Beratungen zum „Zukunftsvertrag“Dauerstellen für Daueraufgaben!
Andreas Keller von der GEW befürchtet, dass die bewilligten Gelder vom Bund nicht komplett an den Unis und Hochschulen ankommen sondern stattdessen versickern werden.
Studis Online: Im Mai 2019 hatten sich Bund und Länder in Gestalt der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) auf eine Nachfolgevereinbarung des Hochschulpakts zur Finanzierung von Studienplätzen verständigt. Der sogenannte „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ tritt 2021 in Kraft und wird auf Dauer gestellt, also auf unbestimmte Zeit fortgeschrieben. Am Mittwoch mussten die Bundesländer der Bundesregierung ihre sogenannten Verpflichtungserklärungen übergeben, die abbilden sollen, wie sie die bewilligten Bundesgelder von um den Dreh zwei Milliarden Euro jährlich gegenfinanzieren wollen. Wie verlässlich sind diese Ansagen?
Andreas Keller: Diese Frage kann ich derzeit nicht beantworten, weil mir die Verpflichtungserklärungen gar nicht vorliegen. Wie schon die Verhandlungen über die Hochschulpakt-Nachfolge spielt sich nun auch die Beratung über die Umsetzung des Zukunftsvertrags in Kamin- und Hinterzimmern der Ministerialbürokratie ab und mit einer Veröffentlichung der Ergebnisse ist erst in Monaten zu rechnen.
Dabei geht es zunächst um 1,88 Milliarden Euro aus Bundesmitteln für die Jahre 2021 bis 2023, die pro Jahr an die Hochschulen verteilt werden. Ab 2024 sollen daraus 2,05 Milliarden werden. Die Länder sollen die gleiche Summe als Kofinanzierung beisteuern. Die GEW verlangt deshalb die Veröffentlichung aller Dokumente zur Umsetzung des Vertrags sowie eine parlamentarische Kontrolle und die Beteiligung von Zivilgesellschaft und Gewerkschaften.
Soll heißen: Sie trauen dem Braten nicht?
Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen mit Bund-Länder-Programmen befürchten wir in der Tat, dass sich einige Länder um die Kofinanzierung drücken, die Bundesgelder in den Länderhaushalten versickern lassen, die inhaltlichen Vorgaben des Zukunftsvertrags unterlaufen und damit die Mittel zweckentfremdet werden.
Haben Sie dafür Belege?
Wer einmal in den jährlichen Berichten der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz zur Umsetzung des Hochschulpakts geblättert hat, weiß, dass in den darin dokumentierten Länderberichten mit blumigen Worten Maßnahmen beschrieben werden. Aber es wird eben gerade nicht auf Heller und Pfennig abgerechnet, wofür die Paktmittel verwendet wurden.
Deutlicher noch wurde voriges Jahr der Bundesrechnungshof. Er monierte Verstöße im Haushaltsvollzug und ein intransparentes Berichtswesen der Länder und kritisiert, dass der Bund den Ländern weitgehend freie Hand gelassen habe.
Wie es heißt, soll der Bund – auch in Reaktion auf die Kritik des Rechnungshofs – den Ländern in den Verhandlungen zum neuen Pakt weitreichende Prüfmöglichkeiten abgetrotzt haben. Kennen Sie deren Inhalt und wenn ja, was geben Sie darauf?
Im Zukunftsvertrag steht geschrieben, dass der Wissenschaftsrat in regelmäßigen Abständen die Verwendung der Gelder überprüft und die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern daraus Schlussfolgerungen ziehen wird. Dazu sieht Paragraf 8 der Verwaltungsvereinbarung zum Vertrag vor, dass der Bund Gelder zurückfordern kann, wenn die Länder die Kofinanzierung verweigern oder die Grundfinanzierung der Hochschulen aus dem Landeshaushalt im Gegenzug reduzieren.
Aber wie groß ist Ihre Hoffnung, dass der Bund seine Sanktionsmittel bei Verstößen tatsächlich zum Einsatz bringt?
Vor dem Hintergrund bisheriger Erfahrungen begrenzt. Die Bund-Länder-Programme sind aber eine der wenigen Möglichkeiten für eine Bundesbildungsministerin, Bildungspolitik zu machen. Auf Dauer kann es Amtsinhaberin Anja Karliczek daher nicht egal sein, was die Länder mit den Bundesmitteln tun – oder eben auch lassen.
Im Zukunftsvertrag sind Maßnahmen formuliert, die insbesondere auf den Ausbau von unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen an Hochschulen sowie eine Verbesserung der Betreuungssituation von Studierenden abzielen. Sehen Sie in dem Bereich wirklich etwas in Bewegung kommen?
Diese Zielsetzungen sind wichtige Erfolge der Kampagne „Frist ist Frust“, die die GEW gemeinsam mit ihrer Schwestergewerkschaft ver.di und dem Mittelbaunetzwerk NGAWiss betreibt. Die von der GEW bereits im Budenheimer Memorandum 2018 geforderte Entfristungsoffensive ist damit zum Leitmotiv der Hochschulfinanzierung von Bund und Ländern geworden. Doch Papier ist bekanntlich geduldig.
Jetzt müssen die Länder Geist und Buchstaben des Zukunftsvertrags mit Leben füllen. Die Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten haben im Herbst 2018 mit ihrer Bayreuther Erklärung Widerstand dagegen angekündigt. Sie verteidigen nicht nur eisern das universitäre Befristungsunwesen, sondern möchten es noch weiterentwickeln. Dabei werden heute schon neun von zehn Angehörigen des akademischen Mittelbaus mit einem Zeitvertrag abgespeist.
Bundesbildungsministerin Karliczek muss jetzt Farbe bekennen und beweisen, dass sie ihren hochschulpolitischen Gestaltungsanspruch auch durchsetzen kann und nicht wieder, wie zuletzt bei der Debatte um den Bildungsrat, vor den Ländern einknickt.
Was schlagen Sie an Maßnahmen vor?
Unsere Forderung ist, dass alle aus dem Zukunftsvertrag finanzierten Stellen mit unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen besetzt werden. Das wäre nicht nur im Interesse vieler hoch qualifizierter junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern würde für mehr Kontinuität und damit Qualität in der Lehre sorgen.
Das erscheint reichlich vermessen, nicht nur, weil die Hochschulen das nicht werden bezahlen wollen oder können. Dazu kommt, dass besagte Zielstellung des Zukunftsvertrags, für bessere Beschäftigungsverhältnisse und mehr Betreuung zu sorgen, rein appellativen Charakter hat. Oder anders: Die Hochschulen können sich daran halten, müssen es aber nicht. Die Paktmittel bekommen sie so oder so. Geht Ihre Forderung damit nichts ins Leere?
Das finanzielle Argument sticht hier überhaupt nicht. Ob eine Stelle befristet oder unbefristet besetzt wird, macht in finanzieller Hinsicht keinen Unterschied. Der einzige Unterschied ist, dass die Hochschule mit einem Dauervertrag eine längerfristige Verpflichtung eingeht. Genau das ermöglicht ja aber der Zukunftsvertrag, der anders als der Hochschulpakt auf unbestimmte Zeit läuft.
Früher oder später werden die Hochschulen erkennen, dass sie mit diesem Befristungswahn an dem Ast sägen, auf dem sie selbst sitzen: Die Kontinuität und damit die Qualität der Lehre leiden, wenn Dozentinnen und Dozenten nach dem Hire-and-Fire-Prinzip ausgewechselt werden. Auch das ist ein Grund für lange Studienzeiten und hohe Abbrecherquoten.
Wie zu lesen war, will der der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD) den Zukunftsvertrag ausdrücklich nicht für qualitative Verbesserungen nutzen, sondern allein zum Erhalt der Studienplatzkapazitäten. Offensichtlich hat er keine Sorge, der Bund könnte ihn dafür abstrafen.
Dazu muss man ganz klar sagen: Das wäre eine Zweckentfremdung der Zukunftsvertragsgelder. In dem Vertrag haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, zum einen die bestehenden Studienkapazitäten zu erhalten, zum anderen aber Schwerpunkte zu setzen beim Ausbau von Dauerstellen und der Verbesserung der Betreuungsverhältnisse.
Wenn nun mit Minister Wolf ausgerechnet der amtierende Vorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz sagt, das interessiert ihn nicht, ist das skandalös. Bundesgelder einstreichen, aber die mit dem Bund ausgehandelten Ziele ignorieren, das läuft nicht.
Unser Interviewpartner Andreas Keller ist stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und im Hauptvorstand verantwortlich für den Organisationsbereich Hochschule und Forschung
Wäre es angesichts der Blockadehaltung der Hochschulen nicht an der Zeit, auf eine härtere Gangart zu setzen, bis hin zu Arbeitskampfmaßnahmen?
Im Rahmen des Bündnisses „Frist ist Frust“ haben wir uns am Mittwoch in bundesweiten Protestaktionen gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, weiteren Hochschulbeschäftigten und Studierenden für mehr Dauerstellen für Daueraufgaben aus Zukunftsvertragsmitteln eingesetzt. Das ist noch kein Arbeitskampf, aber ein erster Schritt, Bund und Länder unter Druck zu setzen, ihre eigenen Vereinbarungen ernst zu nehmen und umzusetzen.
Das neue Jahr hat gerade begonnen. Mit welchen hochschulpolitischen Herausforderungen sehen Sie sich 2020 noch konfrontiert?
Die große Koalition schiebt eine Menge ungelöster Probleme vor sich her – womöglich über die Bundestagswahl hinaus: Die letzte BAföG-Änderung war eine Reparaturnovelle, die umfassende Reform lässt auf sich warten. Gleichzeitig gehen die Mietpreise in den Hochschulstädten durch die Decke, der überfällige Hochschulsozialpakt, der auch für günstigen studentischen Wohnraum sorgen könnte, ist ein frommer Wunsch des Deutschen Studentenwerks.
2020 dreht der Bund endgültig den Geldhahn für die Hochschulbaumittel zu. Dabei beziffert die Kultusministerkonferenz den Sanierungsstau schon jetzt auf 50 Milliarden Euro. Es gibt viel zu tun.
Bedürfte es für all dies nicht eines vorzeitigen Endes der Koalition? Oder glauben Sie, mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken an der SPD-Spitze könnte die Regierung einen gewerkschaftsfreundlichen Kurs einschlagen?
Walter-Borjans und Esken haben sich bislang nicht mir der Forderung nach einem bildungspolitischen Kurswechsel der Groko profiliert. Dabei wäre genau das notwendig. Voraussetzung dafür ist, dass sich die SPD von ihrem Erbe aus der Ära Schröder befreit. Die Exzellenzinitiative war die Erfindung einer SPD-Bildungsministerin, Gerhard Schröders damaliges Machtwort gegen eine BAföG-Strukturreform lähmt die Debatte bis heute, und die Föderalismusreform von 2006 hätte ohne die Zustimmung der SPD nicht verabschiedet werden können.
(rw)