HochschulpolitikStudiengebühren-Sommertheater geht weiter
Studienkonten für alle und Studiengebühren für Ausländer?
Bundesbildungsministerin Bulmahn war früher strikt gegen Studiengebühren. Schon die aktuelle Regelung im Hochschulrahmengesetz (HRG) war ein Abrücken von dieser klaren Linie. Offenbar ist die Zermürbung Bulmahns weiter fortgeschritten. In einem FOCUS-Interview kündigte sie nun an, zusammen mit den SPD-Ländern ein "einheitliche sozialdemokratische Studienfinanzierung" zu entwickeln.
Grundlage soll offenbar das bereits in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eingeführte Studienkonten-Modell sein. Dabei handelt es sich letztlich um nicht viel anderes als Langzeitstudiengebühren mit vermeintlich flexiblerer Ausgestaltung für die Studierenden, was aber eben auch den Verwaltungsaufwand stark erhöht.
Und weil sich Ausländer kaum wehren können, sollen diese - sofern nicht aus der EU - in Zukunft allgemeine Studiengebühren zahlen. Dass Deutschland auch deswegen noch für manche Ausländer attraktiv war, weil eben keine Studiengebühren verlangt wurden, wird dabei schnell vergessen.
Der fzs und der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) sprechen sich dafür aus, auch weiterhin keine Studiengebühren zu verlangen. In einer Pressemitteilung schreiben sie:
In den letzten Jahren nahmen deutlich mehr ausländische Studierende ein Studium in Deutschland auf, was ein Zeichen für die steigende Attraktivität deutscher Hochschulen ist. Fast 60% kommen dabei aus Europa und Nord Amerika; ein Großteil bleibt im Rahmen von Sonderprogrammen nur für kurze Zeit in Deutschland. Besonders Studierende aus wirtschaftlich schwachen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens wären von den Gebühren betroffen. "Bereits heute ist die finanzielle Situation ausländischer Studierender besonders kritisch. Wenn das Studium gebührenpflichtig wird, werden sich nur noch sehr wenige ein Studium in Deutschland leisten können", befürchtet Colin Tück vom Vorstand des fzs.
Länder kassieren, Bund zahlt?
Bundesfinanzminister Eichel warnte vor möglichen Folgekosten von Studiengebühren. "Es kann ja wohl nicht sein, dass Länder Studiengebühren einführen und der Bundeshaushalt für die Abfederung zuständig ist", sagte der Minister dem Nachrichtenmagazin SPIEGEL.
Nebenbei ist das auch ein Argument für eine bundesweit einheitliche Regelung in Bezug auf Studiengebühren (oder deren Verbot). Sonst gibt es wieder Kleinstaaterei und unerfreuliche Effekte, wenn jemand das Bundesland während des Studiums wechselt.
Gebührenfreiheit nur bis zum 6. Semester?
Die traditionell konservativen Grünen aus Baden-Württemberg wollen zwar einige Semester Gebührenfreiheit aufrechterhalten, aber nach dem Bachelor allgemein kassieren. Bachelor für alle, Master nur für die Reichen, kann man da nur fragen. Und zerren mal wieder den Vergleich mit den Kindergärten hervor: "Warum sollen Kindergärten gebührenpflichtig sein, nicht aber das Studium?" Die Frage ist berechtigt, allerdings sollte daraus eher geschlossen werden, dass die Kindergärten nicht mehr gebührenpflichtig sein sollten.
Wie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das Gebührenverbot entscheidet, ist keineswegs klar
Die Debatte um Studiengebühren ist auch deswegen erneut aufgeflammt, weil das Bundesverfassungsgericht eine Regelung im HRG bezogen auf Juniorprofessuren gekippt hatte. Studiengebührenbefürworter haben daraus abgeleitet, dass auch das Gebührenverbot als zu starker Eingriff des Bundes gewertet werden würde und postuliert, dass das BVerfG auch diese Regelungen kippen würde. Das Deutsche Studentenwerk wies aber schon auf einigen Tagen darauf hin, dass dieser Automatismus nicht besteht.
"Wer meint, durch eine Dauerberieselung ein Urteil der höchsten deutschen Richter präjudizieren zu können, läuft Gefahr, die Macht der Schlagzeilen zu überschätzen", erklärte der Präsident des Deutschen Studentenwerks (DSW), Prof. Dr. Hans-Dieter Rinkens. Nur weil das Bundesverfassungsgericht die Juniorprofessur wegen zu detaillierter Bestimmung mit äußerst knapper Richtermehrheit gekippt hat, ist dies noch lange keine Infragestellung des Leitbildes der Chancengerechtigkeit durch Studiengebührenfreiheit im Hochschulrahmengesetz. Demnach ist das Erststudium studiengebührenfrei; in besonderen Fällen kann das Landesrecht Ausnahmen vorsehen. "Von einem Verbot kann daher nicht die Rede sein", sagte Rinkens.
Studiengebühren sozial gerecht?
Dass es fragwürdig ist, jedwelches Studiengebührenmodell als "sozial gerecht" zu bezeichnen, hat das DSW in seiner Pressemitteilung ebenfalls betont. ei einer durchschnittlichen Fachstudiendauer von 5,8 Jahren an Universitäten würden bei 500 Euro pro Semester abgerundet 5.500 Euro Studiengebühren anfallen. Häuslebauer wüssten, dass die Verzinsung die Darlehensschuld verdoppelt. Das seien dann schon 11.000 Euro. Besonders hart betroffen wären BAföG-Empfänger, deren Darlehensschuld erst seit März 2001 auf 10.000 Euro begrenzt worden sei. Damit kämen BAföG-Empfänger bei zusätzlichen Studiengebühren am Studienende auf eine Belastung von 21.000 Euro.
Wenn mit dem erfolgreichen Berufseinstieg auch die Familiengründungsphase beginne, könnte sich eine Darlehenslast der Partner von 42.000 Euro angesammelt haben.
Mit 42.000 Euro Schulden erhalte man aber nach dem neuen individuellen Bankenrating Basel II keinen Kredit mehr; Existenzgründungen sind damit ausgeschlossen. Besonders misslich sei, dass diese verschuldeten Familien auch noch in die Rentenkassen der Generation der Studiengebührenbefürworter einzahlen müssten; daneben müssten sie noch selbst Privatvorsorge treffen, weil sie keine ausreichenden Rentenerträge erwarten könnten.
"Das Prädikat 'sozial gerecht' kann so nicht erteilt werden", resümierte der DSW-Präsident.
Bundesbildungsministerin Bulmahn war früher strikt gegen Studiengebühren. Schon die aktuelle Regelung im Hochschulrahmengesetz (HRG) war ein Abrücken von dieser klaren Linie. Offenbar ist die Zermürbung Bulmahns weiter fortgeschritten. In einem FOCUS-Interview kündigte sie nun an, zusammen mit den SPD-Ländern ein "einheitliche sozialdemokratische Studienfinanzierung" zu entwickeln.
Grundlage soll offenbar das bereits in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eingeführte Studienkonten-Modell sein. Dabei handelt es sich letztlich um nicht viel anderes als Langzeitstudiengebühren mit vermeintlich flexiblerer Ausgestaltung für die Studierenden, was aber eben auch den Verwaltungsaufwand stark erhöht.
Und weil sich Ausländer kaum wehren können, sollen diese - sofern nicht aus der EU - in Zukunft allgemeine Studiengebühren zahlen. Dass Deutschland auch deswegen noch für manche Ausländer attraktiv war, weil eben keine Studiengebühren verlangt wurden, wird dabei schnell vergessen.
Der fzs und der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) sprechen sich dafür aus, auch weiterhin keine Studiengebühren zu verlangen. In einer Pressemitteilung schreiben sie:
In den letzten Jahren nahmen deutlich mehr ausländische Studierende ein Studium in Deutschland auf, was ein Zeichen für die steigende Attraktivität deutscher Hochschulen ist. Fast 60% kommen dabei aus Europa und Nord Amerika; ein Großteil bleibt im Rahmen von Sonderprogrammen nur für kurze Zeit in Deutschland. Besonders Studierende aus wirtschaftlich schwachen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens wären von den Gebühren betroffen. "Bereits heute ist die finanzielle Situation ausländischer Studierender besonders kritisch. Wenn das Studium gebührenpflichtig wird, werden sich nur noch sehr wenige ein Studium in Deutschland leisten können", befürchtet Colin Tück vom Vorstand des fzs.
Länder kassieren, Bund zahlt?
Bundesfinanzminister Eichel warnte vor möglichen Folgekosten von Studiengebühren. "Es kann ja wohl nicht sein, dass Länder Studiengebühren einführen und der Bundeshaushalt für die Abfederung zuständig ist", sagte der Minister dem Nachrichtenmagazin SPIEGEL.
Nebenbei ist das auch ein Argument für eine bundesweit einheitliche Regelung in Bezug auf Studiengebühren (oder deren Verbot). Sonst gibt es wieder Kleinstaaterei und unerfreuliche Effekte, wenn jemand das Bundesland während des Studiums wechselt.
Gebührenfreiheit nur bis zum 6. Semester?
Die traditionell konservativen Grünen aus Baden-Württemberg wollen zwar einige Semester Gebührenfreiheit aufrechterhalten, aber nach dem Bachelor allgemein kassieren. Bachelor für alle, Master nur für die Reichen, kann man da nur fragen. Und zerren mal wieder den Vergleich mit den Kindergärten hervor: "Warum sollen Kindergärten gebührenpflichtig sein, nicht aber das Studium?" Die Frage ist berechtigt, allerdings sollte daraus eher geschlossen werden, dass die Kindergärten nicht mehr gebührenpflichtig sein sollten.
Wie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das Gebührenverbot entscheidet, ist keineswegs klar
Die Debatte um Studiengebühren ist auch deswegen erneut aufgeflammt, weil das Bundesverfassungsgericht eine Regelung im HRG bezogen auf Juniorprofessuren gekippt hatte. Studiengebührenbefürworter haben daraus abgeleitet, dass auch das Gebührenverbot als zu starker Eingriff des Bundes gewertet werden würde und postuliert, dass das BVerfG auch diese Regelungen kippen würde. Das Deutsche Studentenwerk wies aber schon auf einigen Tagen darauf hin, dass dieser Automatismus nicht besteht.
"Wer meint, durch eine Dauerberieselung ein Urteil der höchsten deutschen Richter präjudizieren zu können, läuft Gefahr, die Macht der Schlagzeilen zu überschätzen", erklärte der Präsident des Deutschen Studentenwerks (DSW), Prof. Dr. Hans-Dieter Rinkens. Nur weil das Bundesverfassungsgericht die Juniorprofessur wegen zu detaillierter Bestimmung mit äußerst knapper Richtermehrheit gekippt hat, ist dies noch lange keine Infragestellung des Leitbildes der Chancengerechtigkeit durch Studiengebührenfreiheit im Hochschulrahmengesetz. Demnach ist das Erststudium studiengebührenfrei; in besonderen Fällen kann das Landesrecht Ausnahmen vorsehen. "Von einem Verbot kann daher nicht die Rede sein", sagte Rinkens.
Studiengebühren sozial gerecht?
Dass es fragwürdig ist, jedwelches Studiengebührenmodell als "sozial gerecht" zu bezeichnen, hat das DSW in seiner Pressemitteilung ebenfalls betont. ei einer durchschnittlichen Fachstudiendauer von 5,8 Jahren an Universitäten würden bei 500 Euro pro Semester abgerundet 5.500 Euro Studiengebühren anfallen. Häuslebauer wüssten, dass die Verzinsung die Darlehensschuld verdoppelt. Das seien dann schon 11.000 Euro. Besonders hart betroffen wären BAföG-Empfänger, deren Darlehensschuld erst seit März 2001 auf 10.000 Euro begrenzt worden sei. Damit kämen BAföG-Empfänger bei zusätzlichen Studiengebühren am Studienende auf eine Belastung von 21.000 Euro.
Wenn mit dem erfolgreichen Berufseinstieg auch die Familiengründungsphase beginne, könnte sich eine Darlehenslast der Partner von 42.000 Euro angesammelt haben.
Mit 42.000 Euro Schulden erhalte man aber nach dem neuen individuellen Bankenrating Basel II keinen Kredit mehr; Existenzgründungen sind damit ausgeschlossen. Besonders misslich sei, dass diese verschuldeten Familien auch noch in die Rentenkassen der Generation der Studiengebührenbefürworter einzahlen müssten; daneben müssten sie noch selbst Privatvorsorge treffen, weil sie keine ausreichenden Rentenerträge erwarten könnten.
"Das Prädikat 'sozial gerecht' kann so nicht erteilt werden", resümierte der DSW-Präsident.
- Mehr bei uns
- Wie ist Deine Meinung? Diskutiere im Forum!
- Übersicht über atuellen Stand in Sachen Studiengebühren in den Bundesländern
- Studiengebühren im Sommerloch (04.08.2004)
- In unionsregierten Ländern ab 2006 allgemeine Studiengebühren? (01.08.2004)
- Hochschulrektorenkonferenz für Studiengebühren (09.06.2004)
- Studiengebühren grün-schwarz (18.05.2004)
- Quellen
- Attraktivität durch Gebührenfreiheit (09.08.2004, Presseerklärung von fzs und BAS)
- Bulmahn hat ausländische Studenten für Gebühren im Blick (07.08.2004, ftd.de)
- Streit bei den Grünen um Studiengebühren (07.08.2004, de.news.yahoo.com)
- Bundesverfassungsgerichtsurteil kein Anlass für Studiengebührendebatte (04.08.2004, Deutsches Studentenwerk)
- Studierende begrüßen Bulmahns Nein zu Studiengebühren (04.08.2004, Pressemitteilung des fzs)