Mehr ist wenigerStudie zu Hochschulfinanzierung
Mehr Geld und doch müssen die Hochschulen knapp kalkulieren …
Die Bundesregierung rühmt sich gerne damit, ganz viel und immer mehr Geld in Bildung zu stecken. Tatsächlich muten die Zahlen auch beeindruckend an. Vor zehn Tagen beschloss der Bundestag den Haushalt für 2017. Danach legt der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im kommenden Jahr um 7,6 Prozent auf 17,6 Milliarden Euro zu. Drei Viertel der Summe fließen in Wissenschaft und Forschung und davon ein großer Teil landet direkt bei den Hochschulen – etwa im Rahmen des „Hochschulpakts“ für die Schaffung neuer Studienplätze oder der „Exzellenzinitiative“. Da kommt einiges zusammen. Vor 14 Jahren noch musste sich das BMBF mit zehn Milliarden Euro weniger begnügen.
Nichts läuft ohne Bundeshilfen
Die Kennziffern suggerieren: Für die Unis wird richtig geklotzt. Und die Studierenden sind die großen Profiteure. Aber stimmt das? Eine am vergangenen Donnerstag durch die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichte Studie legt ganz andere Schlüsse nahe. Etwa den: Erst die Zusatzmilliarden aus Berlin machen es den Bundesländern überhaupt möglich, den Unibetrieb am Laufen zu halten. Wie die Forscher ermittelt haben, geht „beinahe die Hälfte“ des Anstiegs bei der Hochschulgrundfinanzierung auf Zuweisungen im Rahmen des Hochschulpakts zurück. Insgesamt beliefen sich die Bundeshilfen im Jahr 2013 auf rund 9,5 Milliarden Euro, womit der Bund „28 Prozent der gesamten Finanzierung des Hochschulsystems“ stemme.
Der „Beitrag“ Berlins ist also kein Bonus, sondern „überlebenswichtig“. Das heißt nicht, dass nicht auch die Bundesländer mehr Geld ins System pumpen würden. Das machen sie sehr wohl. Die zum überwiegenden Teil von den Ländern getragenen laufenden Grundmittel, woraus Hochschulen zum Beispiel Personal, Verwaltung oder Gebäude bezahlen, summierten sich 2013 auf 18,3 Milliarden Euro. Gegenüber dem Jahr 2004 ist das ein nominaler Anstieg um 29 Prozent. Aber eben nur etwa 50 Prozent des Aufwuchses steuerten sie aus eigener Kraft bei, den Rest besorgte die Bundesregierung.
Bayern knausert
Was die Sache nicht besser macht: Einige Länder nutzen nicht die ganze Kraft, die sie angesichts ihrer wirtschaftlichen Stärke eigentlich haben. „Sie könnten mehr Geld ausgeben, tun dies aber nicht“, bemerken dazu die Studienautoren. So münzten etwa Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen „ihre überdurchschnittliche Leistungskraft nicht in eine überdurchschnittliche Hochschulfinanzierung um“. Das schlechteste Bild gibt in dieser Hinsicht Bayern ab. Im Freistaat gehen lediglich 0,52 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Hochschulfinanzierung. „Bayern profitiert davon, dass es viele Akademiker anzieht, für deren Ausbildung andere Bundesländer gezahlt haben“, schreiben die Wissenschaftler.
In fünf Bundesländern entspreche dagegen die wirtschaftliche Leistungsstärke ihrer relativen Position bei der Hochschulfinanzierung (Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland‐Pfalz, Schleswig‐Holstein). Sieben Länder setzten dagegen einen „Ausgabenschwerpunkt“, indem ihre Hochschulaufwendungen über das hinausgingen, was ihre ökonomische Stärke erwarten lasse (Berlin, Bremen, Mecklenburg‐Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen‐Anhalt, Thüringen). Damit seien laut Studie langfristig gesehen Vorteile verbunden, „man schafft sich dadurch die gut ausgebildeten Fachkräfte von morgen“. In der Gesamtperspektive sei der Anteil der Grundmittel am BIP der Länder im vergangenen Jahrzehnt aber nicht gestiegen. Damit würden diese ihrer Verantwortung „nur teilweise gerecht“.
Pro Student 55 Euro mehr
Benjamin Baumgarth, Justus Henke und Peer Pasternack vom Institut für Hochschulforschung (HoF) Halle-Wittenberg haben die Finanzierung des gesamten Hochschulsystems im Zeitraum von 2004 bis 2013 untersucht. Dabei berücksichtigten sie nicht nur die staatliche Grundfinanzierung, sondern sämtliche weiteren Zuwendungen, etwa aus Sonderprogrammen, Maßnahmen für Hochschulbau und Studienförderung (BAföG) sowie öffentlichen und privaten Drittmitteln. Insgesamt flossen im Jahr 2013 rund 33,6 Milliarden Euro in das Hochschulsystem. Davon gingen 29,4 Milliarden Euro direkt an die Hochschulen, 4,2 Milliarden Euro in die Förderung von Studierenden und Wissenschaftlern. 94,5 Prozent dieser Mittel stammten aus öffentlichen Kassen. Die private Wirtschaft einschließlich privater Stiftungen kam auf einen Anteil von 5,5 Prozent.
Was zunächst nach viel Geld klingt, ist gemessen an den Erfordernissen jedoch viel zu wenig. Tatsächlich hat sich in besagtem Betrachtungszeitrum die Zahl der Studierenden um 28 Prozent erhöht. 2004 studierten noch rund zwei Millionen Menschen, 2013 waren es schon 600.000 mehr. Die Folge: Vom vermeintlichen Geldsegen, der den Hochschulen in den zurückliegenden Jahren zuteilwurde, spürt der einzelne Student praktisch nichts. Nach Berechnungen der Forscher sind die Pro-Kopf-Ausgaben im Durchschnitt der Länder zwar um 55 Euro oder ein Prozent auf 7.323 Euro gestiegen.
Real 907 Euro weniger
Das allerdings ist nur die Nominalgröße. Die Autoren haben die zwischenzeitlichen Kostenaufwüchse durch Inflation und höhere Personalkosten einkalkuliert. Auf dieser Grundlage ermittelten sie im Bundesmittel einen Rückgang der realen Pro-Kopf-Ausgaben um zwölf Prozent oder 907 Euro. Lediglich vier Länder lassen sich ihre Studenten heute tatsächlich mehr kosten als 2004. Dabei eilt Hamburg mit einem Plus von 2.172 Euro mit großem Abstand voraus, gefolgt von Bremen mit 507 Euro und Rheinland-Pfalz mit 371 Euro. Brandenburg schaffte gerade mal eine Zugabe von fünf Euro.
Für zehn Länder gilt, dass sie ihre Hochschulausgaben zwar insgesamt aufgestockt haben (nominal und real), ihre Aufwendungen pro Studierenden kostenbereinigt aber zurückgegangen sind. Schlusslicht mit einem Minus von 2.085 Euro ist dabei Nordrhein-Westfalen. Im Saarland schlägt die Kürzung mit knapp 1.500 Euro zu Buche, in Baden-Württemberg mit 1.208 Euro und in Schleswig-Holstein mit 1.055 Euro. Vergleichsweise moderat fallen die Einbußen für Thüringen (minus 205 Euro), Niedersachsen (minus 143 Euro) und Sachsen Anhalt aus (minus 27 Euro).
Unterfinanzierter denn je
Sonderfälle sind Sachsen und Berlin. Der Freistaat hat seine Grundmittel nominal gesteigert, aber nicht in der Höhe der im gleichen Zeitraum wirksam gewordenen Kostensteigerungen. Für einen einzelnen Studierenden brachte das Land 2013 real 807 Euro weniger auf als zehn Jahre zuvor. Berlin ist das einzige Bundesland, das seine Ausgaben auch nominal zurückgefahren hat, um neun Prozent auf 998 Millionen Euro. Pro Kopf standen in der Hauptstadt 2013 real 1.939 Euro weniger zur Verfügung als noch 2004.
„Die Hochschulen sind trotz deutlicher Erhöhung ihrer Grundfinanzierung aufgrund des raschen Studierendenanwuchses stärker unterfinanziert als vor zehn Jahren“, bilanzieren die Autoren. Als Hauptprobleme erachten sie die „sehr breite Streuung der Ausgabenhöhen zwischen den Ländern, die unterschiedlichen Dynamiken bei der Verbesserung der Hochschulfinanzierung, der Investitionsstau und die steigende Bedeutung von projektförmigen Finanzierungen und die zum Teil gegensätzlichen Planungen für die nächsten Jahre“.
Hochschulrun hält an
„Die Länder lassen die Hochschulen am langen Arm verhungern“, kritisierte der Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Bernhard Kempen, gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom Donnerstag. Zu der Studie titelte das Blatt: „Versickert.“ Das trifft es: Vom „Geldregen“, der sich über die Hochschulen ergossen hat, kann sich ein Normalostudent nichts kaufen. Faktisch ist er dem Staat viel weniger wert als zum Start des Jahrtausends. Für die Studienautoren reichen die Ursachen noch viel weiter zurück. „Die Hochschulen befinden sich seit Ende der 1970er Jahre in einem mittlerweile verfestigten Status der Unterfinanzierung.“
Und die Lage droht sich weiter zuzuspitzen. Gerade erst hat das Statistische Bundesamt einen neuen historischen Höchststand bei den Studierendenzahlen vermeldet. Bei aktuell über 2,8 Millionen Eingeschriebenen rechnet die Kultusministerkonferenz (KMK) auch für die kommenden Jahre mit Studienanfängerzahlen auf hohem Niveau. Für noch mehr könnte künftig also noch weniger rausspringen. (rw)