Elite in alle EwigkeitBeschluss zur Fortsetzung der Exzellenzinitiative
Einmal Elite-Uni – immer Elite-Uni?
Studis Online: Am zurückliegenden Freitag hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) eine neue „Bund-Länder-Vereinbarung zur Förderung von Spitzenforschung an Universitäten“ verabschiedet. Dass die sogenannte Exzellenzinitiative über das Jahr 2017 hinaus fortgeführt wird, hatte die Regierungskoalition aus Union und SPD vom Grundsatz her schon vor einem Jahr beschlossen. Fraglich war letztlich nur noch, wie genau das Anschlussformat aussehen soll. Jetzt endlich besteht auch darüber Klarheit. Wie ist Ihr Gesamteindruck?
Michael Hartmann: Abseits der Details haben Bund und Länder eine absolut richtungsweisende und aus Sicht von Kritikern folgenschwere Festlegung vorgenommen: Künftig soll die Exzellenzinitiative zu einer Dauereinrichtung werden – und zwar mit Mitteln des Bundes. Die zu Eliteuniversitäten gekürten Hochschulen werden zwar alle sieben Jahre überprüft, die Wahrscheinlichkeit, nach einem so langen Zeitraum zusätzlicher materieller wie symbolischer Förderung wieder herauszufallen, dürfte aber sehr begrenzt sein. Damit wird die ohnehin bereits weit fortgeschrittene Hierarchisierung der deutschen Hochschullandschaft, bei der sich viel Geld an der Spitze konzentriert und nur vergleichsweise wenig für die Breite bleibt, auf lange Sicht zementiert.
Insgesamt wollen Bund und Länder in den kommenden zehn Jahren über fünf Milliarden Euro in das Programm stecken. Pro Jahr zehn bis 15 Millionen Euro sollen dabei die acht bis elf Eliteunis erhalten, die in der nächsten Förderrunde das Rennen machen. Das ist, gemessen an den Gesamtetats, keine Riesensumme. Wie sehen Sie das?
Das ist aber auch kein Pappenstiel. Auf alle Fälle hilft es denen, die schon in den ersten Runden zu den Profiteuren gehörten und beste Aussichten haben, auch beim nächsten Anlauf zu triumphieren, ihren Abstand zum Rest weiter auszubauen. Außerdem sind die jetzt verhandelten Beträge wahrscheinlich nur ein Einstieg. Langfristig dürfte daraus mehr werden. Dass unter den bisherigen auch die kommenden Sieger sein werden, dafür sorgt noch eine weitere Neuerung. Exzellenzuni kann nur werden, wer sich dazu mit mindestens zwei prämierten Exzellenzclustern qualifiziert. Im Falle von Verbünden von Unis werden drei Exzellenzcluster vorausgesetzt. Das werden nach Lage der Dinge aber nur die großen Unis meistern können.
Exzellenzcluster bezeichnen einen Zusammenschluss von Wissenschaftlern oder Instituten, die zu einem Thema fachübergreifend Forschung betreiben. Für die Bewerbung um den Elitestatus (sog. Zukunftskonzept) genügte bisher die Bewilligung eines Clusters sowie einer Graduiertenschule zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Diese Förderlinie fällt jetzt weg und es verbleiben noch zwei. Wer, meinen Sie, hat überhaupt das Zeug dazu, zwei bzw. drei Cluster ins Rennen zu schicken und am Ende prämiert zu bekommen?
Der Kreis erscheint ziemlich überschaubar. Zwei geförderte Exzellenzcluster in den beiden vorangegangen Runden können die RWTH Aachen, die Universitäten aus Frankfurt, Heidelberg und Kiel, die HU und die FU Berlin sowie die LMU und die TU in München vorweisen. Und bis auf Frankfurt und Kiel waren die übrigen sechs dann auch mit ihrem Zukunftskonzept erfolgreich. Diese sechs haben deshalb beste Karten, künftig zur Gruppe der erlesenen acht bis elf zu gehören – und sich diesen Status für lange Zeit zu bewahren. Andere, auch ambitionierte Anwärter, werden es dagegen schwer haben.
An wen denken Sie dabei?
Unser Interviewpartner, Michael Hartmann, war bis zu seinem Ruhestand Professor für Soziologie an der TU Darmstadt. Er forscht über Eliten, Globalisierung und nationale Wirtschaftskulturen sowie Hochschulsysteme im internationalen Vergleich.
Beispielsweise an das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Uni hatte ja schon in der zweiten Runde ihren Status als Exzellenzstandort eingebüßt, weil es nicht einmal zu einem geförderten Exzellenzcluster reichte. Nicht zufällig hat jetzt auch Horst Hippler seinen mahnenden Finger gehoben. Hippler stand ja vor seiner Berufung zum Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) jahrelang an der Spitze der Uni Karlsruhe, bzw. ab 2009 des Rechtsnachfolgers KIT. Er hat die berechtigte Sorge geäußert, dass mit den verschärften Auswahlkriterien die Größe einer Uni überbetont wird und die kleineren das Nachsehen haben. Wollte das KIT überhaupt eine Chance haben, müsste sie sich vermutlich mit der Uni Stuttgart zusammentun und auf den Zuschlag für zusammen drei Cluster hoffen. Aber auch das erscheint ziemlich aussichtlos.
Schlecht sieht es auch für die Uni Bremen aus, die aktuell noch das Elitesiegel trägt, aber enorme Schwierigkeiten haben dürfte, das zu bestätigen. Genau das war aber immer der Zweck der Veranstaltung. Man will die Großen noch stärker machen, damit sie international mitmischen können. Und wer es einmal nach oben geschafft hat, soll dort auch bleiben. Im Bericht der Imboden-Kommission ist dieses Ziel klipp und klar benannt. Darin heißt es, „dass eine vertikale (leistungsbezogene) Differenzierung eines nationalen Universitätssystems nicht per se schlecht oder gar ungerecht ist, sondern dessen Effizienz zugutekommt“. Man will einfach ein Zwei-Klassen-System in der Hochschullandschaft.
Der Schweizer Umweltphysiker Dieter Imboden, der das Programm als Frontmann der nach ihm benannten Kommission evaluiert hat, sprach in seinem Abschlussbericht aber auch davon, „dass die Möglichkeit eines Aufsteigens (und entsprechend eines Absteigens) Teil des Systems“ sein müsse.
Das ist die übliche Augenwischerei, um die politischen Entscheider bei der Stange zu halten. Deshalb hat man das Programm ja auch immer als vermeintlichen Wettbewerb verkauft, verbunden mit dem Versprechen, nur die besten Leistungen würden sich durchsetzen. Inzwischen ist man, überspitzt formuliert, sogar an dem Punkt, die letzten Reste von Wettbewerb über Bord zu werfen, nach dem Motto: Der Stärkste gewinnt für alle Ewigkeit. Und am augenfälligsten wird das eben darin, dass der Bund jetzt in die langfristige Finanzierung der Eliteunis einsteigt.
Verstehe sich Sie richtig: Das Konkurrenzprinzip gab es eigentlich auch nur für die Galerie?
Es kann durchaus passieren, dass in den kommenden Jahren auch mal einer aus dem Spitzenfeld der acht bis elf Eliteunis rausfällt. Das war bisher ja auch so. Selbst in den USA sind die TOP-20 nicht in Stein gemeißelt. Johns Hopkins zum Beispiel kann einmal auf Platz sieben stehen, dann wieder auf Platz zwölf. Trotzdem finden sich die üblichen Verdächtigen, also Harvard, Stanford, Princeton, Stanford, das MIT, immer unter den Top-Zehn, zumeist sogar unter den Top-Sechs. So wird das in Deutschland auch kommen – mit den beiden Münchner Unis, den großen Berliner Unis, mit Aachen und Heidelberg. Wenn es dazu mal einen Ausreißer gibt, wie zuletzt Bremen, dann nährt das nur die Illusion von Konkurrenz und Chancengleichheit. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Ausreißern kommt, sinkt allerdings von Runde zu Runde. Alles in allem ist das mit dem Wettbewerb eine ziemliche Leerformel, die anfangs vor allem dazu diente, das ganze Projekt ins Rollen zu bringen und möglichen Widerstand gegen die Initiative zu unterbinden.
Gab es denn jemals ernsthaften Protest?
Nur einmal, als es schon zu spät war. 2012 kam es bei der Wahl zum HRK-Vorsitz zu einem heftigen Richtungskampf um den einzuschlagenden Weg in der Hochschullandschaft. Dabei vertrat Hipplers Gegenkandidat Lothar Zechlin, damals Rektor der Uni Duisburg-Essen, einen eher egalitären Ansatz. Er nahm das von den Befürwortern der Exzellenzinitiative öffentlich immer wieder in den Vordergrund gestellte Motto der funktionalen Differenzierung beim Wort und drängte beispielsweise auf die Stärkung anderer Kriterien als nur der Forschungsleistung. Am Ende setzte sich jedoch Hippler als klarer Verfechter des Prinzips der vertikalen Differenzierung und mit seiner Hausmacht der großen Unis und bisherigen Sieger des Wettbewerbs im Rücken durch. Und er war es auch, der danach die Lockerung des Kooperationsverbots vorantrieb, mit der die jetzt beschlossene nachhaltige Bundesbeteiligung erst möglich wurde. So schließt sich der Kreis.
Sie sprechen es an: Die GWK beruft sich ausdrücklich auf den neuen Grundgesetzartikel 91b, der es der Bundesregierung erlaubt, die Hochschulen „in Fällen überregionaler Bedeutung“ dauerhaft zu fördern. Noch bis vor 16 Monaten galt das sogenannte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen, das dann zumindest im Hochschulbereich zum Jahresanfang 2015 gelockert wurde. Mit der Änderung verbanden viele die Hoffnung, der Bund könnte damit endlich Maßnahmen gegen die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen in der Fläche anstoßen. Jetzt zeigt sich, das Gegenteil wird passieren.
Das ist in der Tat eine bittere Ironie: Der Bund nimmt Geld in die Hand, um die vertikale Differenzierung noch zuzuspitzen und den Abstand zwischen Spitze und Breite zu vergrößern …
Gleichwohl verbittet sich Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), von Bundesuniversitäten zu sprechen. Man wolle einzelne Hochschulen „nicht (…) in eine Sonderrolle“ bringen, sagte sie unlängst.
Auch das ist Augenwischerei. Die neuen Weichenstellungen weisen eindeutig in die Richtung dessen, was zum Beispiel der frühere Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Ernst-Ludwig Winnacker zum Start der Exzellenzinitiative offen propagierte, dass es nämlich in Deutschland eine Handvoll Unis nach dem Muster der ETH Zürich geben soll, die international in der ersten Liga mitspielen sollen. Auch wenn jetzt erst einmal von acht bis elf Eliteunis die Rede ist, läuft es langfristig auf dieses Modell hinaus. Wenn sich nach der nächsten Runde zeigt, dass nur noch vier oder fünf die Kriterien erfüllen, dann ist man da, wo Winnacker schon 2004 hinwollte. Das ist dasselbe Spiel wie bei der vertikalen oder hierarchischen Differenzierung. Die Befürworter verschleiern die wahren Absichten erst einmal, schaffen vollendete Tatsachen und sprechen erst dann offen aus, was sie wirklich wollen.
Entspricht das, was jetzt unter „dauerhafter Förderung“ firmiert, dem Imboden-Vorschlag einer „Exzellenzprämie“? Nach diesem Konzept sollten die „zehn Besten“ für den Zeitraum von sieben bis acht Jahren mit einer Jahresprämie von je 15 Millionen Euro bedacht werden. Weiter gefragt: Wieviel Imboden steckt in der GWK-Beschlussfassung?
Im Grunde hat Imboden mit seinem Bericht die Blaupause für die erzielte Einigung geliefert. Aber eben nicht ganz. Ginge es nach ihm, müssten lediglich Indikatoren wie etwa Drittmittelaufkommen, Preise für Forschungsleistungen und das Abschneiden bei den einschlägigen Rankings herangezogen werden, um über die Güte eine Uni zu befinden. Und die Politik hätte die getroffene Auswahl dann nur noch durchzuwinken. Dadurch, dass die Zukunftspläne der Unis auch weiterhin mitberücksichtigt werden, bleibt zumindest ein kleiner Gestaltungsspielraum. Der ist zwar arg beschränkt, aber so kann die Politik immer noch sagen, man habe nicht völlig abgedankt.
Was sagen Sie zur Rolle der SPD? Die hat ja noch im Vorjahr für einen egalitären Ansatz geworben, etwa damit, dass auch die Lehre von der Exzellenzinitiative profitieren solle, womöglich auch die Fachhochschulen.
Die SPD ist auf ganzer Linie eingeknickt. Das hat viel damit zu tun, dass es in den wichtigen SPD-regierten Ländern Kandidaten mit Erfolgsaussichten gibt. Nordrhein-Westfalen hat mit Aachen einen sicheren Elitekandidaten sowie mit Köln einen weiteren aussichtsreichen Anwärter. Die Berliner Unis gehören ebenfalls zu den wahrscheinlichen Siegern. In Rheinland-Pfalz, wo die SPD ebenfalls regiert, wird die Mainzer Uni wohl gemeinsam mit der Uni Frankfurt (Main) auf Titeljagd gehen. Niedersachsen schickt die Uni Göttingen ins Rennen. Dort, wo man, wie in Hamburg oder Schleswig-Holstein, keine realistischen Chancen auf eine Elite-Uni hat, hofft man auf die Weiterförderung der bisher eingeworbenen Cluster. In dieser Position hat die SPD kein Interesse daran, das ganze Projekt in Frage zu stellen. Außerdem fällt es ihr wie bei der Agenda 2010 ganz offensichtlich schwer, sich von der eigenen Vergangenheit zu lösen, eigene Fehler einzugestehen. Sämtliche Vorschläge, die man noch vor einem Jahr gehört hat, etwa der Ruf nach „Forschungsregionen“, der „Rekrutierung von Kindern aus bildungsfernen Familien“ oder der „Förderung der Lehre“ – von alle dem ist nichts übrig geblieben. Das einzige, womit sich die SPD jetzt rühmt, ist der Einstieg des Bundes, in der Hoffnung, dass die Leute nicht merken, dass das mit einer Breitenförderung nichts zu tun hat.
(rw)