Aus Student*inn*en-SichtWas wählen bei der Wahl in Hamburg?
Am 15. Februar 2015 stehen die Wahlen zur Bürgerschaft an.
Die Bildungs- und damit auch die Hochschulpolitik ist eines der Politikfelder, das voll in der Hand der Bundesländer liegt, auch wenn der Bund zum Teil über finanzielle Unterstützung und Förderprogramme durchaus ins Spiel kommt. Studis Online hat sich die Wahlprogramme der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien angesehen und die wichtigsten Punkte zusammengestellt, die aus dem Bereich Wissenschafts- und Hochschulpolitik für (potentielle) Studierende interessant sein dürften.
Da Programme – schon wegen etwaiger Koalitionen und echter oder vermeintlicher finanzieller Zwänge – nie zu 100% umgesetzt werden, ist natürlich auch der Blick zurück von Interesse. An einigen Stellen haben wir daher kurze Hinweise auf die Realitäten der Vergangenheit eingebaut.
Ergebnis der Bürgerschaftswahl 2011
In der aktuellen Bürgerschaft hat die SPD-Fraktion eine absolute Mehrheit. Bei der vorgezogenen Neuwahl am 20.02.2011 (nach Bruch der vorherigen schwarz-grünen Koalition) erhielt sie 48,4 % der abgegebenen Stimmen und damit 62 von insgesamt 121 Sitzen. Zweitstärkste Fraktion wurde die CDU, die 21,9 % und damit 28 Sitze erhielt. Die Grün-Alternative Liste (GAL) ist in den vergangenen Jahren mit 14 Sitzen (11,2 %) vertreten. Die FDP-Fraktion verfügt über 9 Sitze (6,7 %) und die Linksfraktion über 8 Sitze (6,4 %).
Die Piraten waren mit 2,1% an der 5%-Hürde gescheitert, alle weiteren angetretenen Listen kamen zusammen auf lediglich 3,4% (keine davon erreichte alleine 1%). Die AfD gab es damals noch nicht, ebenso wie die Neue Liberale.
Themenüberblick
Ziele von Wissenschaftspolitik
Im Wahlprogramm der Hamburger CDU wird Wissenschaft in erster Linie unter dem Aspekt ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit behandelt. Dies wird bereits in der ersten Kapitelüberschrift deutlich: „Hafen, Handel, Hightech – Zukunft in Wirtschaft und Wissenschaft“ (5)¹. Das „Profil des Standorts“ Hamburg soll geschärft, die „Innovationskraft der Unternehmen“ gestärkt und die „Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft“ erleichtert werden. (6)
Als politisches Ziel artikuliert die CDU, Hamburg zur „Gründermetropole“ (7) bzw. „führenden Wissensmetropole Nordeuropas“ (8) zu machen. Derzeit gäbe es „zu wenig exzellente Bereiche“ (7).
Die GAL lobt in ihrem Wahlprogramm mit dem Titel „Mit Grün geht das“ Hamburgs „reichhaltige Wissenschaftslandschaft“ (90), der ein großes Potenzial zugeschrieben wird. Die Hochschulen werden von ihnen als Orte beschrieben, an denen „neue Techniken und Lösungen für die Probleme unserer Gesellschaft“ (90) entstehen. Die Investition in die Hochschulen wird als mehrfach lohnenswert bestimmt: zunächst brächten sie eine hohe volkswirtschaftliche Rendite und eine Steigerung der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Weiterhin seien sie der Lebensqualität und der kulturellen Entwicklung der Stadt zuträglich (vgl. ebd.).
Die SPD hebt in ihrem Wahlprogramm „Hamburg weiter vorn“ (das sie bereits im Titel als „Regierungsprogramm“ bezeichnet) unter der Überschrift „Höchstleistungen in Wissenschaft und Forschung“ die „breite Landschaft von Hochschulen und Forschungseinrichtungen“ (20) hervor. Wissenschaft und Forschung werden als „Impulsgeber“ für gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritt, für Beschäftigung und innovative Wirtschaftsleistungen beschrieben. (20)
Die SPD bezieht sich in ihrem Programm auf das Humboldt'sche Konzept der Universität womit „Forschung, Lehre, Studium und demokratische Selbstverwaltung mit [der] wissenschaftlichen Verantwortung für das Gemeinwesen“ (21) verbunden werden.
Die FDP fordert: „Hamburg soll Wissenschaftsmetropole werden.“ (11) Als Ziel des von der FDP formulierten Konzepts von Wissenschaftspolitik wird das Bestehen Hamburgs im „internationalen Wettbewerb“ formuliert. Dafür sei eine „auskömmliche Finanzierung und mehr Autonomie für die Hochschulen“ erforderlich. Was für eine Form von Autonomie der FDP vorschwebt, wird deutlich, wenn sie sich für eine Reform des Hamburger Hochschulgesetzes nach dem Vorbild des sogenannten Hochschulfreiheitsgesetzes in Nordrhein-Westfalen ausspricht.
Im Wahlprogramm der LINKEN werden als allgemeine Ziele von Bildung – von der Kita bis zur Hochschule – die „kritische Aneignung der Realität, die Bildung eines humanitären Bewusstseins, die solidarische Aufmerksamkeit für die Mitmenschen, die Entwicklung verantwortungsvoller Handlungsfähigkeit zur Überwindung von gesellschaftlichen Problemen“ (21) benannt. Die LINKE kritisiert das Leitbild der 'unternehmerischen Hochschule' mit einer Orientierung an „kurzfristigen Verwertungsinteressen“ (24), auf der die Hochschulpolitik der jüngeren Vergangenheit basierte. Dementgegen fordert sie „kritische Wissenschaft und emanzipatorische Bildung in demokratischen Hochschulen“.
Hochschulfinanzierung
Infos zur Bürgerschaftswahl 2015
Neu bei dieser Wahl ist, dass die Wahlperiode auf fünf Jahre verlängert worden ist. Die nächsten regulären Wahlen wären also erst 2020. Eine weitere Neuerung ist, dass bereits 16-jährige stimmberechtigt sind. Informationen zum Wahlverfahren in Hamburg können hier abgerufen werden.
Nach der letzten Wahl der Bürgerschaft kündigte die SPD im Zeichen der Schuldenbremse eine Reduzierung der Mittel für den Wissenschaftsbereich an. Dagegen wurde hochschulübergreifend Protest organisiert. Von der Uni Hamburg wurde der 'Kampf um die Zukunft' ausgerufen.
Im November 2011 unterzeichnete die Wissenschaftssenatorin mit den Präsidenten der Hamburger Hochschulen Hochschulvereinbarungen (hier z.B. die mit der Uni Hamburg), mit denen bis 2020 ein jährlicher Anstieg der Etats von 0,88 % festgelegt wurde, was angesichts von Teuerungsrate und Inflation eine Defacto-Kürzung bedeutete.
Die SPD bezieht sich in ihrem Wahlprogramm positiv auf die von ihr mit den Hochschulen geschlossenen Hochschulvereinbarungen. Im Wahlprogramm werden Investitionen im Bereich der Sanierung und des Hochschulbaus angekündigt. (23) Darüber hinaus wird die Stärkung der Hochschulen durch „erhebliche Investitionen“ (47) angekündigt.
In der Kritik der Hochschulvereinbarungen sind sich die Oppositionsparteien einig. Sowohl die GAL als auch die LINKE fordern eine auskömmliche Finanzierung der Hochschulen und Universitäten. Die LINKE beschreibt die wissenschaftliche Bildung an Hochschulen und Universitäten als öffentliche Aufgabe, die bedarfsdeckend aus öffentlichen Mitteln finanziert werden muss.
Die GAL kritisiert die „faktische Kürzung“ durch die vom SPD-Senat gewährte Anpassung der Finanzierung von unter einem Prozent und erklärt, dass sie beabsichtigt, die Grundfinanzierung der Hochschulen „jährlich um ein Prozent über den Kostensteigerungen durch Inflation und Tarifsteigerungen [zu] erhöhen“ (91).
Auch die CDU kritisiert die vom SPD-Senat mit den Hochschulen und Universitäten abgeschlossenen Hochschulverträge, die unter Berücksichtigung der tarif- und inflationsbedingten Ausgabensteigerungen zu einem Rückgang der zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel geführt haben.
Die FDP spricht in ihrem Programm sich für eine Anpassung der öffentlich garantierten Grundfinanzierung an „systembedingte Kostensteigerungen“ (11) aus.
Drittmittel
Die Hochschulen und Universitäten sind für ihre Forschungstätigkeit in zunehmendem Maße auf zusätzliche, so genannte Drittmittel angewiesen. Diese Mittel stammen von Institutionen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von privaten Geldgebern aus der Industrie oder aber auch – wie Ende 2013 bekannt wurde – aus dem US-amerikanischen Pentagon.
Die GAL fordert die Herstellung von Transparenz über die Herkunft von Drittmittelprojekten „von privaten Geldgebern“ (94).
Die FDP fordert zusammen mit einer Intensivierung des Austauschs „zwischen Hochschulen und der Wirtschaft“ durch „Technologieparks, mehr Gastdozenten aus der Wirtschaft“ auch explizit mehr Drittmittelforschung. (12) Dem Ausbau von Transparenz in Bezug auf privat finanzierte oder gesponsorte Auftragsforschung an öffentlichen Hochschulen wird von ihr eine Absage erteilt: „Betriebsgeheimnisse von Drittmittelgebern [müssen] sicher geschützt werden.“ (12)
Dementgegen fordert die LINKE eine Befreiung der Wissenschaften „aus der inhaltlichen Abhängigkeit von privaten Drittmittelgebern“ (24).
SPD und CDU machen zur Finanzierung von Hochschulaktivitäten durch (private) Drittmittelgeber in ihren Wahlprogrammen keine expliziten Aussagen und scheinen insofern keine Ambitionen zu verfolgen, am Status Quo etwas zu ändern.
Studienreform
Im Laufe der letzten Jahre wurde die Mehrzahl der Studiengänge an Hamburger Hochschulen und Universitäten im Zuge des Bologna-Prozesses auf das Bachelor-Master-System umgestellt. Hieran und an der je konkreten Umsetzung entzündete sich in den vergangenen Jahren immer wieder viel Kritik, so z.B. an fehlenden Master-Plätzen bzw. Zwangspausen zwischen Bachelor- und Master-Studium. In den meisten Wahlprogrammen finden sich auch Aussagen zur Reform der Rahmenbedingungen des Studiums.
Die SPD bleibt in ihrem Programm diesbezüglich vage. Sie postuliert, dass eine sinnvolle Ausgestaltung der Studiengänge im Bachelor-Master-System sowie eine Qualitätssicherung der Lehre für ein erfolgreiches Studium unerlässlich seien und kündigt an, die Reform des Bachelor-Master-Systems weiter vorantreiben zu wollen. (48)
Auch der „Stellenwert der Lehre“ soll verbessert werden. Wie, bleibt unklar. In Bezug auf die zur Verfügung stehenden Masterplätze wird formuliert, dass die „Masterkapazitäten […] so zu berechnen [seien], „dass für weiterstudierwillige Bachelor-Absolventen eine entsprechende Anzahl an Master-Studienplätzen vorgehalten wird“ (48).
Die LINKE fordert die Ermöglichung eines „selektionsfreien Bachelor/Master-Übergangs“ und darüber hinaus „Demokratie statt Hierarchie, rationale und kooperative Entscheidungsprozesse statt Marktmechanismen und solidarisches Lernen statt restriktives Pauken.“ (24)
Die GAL kündigt an, für „ausreichend Masterplätze“ (91) sorgen zu wollen. Zudem wollen sie die rechtliche Möglichkeit schaffen, „gebundene Studiengänge“ (91) aus Bachelor und Master einzurichten.
In den Programmen von CDU und FDP werden keine expliziten Aussagen zum Thema Studienreform gemacht.
Position zum BAföG
Das BAföG ist inzwischen praktisch ausschließlich Bundessache (seit diesem Jahr übernimmt der Bund die Finanzierung vollständig), nichtsdestotrotz positionieren sich auch die Landesverbände einzelner Parteien in ihren Wahlprogramm in Bezug darauf.
So erklärt die GAL, dass sie sich auf Bundesebene für eine Erhöhung des BAföG und eine Anhebung der Freibeträge einsetzt. (92)
Die LINKE verbindet in ihrem Programm das Ziel einer sozialen Öffnung der Hochschulen für Menschen mit und ohne Abitur mit der Forderung nach einer „bedarfsdeckenden, elternunabhängigen, staatliche Ausbildungsfinanzierung“ (24).
Die FDP geht mit der Forderung nach der Einrichtung eines Stipendien- und Bildungsgutschein-Systems zur Finanzierung von Ausbildung und Studium in den Wahlkampf. (11)
Studiengebühren
Allgemeine Studiengebühren in Höhe von 500 € / Semester waren in Hamburg – so wie bundesweit von Protesten begleitet – zum Sommersemester 2007 von einem CDU-geführten Senat eingeführt worden. Zum WiSe 2008/2009 gab es unter schwarz-grün deutliche Änderungen. So wurde die Höhe der Gebühren auf 375 € vermindert, die Zahlung konnte auch erst nach dem Studium erfolgen. (Wobei die Grünen mit der Forderung nach Abschaffung der Gebühren in den Wahlkampf gezogen waren.) Nach dem Scheitern der schwarz-grünen Koalition und den vorgezogenen Neuwahlen im Februar 2011, aus denen die SPD mit einer absoluten Mehrheit hervorging, dauerte es noch bis zum Wintersemester 2012/2013, bis die Studiengebühren abgeschafft wurden.
Für die Wiedereinführung von Studiengebühren argumentiert keine der Parteien in der Hamburger Bürgerschaft explizit. Einzig die FDP möchte die Entscheidung, ob Studiengebühren erhoben werden oder nicht den Hochschulen überlassen. Nach dem Willen der FDP müssten diese „in jedem Fall nachgelagert sein“.
Zivilklausel
Die LINKE ist die einzige Partei, die sich in ihrem Wahlprogramm gegen die Werbung der Bundeswehr an Schulen und Hochschulen wendet und die Einführung von Zivilklauseln fordert, mit denen Forschung für militärische Zwecke an den Hamburger Hochschulen unterbunden werden soll. In diesem Zusammenhang steht auch die Forderung nach einer Auflösung der Universität der Bundeswehr und ihre Umwandlung in eine zivile Hochschule.
Die FDP spricht sich in ihrem Wahlprogramm gegen die Einführung von Zivilklauseln an den Hochschulen als Einschränkung der Forschungsfreiheit aus.
Quellen + Weiterlesen
Weitere Informationen zu den Positionen der einzelnen erwähnten Parteien, die sich zur Wahl stellen, sind in den im Folgenden aufgeführten Programmen zur Bürgerschaftswahl zu finden. Auch der Wahl-O-Mat (startet für die Bürgerschaftswahl am 23. Januar) der Bundeszentrale für politische Bildung ist hilfreich, um Positionen miteinander zu vergleichen und umfasst alle antretenden Parteien.
- Wahlprogramm der CDU
- Wahlprogramm der FDP
- Wahlprogramm der GAL
- Wahlprogramm der LINKEN
- Wahlprogramm der SPD
Fußnote:
Die Zahlen in Klammern geben die Seitenzahl im jeweiligen Wahlprogramm an.