auch eine Zeitenwende in der Forschung und Lehre“ brauche, „um technologisch gegen Aggressoren bestehen zu können“. Zu diesem Zweck fordere man „die Streichung der Zivilklauseln aus den Landeshochschulgesetzen“ und werde auf die Entwicklung einer „agilen Verteidigungsforschungsanstalt nach amerikanischem Vorbild“ namens Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) hinwirken. Diese solle sich auf den „Technologietransfer zwischen Militär und Wissenschaft sowie auf die Förderung von Forschungsprojekten mit militärischen oder Dual-Use-Anwendungen“ konzentrieren.
Die Linke
„Ein gutes Studium für alle“, wünscht sich Die Linke, und die Liste der fraglichen Rezepte in ihrem Wahlprogramm ist so lang wie bei keiner anderen Partei. Plädiert wird für ein „BAföG für alle“, das es „eltern-, alters- und herkunftsunabhängig, existenzsichernd, unbefristet und als Vollzuschuss“ geben müsse. Die Höhe solle „regelmäßig an die Lebenshaltungskosten angepasst werden und darf nicht unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegen“. Auch Menschen mit Duldung oder einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen sollten Zugang dazu erhalten.
Man sei gegen alle Formen von Studiengebühren, „unabhängig vom Pass oder von der Studiendauer“. Mit einem „Mentoringprogramm für Studierende aus Nichtakademikerfamilien“ sollen gezielt sozial Benachteiligte unterstützt werden. Ein Studium an einer Universität müsse auch mit Fachabitur, einer Berufsausbildung oder vergleichbaren Abschlüsse möglich werden. Die Partei tritt für „wirkmächtige demokratisch verfasste Studierendenschaften“ ein, die man „ausfinanzieren, wiederbeleben und repolitisieren“ wolle.
Ein „kooperatives Lern- und Forschungssystem“ solle „gesellschaftliche Schlüsselfragen wie Frieden, soziale Gleichheit und Ökologie“ ins Zentrum rücken. Entsprechend möchte die Linke an allen Hochschulen und Forschungseinrichtungen Zivilklauseln installieren und Friedensforschung fördern. Dasselbe gelte für „plurale ökonomische Ansätze“, denn die aktuellen Krisen des Wirtschaftssystems seien auch auf die „Vorherrschaft von neoklassischen Theorien“ zurückzuführen.
Die Partei verlangt eine auskömmliche Grundfinanzierung der Hochschulen „statt Abhängigkeit von Drittmitteln“. So wolle man Wissenschaftsfreiheit sichern und Kettenbefristungen von Arbeitsverhältnissen verhindern. Wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter sollten planbare Arbeitsbedingungen haben, haushaltsfinanzierte Promotionsstellen mindestens sechs Jahre laufen und Promovierenden ausreichend Zeit für ihre Dissertation geboten werden. Fallen solle außerdem die im Wissenschaftszeitvertragsgesetz enthaltene Tarifsperre.
Ein weiterer aus studentischer Sicht wichtiger Punkt: Die Linke macht sich für einen sechsjährigen Mietenstopp und wie auch das BSW für einen bundesweiten Mietendeckel stark, um so die anhaltende Kostenexplosion auf dem Wohnungsmarkt nicht nur zu bremsen, sondern zu beenden und rückgängig zu machen. Überhaupt soll das allgemeine Leben nach dem Willen der Linkspartei wieder erschwinglich werden, wofür insbesondere die Reichen und Begüterten ihren Beitrag leisten sollen – etwa durch eine Vermögensteuer.
VOLT
VOLT ist allseits „bereit“. Die noch recht junge Partei ist „bereit, unseren Planeten zu schützen“, „bereit für ein kulturell reiches Deutschland“ und „bereit für das Bildungssystem der Zukunft“. Das klingt so ambitioniert wie der Vorsatz, ihr mit 161 Seiten pickepackevolles Wahlprogramm zu studieren. Auf alle Fälle sind 18 Seiten zum Thema Bildung zumindest mengenmäßig spitze.
Aber auch inhaltlich hat das Werk einiges zu bieten. Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen müsse fallen, eine „Bildungskommission“ und ein „Bildungsrat“ sollten die nötigen Reformen anstoßen und das ganze System auf Kostenfreiheit umgestellt werden. Vorbild dafür ist Schweden.
Also: „Gebührenfreie Kita-Plätze“, „Kostenfreie Lernmittel“, „Kostenloses Frühstück und Mittagessen“ und: „Die Kosten für Semestertickets werden übernommen. Vergünstigte Mieten für Lernende senken die finanzielle Belastung.“ Bezahlbar machen sollen das eine „progressive Vermögensteuer“, eine höhere Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen und eine „solidarische Einkommensteuer“.
Weiter plädiert VOLT für eine Anpassung der BAföG-Sätze „an ortsabhängige Lebenshaltungskosten“ sowie eine Förderung von Studierenden und Azubis in Teilzeit. Die Anspruchsvoraussetzungen sollen gesenkt und die Förderberechtigung erst nach der Auszahlung geprüft werden, „um Finanzierungslücken auszuschließen“ – guter Vorschlag. Bekanntlich warten Studierende mitunter monatelang auf ihren Bescheid, ohne jede finanzielle Absicherung.
Die Regelstudienzeit soll „an die tatsächliche Studiendauer angepasst“, ein Auslandsaufenthalt von mindestens vier Wochen müsse der Normalfall werden, außerdem soll es „verlustfreie Auslandssemester“ geben. Zur „Sicherung von Karrierewegen“ solle es für Nachwuchswissenschaftler „automatische Übergänge von der Promotion in eine Post- Doc-Position“ geben. Sie sollen zudem ein „Grundbudget für Forschung“ (GBF) erhalten, das „aufwendige und intransparente Antragsverfahren“ ersetze.
(rw)