Kurz und schmerzhaftStudiengebühren für Österreich
Vorhang auf für Studiengebühren in Österreich?
An den Hochschulen in Österreich braut sich etwas zusammen. Wegen der Pläne der neuen, seit Ende 2017 amtierenden konservativ-rechtspopulistischen Bundesregierung, zum flächendeckenden Bezahlstudium zurückzukehren, rüsten Studierendenvertreter für den Ernstfall. Morgen fällt der Startschuss für eine großangelegte Kampagne der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) mit dem Titel „Gemeinsam gegen Studiengebühren!“ Zum Auftakt am Dienstagvormittag lädt der ÖH-Vorstand Pressevertreter nach Wien, um über die Forderungen, Ziele und bevorstehende Aktionen zu informieren.
Was konkret die türkis-blaue Koalition aus Österreichischer Volkpartei (ÖVP) und Freiheitlicher Partei Österreichs (FPÖ) im Schilde führt, ist bislang noch unklar. In ihrem Regierungsprogramm ist die Rede von der „Einführung moderater Finanzierungsbeiträge“. Zur Begründung heißt es – nicht ganz faktensicher –, die Alpenrepublik sei „das einzige Land in der EU, das weitgehend auf geregelten Zugang zu Universitäten verzichtet und ein nahezu kostenfreies Studium anbietet“. Ziel bleibe es, „sowohl bei der Verbindlichkeit des Studiums als auch beim Bildungsniveau aller gesellschaftlichen Schichten an die internationale Realität aufzuschließen“.
„Leistungsunwillige“ zur Kasse
Nun ja: Ein Blick zum deutschen Nachbarn hätte offenbart, dass das mit dem „einzigen“ gebührenfreien Land nicht hinhaut. Daneben hat „geregelter Zugang“ einen bitteren Beigeschmack. Dabei klingt deutlich etwas von „Abwehr“ durch, absehbar gegen jene gerichtet, die aus dem Ausland kommend an den österreichischen Hochschulen „kostenlos“ studieren. So steht das freilich nicht geschrieben, klingt aber im Subtext durch. An anderer Stelle kommt aber sehr wohl zur Sprache, wer als „erwünscht“ gilt: „Für in Österreich langfristig aufhältige und leistungswillige Studierende aus allen sozialen Schichten ist der Beitrag so zu gestalten, dass das Studium weiterhin nahezu kostenfrei möglich ist.“ Umgekehrt müssten dann wohl „kurzfristig Aufhältige“ und/oder „Leistungsunwillige“ mehr bezahlen.
Das jedoch sind alles Mutmaßungen, einen Gesetzentwurf oder auch nur ein Konzeptpapier haben die Regierungspartner bisher nicht vorgelegt. Auch beim ÖH kann deshalb nur spekuliert werden. „Es ist alles äußert unklar. Im Moment wird sehr vieles diskutiert, angefangen bei 500 Euro bis hoch zu 5.000 Euro pro Semester“, erklärte die Verbandsvorsitzende Johanna Zechmeister am Freitag gegenüber Studis Online. Zur Debatte stünden darüber hinaus „flächendeckende Zugangsbeschränkungen, auch in den Fächern, die jetzt noch offen und frei zu wählen sind“. Besonders bedrohlich wären zudem der Vorstoß, das politische Mandat von Studierendenschaften zu beschneiden, sowie der geplante Angriff auf die „Vertretungsstruktur und das Mitspracherecht der ÖH“.
Politisches Mandat im Visier
Die Österreichische Hochschüler_innenschaft als gesetzliche Vertretung der Studierenden an Unis, Fach-, Pädagogischen und Privathochschulen genießt eine weitgehende politische Autonomie gegenüber dem Wissenschaftsministerium. Ihr Betätigungsfeld ist in Österreich bisher recht weit gefasst. „Wir können uns laut Gesetz auch über die direkten Studieninteressen hinausgehend zu Wort melden“, erläuterte Zechmeister. „Das ist auch absolut notwendig, weil Hochschulpolitik nicht am Ausgang zum Hörsaal endet.“
Die neue Regierung unter ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz hat allerdings genau das im Sinn. Gemäß Koalitionsvertrag sollen künftig die „der Hochschülerschaft zur Verfügung gestellten Mittel (…) ausschließlich für Aufgaben der Beratung und Interessenvertretung von Studierenden verwendet werden können“. Ferner wird eine „Ausweitung der Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der ÖH“ angekündigt, „um eine Missachtung der Vorgaben zu verhindern“. Anders als in der BRD ist die Mitgliedschaft in der ÖH verpflichtend, während beim deutschen Pendant, dem „freien zusammenschluss von studentInnenschaften“ (fzs) die Studierendenvertretungen auf freiwilliger Basis Mitglied sein können. Der fzs kann so gegenwärtig für weniger als ein Drittel aller Studierenden sprechen, während die ÖH die gesamte Studierendenschaft repräsentiert und so auch finanziell deutlich besser dasteht. Entsprechend größer sind ihre Einflussmöglichkeiten.
Neuer Versuch
Allein ihre anstehende Kampagne gegen Studiengebühren will sich die ÖH eine Viertel Million Euro kosten lassen. Das hatte die außerordentliche Sitzung der ÖH-Bundesvertretung bereits Mitte Januar beschlossen, kurz nachdem die Regierungspläne publik wurden. Schon dieser lange Vorlauf lässt erkennen, dass die Sache durchdacht und kein Schnellschuss ist. Das Geld solle dabei auch „für etwaige Rechtsschritte gegen Maßnahmen der Regierung“ verwendet werden, teilte die Verbandsvorsitzende Johanna Zechmeister seinerzeit mit. „Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen sind unfair und sozial selektiv. Das lassen wir uns nicht gefallen.“ Mit Blick auf den beabsichtigen Angriff auf das politische Mandat ergänzte ihre Vorstandskollegin Marita Gasteiger: „Wir lassen uns unter keinen Umständen den Mund verbieten. Schon gar nicht dann, wenn wir Studierenden eine Vertretung am notwendigsten brauchen.“
Allgemeine Studiengebühren hat es schon einmal gegeben in der Alpenrepublik – im Zeitraum von 2001 bis 2008. Auch damals zeichneten ÖVP und FPÖ für ihre Durchsetzung verantwortlich. Fällig wurden 5.000 Schilling pro Semester, was rund 365 Euro entsprach. Mit der Neuerung brachen die Studierendenzahlen und die der Neuanfänger schlagartig um knapp 20 bzw. 14 Prozent ein. Obwohl gemeinsam mit der ÖVP im Regierungsboot sitzend, stimmten die sozialdemokratische SPÖ zusammen mit der FPÖ und den Grünen im September 2008 im Nationalrat für die Abschaffung der Campusmaut. Aber es blieben Ausnahmen: Fachhochschulen haben weiterhin die Möglichkeit, eigenständig Beiträge zu erheben (363,30 Euro), was in der Mehrzahl der Fälle auch geschieht. Sogenannte Langzeitstudenten werden bis heute in gleicher Höhe zur Kasse gebeten. Ausländer aus Nicht-EU-Staaten müssen derzeit sogar knapp über 730 Euro pro Semester für ihr Studium hinlegen.
Steuerbonus für Standorttreue
Dass gerade die Zugereisten künftig noch größere Opfer werden bringen müssen, steht angesichts der migrationsfeindlichen Gesinnung beider Regierungspartner zu befürchten. Im Koalitionsvertrag läuft dieser Punkt vielsagend unter „qualitatives Aufnahmeverfahren für Studierende aus Drittstaaten“. Ferner stehe, wie Der Standard zu Jahresanfang berichtete, bei den Plänen nicht die Finanzierung der Hochschulen im Vordergrund, „sondern das Ziel, Studierende nach ihrem Abschluss im Land zu halten“. Im Gespräch sei demnach ein „Steuerbonus“, mit dem die Gebühren nach Studienabschluss und bei Verbleib im Land „von Akademikern sozusagen wieder zurückgeholt werden können“.
Artikeltipp:
Auslandsstudium: Studieren in Österreich
Das Modell soll allerdings im Wesentlichen auf Medizinstudenten aus Deutschland abzielen. Weil entsprechende Studienkapazitäten hierzulande stark begrenzt sind, gehen viele zum Studieren ins Nachbarland, um nach dem Abschluss wieder in die Heimat zurückzukehren. Die Aussicht auf eine Steuerbegünstigung soll so vor allem Jungärzte in Österreich halten. Dort zeichne sich „aufgrund absehbarer Pensionierungen“ für die Zukunft ein erheblicher Ärztefehlbedarf ab, während in der BRD, insbesondere auf dem Land, schon jetzt ein massiver Ärztemangel herrscht. Man wird abwarten müssen, wie sich die Situation entwickelt, sobald das Studium kostenpflichtig ist. Schrecken die Mehrkosten die Deutschen ab? Wie viele schlagen beim Deal „Bleib da, dann Geld zurück“ ein? Das hängt sicherlich entscheidend von der Höhe der Gebühren ab.
Kurzer Prozess
Auf alle Fälle werden viele Deutsche – bereits Zugreiste wie Reiswillige – die Ereignisse im Alpenstaat aufmerksam verfolgen. Kein anderes Land ist bei ihnen als Studienort so beliebt wie Österreich: 2015/2016 verweilten dort über 28.000 deutsche Auslandsstudierende (vgl. Statistik: Deutsche Studierende im Ausland). Gründe sind bisher vor allem fehlende Sprachbarrieren, teilweise leichterer Zugang und die kostenlose Ausbildung. Letzteres könnte sich bald erledigt haben. Das Comeback fürs Bezahlstudium soll nach Medienberichten im Herbst 2019 anstehen. Laut ÖH-Chefin Zechmeister könnte es aber auch schneller gehen. „Gerade bei besonders heiklen Themen versucht die Regierung, den parlamentarischen Prozess möglichst kurz zu halten.“ Das mache ihr Vorgehen für uns „schwer berechenbar“. (rw)