Hochschulpolitik"Die Auseinandersetzung um Studiengebühren ist primär eine politische, keine juristische"
Frage von Studis Online: Der Name Aktionsbündnis gegen Studiengebühren macht eigentlich klar, worum es geht. Trotzdem: Wer macht denn genau mit im ABS und warum?
Antwort von Klemens Himpele: Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren hat sich 1999 gegründet, als es die neu gewählte rot-grüne Bundesregierung an Ernsthaftigkeit vermissen ließ, ein bundesweites Gebührenverbot im Hochschulrahmengesetz zu verankern. Grundlage des Aktionsbündnisses ist dabei der "Krefelder Aufruf", den seit der Gründung über 150 Organisationen unterzeichnet haben. Dies sind neben studentischen Gruppierungen und studentischen Vertretungen Gewerkschaften bzw. Gewerkschaftsgliederungen, SchülerInnenorganisationen, kirchliche Gruppierungen, der Bund demokratischer WissenschaftlerInnen, das Bundesjugenwerk der Arbeiterwohlfahrt und Parteigliederungen. Alle BündnispartnerInnen sind im Internet unter http://www.abs-bund.de/aktionsbuendnis/buendnispartner/ nachzulesen.
Die Idee des ABS ist dabei, deutlich zu machen, dass Studiengebühren nicht nur ein Problem der Studierenden, sondern eine gesellschaftliche Frage sind. Zum einen hat der Bildungsbegriff, der neu definiert wird, Rückwirkungen auf die Gesellschaft und zum anderen geht es auch gerade darum, denjenigen, die heute nicht studieren können, ein Studium zu ermöglichen. Daher ist es uns wichtig, dass das ABS kein studentisches Bündnis ist, was man der Liste der PartnerInnen ja entnehmen kann.
Studiengebühren sind seit Jahren in der Debatte, Baden-Württemberg hatte als erstes Bundesland bereits 1997 welche eingeführt - in der Form von Langzeitstudiengebühren. In der Folge wurden in mehr und mehr Ländern ähnliche Gebühren oder auch Studienkonten eingeführt. War das ABS hier nicht wirkungsvoll genug? Oder hat man sich mit Langzeitstudiengebühren inzwischen schon abgefunden?
Nein, wir haben uns nicht mit den Langzeitstudiengebühren abgefunden, was alleine daran deutlich wird, dass gegen die entsprechenden Gesetze beipielsweise in NRW geklagt wird. Wir haben immer gesagt: Langzeitstudiengebühren haben eine Türöffnerfunktion, d.h., sie dienen in erster Linie dazu, generelle Gebühren hoffähig zu machen. Ob wir wirkungsvoll genug waren, ist schwer abzuschätzen. Ich glaube aber schon, dass der Kampf des ABS die Gebühren wenn schon nicht verhindert, so doch teilweise verzögert hat. Und: Die Studierenden in Berlin haben es geschafft, Studienkonten und Langzeitgebühren abzuwenden.
Die Tendenz geht inzwischen in einigen Bundesländern stark in Richtung allgemeiner Studiengebühren. Andere stellen sich noch dagegen. Kann das ABS hier unterstützend tätig werden? Macht es Sinn, SchülerInnen z.B. zu raten, in Mecklenburg-Vorpommern zu studieren, weil dort noch absolute Studiengebührenfreiheit herrscht und auch die Verfasste Studierendenschaft unangetastet besteht? Was könnte eine geeignete Strategie sein, wenn das Gebührenverbot fällt?
Richtig ist: Wenn das Verfassungsgericht das Gebührenverbot kippt, dann wollen verschiedene Bundesländer Studiengebühren einführen. Diese Einführung ist jedoch ein erneuter politischer Prozess in den Bundesländern und auch hier wird das ABS dann tätig werden. Zusammen mit dem freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) und dem Bündnis für Politik- und Meinungsfreiheit machen wir gerade eine Kampagne (www.kein-spiel-mit-bildung.de), um den politischen Preis der Studiengebühren so hoch zutreiben, dass die Länder sie möglichst gar nicht einführen, selbst wenn sie es juristisch gesehen können. Denn: Die Auseinandersetzung um Studiengebühren ist primär eine politische, keine juristische.
Da derzeit noch nicht abzusehen ist, wie es weiter geht, macht auch ein Studienplatzwahl nach Wahrscheinlichkeit der Studiengebühren wenig Sinn. Es gibt beispielsweise Pläne, Landeskinderregelungen im Fall der Fälle zu machen, d.h., dass nur gebürtige Rheinland-Pfälzer in Rheinland-Pfalz gebührenfrei bleiben, ein Bayer, der dorthin wechselt, aber zahlen muss. Ob das tatsächlich kommt, bleibt abzuwarten.
Diese Überlegungen machen aber deutlich, warum das ABS auf dem Standpunkt steht, dass es ein bundesweites Gebührenverbot geben muss um die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse sicherzustellen, wie sie im Grundgesetz verlangt wird.
Wir haben immer wieder dargelegt, warum es sozial gerechte Studiengebühren nicht geben kann und warum wir den Bildungsgbegriff, der hinter den Gebühren steht, ablehnen. Dabei bleiben wir. Allen, die jetzt schon glauben, Studiengebühren kämen eh, möchte ich entgegenhalten: Ohne den politischen Kampf unserer VorgängerInnen ab 1993 gäbe es in der Tat längst Studiengebühren. Es ist mit das Verdienst studentischer Proteste - und später der Arbeit des ABS - dass es noch keine Studiengebühren im ersten Semester gibt. Dafür lohnt es sich, weiter zu kämpfen.
Du warst zwei Jahre lang Geschäftsführer des ABS. Was war für Dich persönlich das größte Erfolgserlebnis und was die größte Enttäuschung? Was würdest Du anders machen, wenn Du noch mal von vorne anfangen könntest?
Das ist schwer zu sagen. Die politische Entwicklung geht derzeit in eine andere, meiner Meinung nach falsche Richtung. Ich denke aber, dass das ABS vieles bewirken konnte, bspw. die Verschiebung der Studienkonten in NRW um ein Jahr nach hinten. Insofern sind die größten Erfolgserlebnisse eher persönlicher Natur gewesen, etwa, dass ich bei über 90 Vorträgen und Podien Menschen erreichen konnte.
Persönlich spannend waren sicher auch die Rede auf der DGB-Großkundgebnung in Köln mit einer sechsstelligen Zahl an Zuhörerinnen und Zuhörern sowie die Tatsache, dass unsere Argumente inzwischen aus den politischen Diskussionen nicht mehr wegzudenken sind. Am schönsten aber waren die Erlebnisse während der Streiks in den diversen Bundesländern.
Die größte Enttäuschung ist der Aufschwung, den die Gebührenfans genommen haben - und zwar gerade auch in sich selbst als links verstehenden politischen Zusammenhängen. Enttäuschend ist ferner die Propaganda, die über zahlreiche Medien verbreitet wird, etwa, weil der Bildungsredakteur oder die Bildungsredakteurin Studiengebühren gut findet. Und enttäuschend ist - ich habe es in meiner Abschiedrede gesagt (www.abs-bund.de/aktuelles/0524/) - der Druck, der auf Menschen ausgeübt wird, die nicht die Mainstream-Meinung vertreten.
Was ich anders machen würde? Vielleicht ist es für ein abschließende Betrachtung zu früh. Ich glaube aber, dass die Bündnisarbeit weiter verstärkt werden muss und dass wir unsere Argumente noch mehr verbreiten müssen. Was ich sicherlich unterschätzt habe ist, wie man damit umgeht, in gewissen bildungspolitischen Kreisen bekannt zu sein und damit auch öffentlichem Druck ausgesetzt zu werden.
Du warst schon vor dem ABS lange in der studentischen Politik aktiv. Nun bist Du auch mit Deinem Studium fertig. War's das mit Hochschulpolitik oder bleibst Du dem Thema treu?
Ich werde in jedem Fall politisch aktiv bleiben. Nach einigen Jahren bundesweiter Politik - vor meiner Zeit als ABS-Geschäftsführer war ich im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen - werde ich aber hoffentlich etwas weniger unterwegs sein. In Köln werde ich mich weiterhin in der dortigen Juso-Hochschulgruppe einmischen.
Ob mein Arbeitsschwerpunkt die Bildungspolitik bleibt, oder ob ich zu anderen Schwerpunkten wie Wirstchaftspolitik mehr mache, wird sich zeigen. Zunächst habe ich noch einige Einladungen zum Thema Studiengebühren und ich werde die Klageverfahren in NRW und das Verfahren in Karslruhe noch aktiv begleiten. Wie gesagt: Ich werde weiter Politik machen, es ist aber noch nicht klar, wo.
Die Idee des ABS ist dabei, deutlich zu machen, dass Studiengebühren nicht nur ein Problem der Studierenden, sondern eine gesellschaftliche Frage sind. Zum einen hat der Bildungsbegriff, der neu definiert wird, Rückwirkungen auf die Gesellschaft und zum anderen geht es auch gerade darum, denjenigen, die heute nicht studieren können, ein Studium zu ermöglichen. Daher ist es uns wichtig, dass das ABS kein studentisches Bündnis ist, was man der Liste der PartnerInnen ja entnehmen kann.
Studiengebühren sind seit Jahren in der Debatte, Baden-Württemberg hatte als erstes Bundesland bereits 1997 welche eingeführt - in der Form von Langzeitstudiengebühren. In der Folge wurden in mehr und mehr Ländern ähnliche Gebühren oder auch Studienkonten eingeführt. War das ABS hier nicht wirkungsvoll genug? Oder hat man sich mit Langzeitstudiengebühren inzwischen schon abgefunden?
Nein, wir haben uns nicht mit den Langzeitstudiengebühren abgefunden, was alleine daran deutlich wird, dass gegen die entsprechenden Gesetze beipielsweise in NRW geklagt wird. Wir haben immer gesagt: Langzeitstudiengebühren haben eine Türöffnerfunktion, d.h., sie dienen in erster Linie dazu, generelle Gebühren hoffähig zu machen. Ob wir wirkungsvoll genug waren, ist schwer abzuschätzen. Ich glaube aber schon, dass der Kampf des ABS die Gebühren wenn schon nicht verhindert, so doch teilweise verzögert hat. Und: Die Studierenden in Berlin haben es geschafft, Studienkonten und Langzeitgebühren abzuwenden.
Die Tendenz geht inzwischen in einigen Bundesländern stark in Richtung allgemeiner Studiengebühren. Andere stellen sich noch dagegen. Kann das ABS hier unterstützend tätig werden? Macht es Sinn, SchülerInnen z.B. zu raten, in Mecklenburg-Vorpommern zu studieren, weil dort noch absolute Studiengebührenfreiheit herrscht und auch die Verfasste Studierendenschaft unangetastet besteht? Was könnte eine geeignete Strategie sein, wenn das Gebührenverbot fällt?
Da derzeit noch nicht abzusehen ist, wie es weiter geht, macht auch ein Studienplatzwahl nach Wahrscheinlichkeit der Studiengebühren wenig Sinn. Es gibt beispielsweise Pläne, Landeskinderregelungen im Fall der Fälle zu machen, d.h., dass nur gebürtige Rheinland-Pfälzer in Rheinland-Pfalz gebührenfrei bleiben, ein Bayer, der dorthin wechselt, aber zahlen muss. Ob das tatsächlich kommt, bleibt abzuwarten.
Diese Überlegungen machen aber deutlich, warum das ABS auf dem Standpunkt steht, dass es ein bundesweites Gebührenverbot geben muss um die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse sicherzustellen, wie sie im Grundgesetz verlangt wird.
Wir haben immer wieder dargelegt, warum es sozial gerechte Studiengebühren nicht geben kann und warum wir den Bildungsgbegriff, der hinter den Gebühren steht, ablehnen. Dabei bleiben wir. Allen, die jetzt schon glauben, Studiengebühren kämen eh, möchte ich entgegenhalten: Ohne den politischen Kampf unserer VorgängerInnen ab 1993 gäbe es in der Tat längst Studiengebühren. Es ist mit das Verdienst studentischer Proteste - und später der Arbeit des ABS - dass es noch keine Studiengebühren im ersten Semester gibt. Dafür lohnt es sich, weiter zu kämpfen.
Du warst zwei Jahre lang Geschäftsführer des ABS. Was war für Dich persönlich das größte Erfolgserlebnis und was die größte Enttäuschung? Was würdest Du anders machen, wenn Du noch mal von vorne anfangen könntest?
Das ist schwer zu sagen. Die politische Entwicklung geht derzeit in eine andere, meiner Meinung nach falsche Richtung. Ich denke aber, dass das ABS vieles bewirken konnte, bspw. die Verschiebung der Studienkonten in NRW um ein Jahr nach hinten. Insofern sind die größten Erfolgserlebnisse eher persönlicher Natur gewesen, etwa, dass ich bei über 90 Vorträgen und Podien Menschen erreichen konnte.
Persönlich spannend waren sicher auch die Rede auf der DGB-Großkundgebnung in Köln mit einer sechsstelligen Zahl an Zuhörerinnen und Zuhörern sowie die Tatsache, dass unsere Argumente inzwischen aus den politischen Diskussionen nicht mehr wegzudenken sind. Am schönsten aber waren die Erlebnisse während der Streiks in den diversen Bundesländern.
Die größte Enttäuschung ist der Aufschwung, den die Gebührenfans genommen haben - und zwar gerade auch in sich selbst als links verstehenden politischen Zusammenhängen. Enttäuschend ist ferner die Propaganda, die über zahlreiche Medien verbreitet wird, etwa, weil der Bildungsredakteur oder die Bildungsredakteurin Studiengebühren gut findet. Und enttäuschend ist - ich habe es in meiner Abschiedrede gesagt (www.abs-bund.de/aktuelles/0524/) - der Druck, der auf Menschen ausgeübt wird, die nicht die Mainstream-Meinung vertreten.
Was ich anders machen würde? Vielleicht ist es für ein abschließende Betrachtung zu früh. Ich glaube aber, dass die Bündnisarbeit weiter verstärkt werden muss und dass wir unsere Argumente noch mehr verbreiten müssen. Was ich sicherlich unterschätzt habe ist, wie man damit umgeht, in gewissen bildungspolitischen Kreisen bekannt zu sein und damit auch öffentlichem Druck ausgesetzt zu werden.
Du warst schon vor dem ABS lange in der studentischen Politik aktiv. Nun bist Du auch mit Deinem Studium fertig. War's das mit Hochschulpolitik oder bleibst Du dem Thema treu?
Ich werde in jedem Fall politisch aktiv bleiben. Nach einigen Jahren bundesweiter Politik - vor meiner Zeit als ABS-Geschäftsführer war ich im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen - werde ich aber hoffentlich etwas weniger unterwegs sein. In Köln werde ich mich weiterhin in der dortigen Juso-Hochschulgruppe einmischen.
Ob mein Arbeitsschwerpunkt die Bildungspolitik bleibt, oder ob ich zu anderen Schwerpunkten wie Wirstchaftspolitik mehr mache, wird sich zeigen. Zunächst habe ich noch einige Einladungen zum Thema Studiengebühren und ich werde die Klageverfahren in NRW und das Verfahren in Karslruhe noch aktiv begleiten. Wie gesagt: Ich werde weiter Politik machen, es ist aber noch nicht klar, wo.
Eure Meinung? Was sagt Ihr allgemein zu Studiengebühren? Wie fandet Ihr die bisherigen Protestformen bei Euch und anderswo? In unserem Forum könnt Ihr das und andere Themen diskutieren. » Zum Forum Studium (allgemein) |
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