Grenzen hoch im LändleKabinettsbeschluss pro Ausländermaut
Mit der geplanten Campusmaut für Ausländer werden nicht nur alte Grenzen wieder hochgezogen. Es melden sich schon die ersten Stimmen, welche allgemeine Studiengebühren für alle befürworten.
Deutschlands Hochschulen sollen weltoffener werden. So verspricht es die Bundesregierung und hat dazu kürzlich ihre „Internationalisierungsstrategie“ für Bildung, Wissenschaft und Forschung beschlossen. Man wolle „mehr Synergien, mehr Kohärenz, mehr Brücken bauen“, um die „Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern und nachhaltige Lösungen für die großen, globalen Themen zu finden“. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) im O-Ton: „Ein freier Geist kennt keine Grenzen, er überwindet sie.“
Oder auch nicht. Baden-Württembergs grün-schwarze Landesregierung ist gerade drauf und dran, all die schönen Vorsätze über den Haufen zu werfen, neue Grenzen hochzuziehen und Brücken einzureißen. Weil das aber so hässlich klingt, verkauft die Koalition das Ganze unter „Internationalisierung mit Augenmaß“. Am Dienstag hat der Ministerrat grünes Licht für den Gesetzentwurf zur Erhebung einer Campusmaut für Studierende von außerhalb der Europäischen Union (EU) gegeben. Sie sollen ab dem Wintersemester 2017/18 jährlich 3.000 Euro dafür bezahlen müssen, dass sie im Ländle studieren können. Auch Inländer wollen Grüne und CDU zur Kasse bitten. Künftig sollen für ein Zweitstudium 650 Euro pro Semester fällig werden. Voraussichtlich Anfang März wird die Vorlage in erster Lesung im Landtag behandelt. Die endgültige Beschlussfassung soll im Mai erfolgen.
Bald Gebühren für alle?
„Das ist eine gefährliche Rolle rückwärts, da so die Tür geöffnet wird, bald auch wieder allgemeine Studiengebühren für alle einzuführen“, äußerte sich am Dienstag Kurt Stiegler, Koordinator des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS).
„Wir halten eine sozialverträgliche, nachgelagerte Beteiligung aller Studierenden an den Kosten des Studiums weiterhin für unverzichtbar, (...)“
Peer-Michael Dick
Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung baden-württembergischer Arbeitsgeberverbände
Man lehne die Pläne weiterhin „vehement“ ab, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von ABS, dem Bundesverband Ausländischer Studierender (BAS) und dem studentischen Dachverband fzs. Als „vollkommen absurd“ wird darin die Behauptung von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) bezeichnet, internationale Studierende hätten „mangelnden Inlandsbezug“, würden keine Steuern zahlen und hätten deswegen keinen Anspruch auf die Förderung durch das deutsche Sozialsystem.
Offizieller Aufhänger für die Gesetzesinitiative sind Sparvorgaben zur Erfüllung der sogenannten Schuldenbremse. Das Wissenschaftsressort soll dafür im laufenden Jahr Ausgabenkürzungen in Höhe von knapp 50 Millionen Euro realisieren. Allerdings hatte die Grünen-Ministerin schon vor über drei Jahren mit einem Sonderopfer für internationale Studierende geliebäugelt. Die damals mitregierende SPD wollte dabei nicht mitmachen, die seit Mai 2016 an ihre Stelle getretene CDU aber schon.
Bauers Durchmarsch
Wobei sich das zu Oppositionszeiten auch mal anders anhörte. 2013, anlässlich Bauers erstem Vorstoß in der Sache, hatte das damalige CDU-Vorstandsmitglied Younes Ouaqasse noch gehöhnt: „Bei jedem abgelehnten Asylbewerber ketten sich die Grünen an Gleisen fest und sprechen von einem Unrechtsstaat, aber hier wollen sie ausgerechnet die Ausländer abschrecken, die wir am dringendsten brauchen: junge, motivierte Leute.“ Mit wiederlangter Macht kam der Sinneswandel und zuletzt ging alles ganz schnell. Anfang Oktober wärmte Bauer ihre Idee von einst wieder auf. Nicht einmal drei Wochen später verabschiedete das Regierungskabinett den Haushaltplan für 2017, der die Einnahmen aus der Campusmaut bereits als festen Posten verbucht.
Für Unmut sorgt das Projekt nicht nur bei Studierendenverbänden und den Gewerkschaften. Neben SPD und Linkspartei auf Landes- und Bundesebene geht auch die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen auf Distanz. Ihr hochschulpolitischer Sprecher Kai Gehring hat wiederholt gegen die Pläne Front gemacht. „Internationale Studierende bereichern unser Land und sorgen für hochqualifizierte Einwanderung: ob als künftige Fachkräfte hierzulande oder als Freunde und Botschafter Deutschlands in der Welt“, bekundete er unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne und bekräftigte: „Keine Studiengebühren für niemand“. Per Pressemitteilung legte er Ende November zum vorerst letzten Mal nach und monierte ein „falsches Signal“. Seither hält sich Gehring mit öffentlicher Kritik merklich zurück.
3.000 Euro: „Moderater Beitrag“
Das mag auch daran liegen, dass Bauers erster Entwurf an diversen Stellen überarbeitet wurde. So sollen etwa mit Hilfe von Stipendien und verschiedenen Ausnahmeregelungen Studierende aus entwicklungsschwachen Ländern von der Zahlungspflicht ausgenommen werden. Ferner sollen die Hochschulen grundsätzlich fünf Prozent der Nicht-EU-Ausländer von den Gebühren befreien können. Das gilt auch für Asylsuchende, „bei denen die Anerkennung nach den jeweiligen Herkunftsländern mit hohem Grad wahrscheinlich ist“. Verschont werden sollen außerdem Studierende von Partnerhochschulen sowie „Forschende Studierende“ mit Forschungs- und Kurzaufenthalt im Rahmen von Master- oder Doktorarbeiten.
Bauer sprach von einer „sozialverträglichen“ und „sinnvollen“ Ausgestaltung, um „auch eine Verbesserung der Situation der Internationalen Studierenden an unseren Hochschulen zu erreichen“. Zu diesem Zweck sollen von den 1.500 Euro pro Semester 300 Euro direkt bei den Hochschulen verbleiben. Keiner Gebührenpflicht würden Studierwillige unterliegen, „gleich welcher Nation, die in Deutschland ihre Hochschulzugangsberechtigung erworben haben oder einen sogenannten gefestigten Inlandsbezug aufweisen“. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) führte aus: „Wir möchten lediglich, dass Studierende, die von außerhalb der EU zu uns kommen, um ein Studium von hoher Qualität zu absolvieren, ebenfalls einen moderaten Beitrag für unser Hochschulsystem leisten.“
Verkappte Kürzung
Für fzs-Vorstandsmitglied Janek Heß ist das Augenwischerei. „Auch diverse Ausnahmetatbestände machen Studiengebühren kein bisschen besser, sondern dienen lediglich zu deren Durchsetzung.“ Letztlich werde damit auch nicht die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen beseitigt, zumal diese von den Einnahmen „ohnehin kaum etwas“ abbekommen würden. Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), hat gar die Sorge, die Sonderregelungen könnten „zu einem enormen Verwaltungs- und Bürokratieaufwand führen“ und die Hochschulen auf den Kosten sitzen bleiben. Die Regierung nehme so „faktisch eine zusätzliche Kürzung“ vor.
Derzeit studieren rund 24.000 Nicht-EU-Ausländer an baden-württembergischen Hochschulen. Sie stellen damit laut Maimouna Ouattara vom Bundesverband ausländischer Studierender nur rund vier Prozent aller Hochschüler im Land. Davon entfielen circa 30 Prozent auf Menschen aus Indien und China. Dennoch erwecke das Wissenschaftsministerium den Eindruck, die Hochschulen würden von Studierenden aus diesen beiden Ländern geradezu überlaufen. Mit seiner ausgrenzenden Ausrichtung unterlaufe das Gesetz „auch Ziele der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit vielen Herkunftsländern der internationalen Studierenden“.
Brain-Drain befürchtet
Auch die GEW warnt vor einem „Verlust von klugen Köpfen aus aller Welt und einer Schwächung der internationalen Reputation“. Gerade vor dem Hintergrund des „aufkeimenden Rechtspopulismus“ wäre eine Hochschulmaut „politisch bedenklich“. Gewerkschaftschefin Moritz befürchtet zudem, „dass auch allgemeine Studiengebühren bald wieder diskutiert werden“. Statt den Bildungsbereich zu ökonomisieren, wäre eine andere Steuerpolitik nötig, erklärte sie und erneuerte ihre Forderung nach Einführung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer. „Dann kann der Bildungs- und Hochschulbereich angemessen ausgestattet werden.“
Heidelberg gilt als ein sehr beliebtes Reiseziel im Ausland – auch zum Studieren. Ob sich dies durch die geplante „Ausländermaut“ ändern wird?
Keine Angst vor einem Brain-Drain hat dagegen die südwestdeutsche Wirtschaft. Man erwarte keine dauerhaften Abschreckungseffekte, sagte der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung baden-württembergischer Arbeitsgeberverbände, Peer-Michael Dick, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Solange die anderen Bundesländer auf Studiengebühren für internationale Studierende verzichteten, werde anfänglich vielleicht ein Teil der Bewerber dorthin abwandern. „Aber diesen Ausweicheffekt halten wir für übersichtlich“, meinte der Unternehmervertreter.
Wirtschaft will mehr
Für Dick sollte die Maßnahme sowieso Auftakt zu mehr sein: „Wir halten eine sozialverträgliche, nachgelagerte Beteiligung aller Studierenden an den Kosten des Studiums weiterhin für unverzichtbar, um ein dauerhaft tragfähiges Gesamtkonzept der Hochschulfinanzierung zu entwickeln.“ Die Regierung verweist indes auf den Koalitionsvertrag, der „allgemeine Studiengebühren „klar“ ausschließe. Das muss nicht viel bedeuten. Es gab auch schon mal Zeiten, in denen die Grünen „klar“ gegen alle Formen von Bildungsgebühren waren.
(rw)
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