„Students for Future“Unis proben den Klimaaufstand
Klimaproteste werden auch von Studierenden mitgetragen
Studis Online: „Fridays for Future“ ist inzwischen ja auch hierzulande eine ziemlich große Nummer. Alle reden von Greta Thunberg, Vertreter der Initiative tingeln durch die Talkshows und selbst die Bundeskanzlerin äußert sich respektvoll über die Beteiligten. Woran liegt es, dass die Hochschulen in Sachen Klimaproteste bislang so gut wie gar nicht in Erscheinung getreten sind?
Linda Maily Pham: Viele Bewegungen der vergangenen Jahre wurden von Studierenden mitgetragen – auch Klimaproteste. Zum Beispiel denke ich an „Ende Gelände“, eine Initiative, die sich für den sofortigen Kohleausstieg stark macht, oder „Hambi bleibt“ zur Rettung des Hambacher Forstes. Dasselbe gilt aktuell für „Fridays for Future“. Überall spielen dabei auch die Unis eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung und überall sind Studierende ein wichtiger und häufig tragender Teil der Proteste. Richtig ist aber, dass der Protest direkt an den Hochschule bisher noch nicht so stark ausgeprägt war.
Das soll sich jetzt ändern. Die Initiative „Students for Future“, die Sie mit auf die Beine gestellt haben und als deren Sprecherin Sie an der Uni Leipzig fungieren, hat sich zum Ziel gesetzt, die Klimaproteste in die Hochschulen zu tragen und dort fest zu verankern. Wie schwer oder leicht ist dieses Unterfangen?
Hier in Leipzig treffen wir auf sehr viel Zustimmung. Wenn wir in Vorlesungen gehen und über unsere Pläne informieren, haben wir teilweise über 80 Prozent der Anwesenden auf unserer Seite. Zu unseren wöchentlichen Treffen kommen etwa 100 Leute, viele weitere sind über Telegram-Chats und andere Strukturen angebunden. Trotzdem gibt es auch Probleme: Wir haben alle Lehrveranstaltungen, einige haben Nebenjobs, deshalb bleibt nie genug Zeit für all unsere Ideen und Vorhaben. Weil Einzelne also schnell an ihre Grenzen kommen, setzen wir auf die Beteiligung von vielen, und das klappt bisher ziemlich gut. Klar ist uns aber auch: Nicht alle Kommilitoninnen und Kommilitonen sind sofort auf unserer Seite, manche sind sogar strikt gegen uns. Bisher kommen wir aber auch damit gut zurecht und es gelingt uns, immer mehr Leute von den Forderungen von „Fridays for Future“ zu überzeugen.
Wie stark schätzen Sie den Bewegung inzwischen ein? Was hat sie bisher erreicht und welchen Anteil daran haben Studierende?
Beim Klimastreik am 20. September waren bundesweit 1,4 Millionen auf der Straße. Die Bewegung hat es geschafft, die Frage nach Klimagerechtigkeit endlich in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Auch Studierende waren von Anfang an dabei. Es gibt mittlerweile in über 60 Hochschulen „Students for Future“-Gruppen und das, obwohl es uns eigentlich erst seit April gibt. Unser erster Erfolg waren rund 20 studentische Vollversammlungen im Sommersemester, in denen wir mit Tausenden Studierenden über die notwendigen Schritte gegen die Klimakrise beraten haben. In diesem Zusammenhang konnten wir erstmals auch eine große Menge an Studierenden für die Freitagsdemos mobilisieren. Was also haben wir erreicht? Ich würde sagen, wir haben den Grundstein für eine breite studentische Klimabewegung gelegt, die in die Gesellschaft ausstrahlen kann und will.
Welche Gruppierungen waren oder sind am Aufbau der Ortsgruppen beteiligt?
Das ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Viele machen zum ersten Mal politische Erfahrungen, andere kommen aus diversen Umweltverbänden und Nichtregierungsorganisationen oder waren schon vorher im AStA aktiv. Es ist eine bunte Mischung.
Gibt es auch schon so etwas wie eine größere Klammer über all dem, etwa in Gestalt des studentischen Dachverbands fzs oder der Landesstudierendenvertretungen?
Der fzs unterstützt die jetzt anstehende Klimastreikwoche und die „Public Climate School“. Auch die Gewerkschaft ver.di und die Bildungsgewerkschaft GEW unterstützen uns. Das ist wirklich spitze und hilft uns natürlich enorm.
Der erste richtig große Auftritt von „Students für Future“ wird also die in der kommenden Woche bundesweit steigende „Public Climate School“ sein. Was hat man sich darunter vorzustellen?
Da die Politik sich nicht bewegt, wollen wir die Hochschulen öffnen und für eine Woche zum Ort des Lernens und des Diskutierens machen. Wir laden ausdrücklich alle Bewohner der fraglichen Städte dazu ein, sich gemeinsam mit dem Thema Klimagerechtigkeit auseinanderzusetzen und weiterzubilden. Wir wollen uns Zeit nehmen, um die Bewegung zu stärken, denn es ist unsere Zukunft, die auf dem Spiel steht. In über 40 Städten finden deshalb eine Woche lang Vorträge, Workshops und Aktionen statt. Das große Finale ist dann der nächste Globale Klimastreik am 29. November.
Wer bei all dem mitmachen will, muss dafür allerdings den regulären Lehrbetrieb bestreiken. In Ihrem Aufruf heißt es dazu: „Die Dramatik der Situation macht entschlossenes, außerplanmäßiges Handeln zur Pflicht.“ Für wie ausgeprägt halten Sie unter Studierenden die Bereitschaft, für ein politisches Anliegen auch einmal aus der Reihe zu tanzen?
Für außerordentlich hoch! Wie schon gesagt, zum Teil werden in der Klimastreikwoche Vorlesungen komplett bestreikt. Wir müssen jetzt aktiv an den Lösungen und an den konkreten Plänen der Umsetzung arbeiten.
Linda Maily Pham studiert Höheres Lehramt an Gymnasien an der Universität Leipzig. Die 21jährige ist Pressesprecherin der Leipziger Sektion der Initiative „Students for Future“, die als Pendant zur Schülerbewegung „Fridays for Future“ den Protest gegen die unzureichende nationale und internationale Klimaschutzpolitik in die Hochschulen tragen will. Zu diesem Zweck soll vom 25. bis 29. November eine „Public Climate School“ an dutzenden Standorten in ganz Deutschland ausgerichtet werden.
Linda Maily Pham war Mitorganisatorin einer Demonstration im Rahmen des „Globalen Klimastreiks“ am 20. September in Leipzig, an der sich 25.000 Menschen beteiligt hatten.
Wie steht es um die Lehrenden? Sie formulieren ja den ausdrücklichen Anspruch, „in Austausch mit anderen Gesellschaftsgruppen zu kommen“, besser noch mit „allen“ von der Klimakrise Betroffenen. Können Sie dabei auf die Unterstützung des Lehrpersonals bauen, vielleicht sogar der Rektorate?
Das ist unterschiedlich. Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ja unseren Aufruf unterzeichnet. Auf unserer jüngsten Pressekonferenz saß mit dem Berliner Energieprofessor Volker Quaschning ein prominenter Vertreter von „Scientists for Future“. Es gibt also auch unter Lehrenden großen Rückhalt für unser Projekt. Dennoch sind leider viele Rektorate und Leitungen nicht dazu bereit, sie vom Lehrbetrieb freizustellen. Das ist schade, wird uns aber nicht davon abhalten, mit vielen Menschen zusammen über Auswege aus dieser verfahrenen Situation zu beraten.
Den streikenden Schülerinnen und Schülern wird seitens der Politik in einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche begegnet. Von den einen bekommen sie zu hören, wie toll und wichtig ihr Engagement ist, für andere gehören sie dagegen bestraft, weil sie dem Unterricht fernbleiben. Welchen Preis würden Sie für Ihre Überzeugungen zahlen – einen Schein nicht zu machen oder ein ganzes Semester zu verlieren?
Die Lage ist ernst und unsere Antwort auch. Wenn 1,4 Millionen Menschen auf der Straße nicht dazu führen, dass die Bundesregierung auch nur einen Finger krumm macht für den Klimaschutz und uns stattdessen ein Witz-Klimapaket schickt, dann ist unsere Antwort klar: Wir machen weiter, werden mehr und sind bereit anzuecken – mit der Regierung, aber auch mit der Kohle- und Autoindustrie, die die große Koalition ja bisher komplett verschont. Wir ecken mit allen an, die uns unsere Zukunft verbauen. Ich persönlich bin dafür auch bereit, einen Schein nicht zu machen oder ein Semester zu verlieren. Aber mir ist klar: Das macht nur Sinn, wenn sich viele bewegen. Alleine die Uni zu schwänzen, ändert nichts.
Sie sprachen die ausgeprägte Rücksichtnahme auf Wirtschaftsinteressen an. Karl Marx hätte das wohl als Politik für die herrschende Klasse bezeichnet. Aber ist Marx an den Hochschulen überhaupt noch ein Begriff?
Sie können davon ausgehen, dass der Name Karl Marx den Studierenden durchaus ein Begriff ist. Natürlich stellen wir bei „Students for Future“ die Frage, wie wir in einer klimagerechten, aber eben auch sonst gerechten Welt Leben können. Dabei wird auch immer wieder Kritik an der Art und Weise, wie wir wirtschaften, produzieren und konsumieren laut.
Sie sagten es: Höhepunkt der Aktionswoche soll der nächste weltweite Klimastreiktag am 29. November sein. Was erwarten Sie sich davon – auch hinsichtlich der Präsenz der Studierenden?
Ich rechne fest damit, dass wir als gesamtgesellschaftliche Bewegung zeigen, dass wir noch lange nicht am Ende sind. Ich erwarte, dass wir zeigen, dass wir wachsen und so lange streiken, bis die Stimmen unserer Generation endlich gehört werden, und wir tatsächlich unsere Zukunft gestalten können. (rw)
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