Gewerkschaftsjugend mischt sich einIG Metall will "Bildungsrevolution"
Logo der IG Metall Jugend-Kampagne Revolution Bildung
In kaum einem anderen Land entscheide die soziale Herkunft so stark über den Bildungszugang wie in Deutschland, kritisierte Wetzel. Während 83 Prozent der Kinder von Eltern mit Hochschulabschluss selbst ein Studium beginnen, sind es bei Nichtakademikern gerade mal 23 Prozent. Mehr als 50.000 Jugendliche verlassen die allgemeinbildenden Schulen ohne Abschluss – eine Quote von 6,5 Prozent die bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund noch um das Zweieinhalbfache höher liegt.
Und so geht es nach der Schule weiter: Nicht einmal jeder Zweite, der eine betriebliche Ausbildung sucht, findet auch eine. 500.000 Azubis stehen 300.000 Jugendlichen in diversen Warteschleifen und weiteren 210.000 in schulischen Ausbildungsgängen gegenüber. Auch an den Unis haben sich die Bedingungen nach Ansicht der IG Metall in den vergangenen Jahren verschlechtert. Seit 2006 sei die Quote der Studienabbrecher von 25 auf 35 Prozent gestiegen, berichtete Wetzel unter Berufung auf den Bildungsbericht der Bundesregierung. Der Gewerkschafter führt das unter anderem auf die schlechte materielle Situation vieler Studierender zurück, von denen jeder Dritte gezwungen sei, nebenbei für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. "Für den Einzelnen bedeutet das oft einen unauflösbaren Konflikt zwischen Arbeit und Studium", so Wetzel. Auch die Verschulung und die unzureichende Ausstattung der Universitäten tragen ihm zufolge zur Enttäuschung vieler Studienanfänger bei. "Die Hochschulen sind ja zum Teil mehr damit beschäftigt, Drittmittel einzuwerben, als ihren Aufgaben in Forschung und Lehre nachzukommen."
Verflachung und Zeitdruck
IG-Metall-Bundesjugendsekretär Eric Leiderer kritisierte, das Studium sei "verflacht worden und muss unter enormem Zeitdruck absolviert werden, damit die jungen Menschen möglichst schnell Praktikanten werden oder prekäre und mies bezahlte Jobs annehmen können". Das Kampagnenmotto "Revolution Bildung" begründete er damit, die Politik habe in den vergangenen Jahren "viel zu viel an Symptomen herumgeschraubt, ohne einen Plan für das gesamte System – und wo der Plan vorhanden war, folgte er einer sattsam bekannten Ideologie: Der Ideologie des Marktes, die seit Jahren die Politik dominiert und die auf alle gesellschaftlichen Bereiche ausgedehnt werden soll, obwohl an allen Ecken deutlich sichtbar wird, dass diese Ideologie gescheitert ist". Die Gewerkschaftsjugend wolle "dieses System vom Kopf auf die Füße stellen und deswegen wollen wir tatsächlich nichts weniger als eine Revolution in Sachen Bildung".
Das Thema habe "eine enorme gesellschaftliche Mobilisierungskraft", zeigte sich Leiderer überzeugt. In den kommenden Monaten will seine Organisation "massenhaft" Flugblätter verteilen und Plakate kleben, die sich jeweils gezielt an Schüler, Studierende und Auszubildende richten. Auch die Politik will die IG Metall im Bundestagswahlkampf mit ihren Forderungen konfrontieren. Bislang sind diese allerdings recht abstrakt. "Bildung muss besser werden", erklärte Wetzel. Jeder Schüler müsse das Recht auf einen Schulabschluss, jeder Azubi auf eine anständige Erstausbildung und jeder Studierende auf einen gesicherten Lebensunterhalt haben. Konkreter wird die Gewerkschaft vielleicht in ihrem "Bildungsmanifest", das sie Ende März vorstellen will.
"Neue Bildungskatstrophe"
Die Probleme des Bildungssystems seien bekannt und weitgehend unstrittig, meinte Wetzel. "Die Frage ist aber: Warum passiert dann nichts?" Deutschland erlebe eine "neue Bildungskatastrophe", betonte er mit Anspielung auf Debatten in den 1950er Jahren. Seinerzeit sei eine Bewegung für Chancengleichheit entstanden, die eine Bildungsexpansion zur Folge hatte. Doch heute sei es mit dem Bürgerrecht auf gleiche Bildungschancen nicht mehr allzu weit her.
Neben einer guten Pädagogik brauche das Bildungssystem eine bessere Finanzierung. "Deutschland ist zwar Weltmeister beim Export, aber nicht beim Anteil der Bildungsausgaben", stellte Wetzel fest. Das sei eine Frage der Prioritäten. "Wer innerhalb weniger Wochen dreistellige Milliardenbeträge zur Rettung der Banken mobilisieren kann, sollte in der Lage sein, genug für die Lebensperspektiven der jungen Generation aufzuwenden." (dab)
Kampagnenwebsite: www.revolutionbildung.de