Wahlprüfsteine: HochschulpolitikAntworten DIE LINKE Niedersachsen
Studiengebühren sind seit ihrer Einführung ein stark umstrittenes Thema. Nur noch Niedersachsen und Bayern erheben diese Gebühr. Gibt es Pläne sich dem allgemeinen Trend auf Bundesebene anzuschließen und die allgemeinen Studiengebühren abzuschaffen oder wollen Sie weiterhin daran festhalten?
Gibt es Vorhaben zur Weiterentwicklung der bestehenden rechtlichen Grundlage zum BAföG und des Unterhaltsrechtes? Sollte Ihrer Meinung nach das BAföG und das Unterhaltsrecht in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung geändert werden? Haben Sie weitere Pläne im Bereich der Studienfinanzierung?
Im LINKEN Wahlprogramm steht, dass wir uns über eine Bundesratsinitiative dafür einsetzen werden, dass BAföG-Leistungen zukünftig als Vollzuschuss gezahlt werden soll. Eine Ausdehnung des elternunabhängigen BAföG auf alle Studierenden lehnt DIE LINKE zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab, weil die damit verbundene massive Umverteilung derzeit nicht die vorrangige Aufgabe für eine gerechtere Sozialpolitik ist. Zuerst brauchen wir eine sichere Studienfinanzierung für diejenigen, die sich das Studium nicht oder nur mit Schwierigkeiten leisten können und deswegen vom Studium abgehalten werden oder unter erheblichem Aufwand z.B. mit Nebenjobs ihre Finanzierung sichern können. Die nächsten Schritte müssen daher neben der Umstellung auf den Vollzuschuss die zeitliche Ausdehnung des BAföG-Anspruchs auf die durchschnittliche Studienzeit, Erleichterungen beim Fachrichtungswechsel und der vollständige Wegfall von Altersgrenzen sein.
Wie ist Ihre allgemeine Einstellung gegenüber leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
DIE LINKE bekennt sich klar zum BAföG und lehnt die Verlagerung von staatlicher Studienfinanzierung hin zu leistungsbezogenen Stipendien ab. Die Mittel für das Deutschlandstipendium sollten zur Verbesserung des BAföG eingesetzt werden. Die größten Profiteure solcher Stipendien sind dabei Studierende aus finanziell besser gestellten Elternhäusern, die von Hause aus und von Kindesbeinen an viel Unterstützung erfahren haben. Angesichts der sozialen Spaltung im Bildungswesen muss es aber die vorrangige Aufgabe des Staates sein, diese soziale Schere zu schließen, anstatt die obere Schicht weiter zu fördern. Daher müssen die staatlichen Angebote auf finanzielle Bedürftigkeit ausgerichtet sein. Das Deutschlandstipendium oder andere leistungsabhängige Stipendien tragen diesem Ansatz nicht Rechnung. Im Verhältnis von Stipendien und BAföG steht DIE LINKE daher eindeutig auf der Seite des BAföG.
Vergleiche mit anderen Bundesländern zeigen, dass Niedersachsen in Hinblick auf die Statistik der Studierendenzahlen schlecht abschneidet. Die Erhebung von Studiengebühren sowie das Niedersächsische Darlehensmodell könnten daran einen Anteil haben. Welchen Änderungsbedarf sehen Sie und welche Pläne verfolgen Sie wieder mehr Studierende an den Studienstandort Niedersachsen zu bringen?
DIE LINKE will die Studiengebühren sofort abschaffen, um damit das Studium in Niedersachsen attraktiver zu machen. Es kommt nicht von ungefähr, dass beispielsweise die Universitäten in Münster und Kassel, die direkt hinter der Landesgrenze liegen, einen großen Ansturm auf die Studienplätze erlebt haben, nachdem NRW bzw. Hessen die Studiengebühren abgeschafft hat, während Niedersachsen weiterhin daran festhält. Nachdem die Gebühren nun auch in Bayern vor dem Aus stehen, werden die Gebühren zu einer rein niedersächsischen Studierendensteuer, was zu anhaltender Abwanderung führen wird. DIE LINKE setzt auf den Abbau der privaten Hochschulfinanzierung und will die öffentliche Grundfinanzierung stärken. In unseren gegenfinanzierten Haushaltsanträgen haben wir einen dreistelligen Millionenbetrag für die Hochschulen gefordert, um Studienplatzkapazitäten auszubauen und eine 1:1-Durchlässigkeit vom Bachelor zum Master sicherzustellen.
Welche Pläne verfolgen Sie, mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Die soziale Spaltung in der Bildung setzt weit vor dem Erlangen der Hochschulzugangsberechtigung an. Für DIE LINKE steht auf der Prioritätenliste ganz oben, dass der Zugang zu Bildung nicht vom Geldbeutel abhängig sein darf. Deswegen fordern wir eine gebührenfreie Bildung von der KiTa aufwärts. Auch müssen individuelle Fördermaßnahmen und die Begleitung von Familien bereits in der KiTa besser werden. Wir fordern daher eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels und den Ausbau von Verfügungsstunden, also von Arbeitszeit ohne Gruppenbetreuung, für die ErzieherInnen. Im Schulbereich kommt es vor allem darauf an, die Bildungswege so lange wie möglich offen zu halten, um auch "Spätentwicklern" die Chance auf einen hohen Bildungsabschluss zu geben. Daher will DIE LINKE die Integrierten Gesamtschulen in Niedersachsen stärken, um das gemeinsame Lernen bis zur zehnten Klasse auszubauen. Die derzeitige Praxis, Kinder im Alter von zehn Jahren auf unterschiedliche Schulformen zu verteilen, führt zu einer sozialen Auslese: der Anteil armer Schülerinnen un Schüler an Gymnasien beträgt gerade einmal 4,6 Prozent, an Hauptschulen ist er siebenmal höher, an Förderschulen sogar zehnmal. Die Entscheidung über die weiterführende Schulform und damit über Bildungschancen hängt also im Wesentlichen vom Geldbeutel der Eltern ab. Das wollen wir beenden. Gleichzeitig müssen die individuellen Fördermöglichkeiten verbessert und Ganztagsschulen flächendeckend ausgebaut werden.
Neben diesen Maßnahmen setzt sich DIE LINKE dafür ein, den Anteil von Studierenden ohne Abitur zu erhöhen, indem eine berufliche Ausbildung und Berufspraxis auch als Eintrittskarte in das Studium anerkannt und durch eine breite Unterstützungsstruktur begleitet werden, um den Übergang in die Hochschule zu erleichtern. Zusätzlich setzen wir auch für Modelle einer Offenen Hochschule ein, in der Menschen ohne jegliche formale Qualifikation an einem Fernstudiengang oder an Angeboten der Erwachsenenbildung auf entsprechendem wissenschaftlichen Niveau teilnehmen können und dort Leistungsscheine erwerben können, die dann beim Einschreiben in eine Präsenz-Hochschule anerkannt werden.
Die Zahl der Master-Studienplätze ist Gegenstand vieler Debatten, insbesondere da es offenbar immer wieder zu gewissen Engpässen kommt. Welche Übergangsquote zwischen Bachelor und Master sehen Sie insgesamt als sinnvoll an? Wie stehen Sie zur Umsetzung des Konzeptes der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
DIE LINKE ist der Überzeugung, dass es die Entscheidung der Studierenden sein sollte, ob sie mit einem Bachelor- oder einen Masterabschluss die Hochschule verlassen wollen. Daher muss das Angebot an Masterstudienplätzen nachfrageorientiert ausgebaut werden, HIS-Erhebungen aus dem Jahr 2011 gehen – über alle Fächer und Standorte hinweg – von einer Übergangsquote von 87 Prozent an Universitäten und 65 Prozent an Fachhochschulen aus. Das Übergangsverhalten ist jedoch regelmäßig zu beobachten, weil es sich verändert. Wir lehnen Zugangshürden, wie etwa die im Hochschulgesetz geforderte "besondere Eignung" ab. Ein Bachelorabschluss ist ein ausreichender Nachweis für den Zugang zu einem konsekutiven Masterstudiengang. Die Umsetzung des Bachelor/Master-Konzeptes ist an vielen Hochschulen mit vehementer und berechtigter Kritik bedacht worden. Auf struktureller Ebene kämpft DIE LINKE dagegen an, dass die Umstellung zu einer erzwungenen Studienverkürzung für die Masse wird und ein Masterabschluss nur einer Minderheit vorbehalten bleibt. Dadurch entsteht ein Konkurrenzdruck von erstem Semester an, weil nur die Studierenden mit den besten Noten und Empfehlungen einen Masterplatz erhalten. DIE LINKE will aber keine Ellbogenmentalität in der Lehre, es muss darum gehen, sich Erkenntnisse und wissenschaftliches Arbeiten gemeinsam – und nicht gegeneinander – anzueignen. Die Verschulung, die mit der Umstellung einherging, und das rein klausur- bzw. prüfungsbezogene Lernen ("Bulimie-Lernen") lehnt DIE LINKE ebenso ab. Wir setzen uns für mehr Freiräume im Studium und mehr Zeit im Bildungsprozess ein. Das alleinige Ziel eines Studiums darf es nicht sein, nach einer schnellstmöglichen Zeit passfähig für den Arbeitsmarkt zu sein. Viele Bachelor-Studiengänge sehen sich aber genau dieser Kritik ausgesetzt.
Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie in Bezug auf eine verbesserte Hochschulfinanzierung? Soll der Bund sich zukünftig wieder stärker in die Finanzierung einbringen; sollte dazu evt. auch das Kooperationsverbot gestrichen werden?
Ja. Das Kooperationsverbot muss auf jeden Fall gestrichen werden. DIE LINKE hat als einzige Partei der Föderalismusreform und damit dem Kooperationsverbot nicht zugestimmt. Wir sind für ein Kooperationsgebot an Stelle eines Kooperationsverbots. Um das im Grundgesetz verankerte Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu erreichen, ist es unabdingbar, dass der Bund sich wieder stärker an der Finanzierung der Hochschulen und der Infrastruktur beteiligt. In den Haushaltsberatungen des Landes hat DIE LINKE jedes Jahr Steigerungen der Grundfinanzierung von über zehn Prozent vorgeschlagen; auch muss die Unterstützung für die Studentenwerke als soziale Säule des Studiums ausgebaut werden. In den letzten zehn Jahren gingen die Zuweisungen für die Studentenwerke leicht zurück, während die studentischen Beiträge um 50 % stiegen. Dieser Pfad in die Privatisierung von staatlichen Aufgaben lehnt DIE LINKE an. Inzwischen haben die Studierenden über eine halbe Milliarde Euro an Studiengebühren bezahlt; im Gegenzug haben nach wie vor die staatlichen Kürzungen durch das seit 2004 wirksame "Hochschuloptimierungskonzept" von jährlich 50 Mio. Euro Bestand. DIE LINKE ist für eine Umkehr der Finanzierung: mehr öffentliche Förderung, weniger private Beteiligung.
Mit der diesjährigen Gründung der German U15 wurde eine Lobby-Gruppe mit einem klaren Anspruch auf eine Führungsrolle in der deutschen Hochschullandschaft und damit auch mit einem Anspruch auf mehr öffentliche Gelder ins Leben gerufen. Derzeit wird dieses Bündnis immer wieder stark in verschiedenen Foren kritisiert. Der Fokus werde zu stark auf forschungsstarke Universitäten gelegt, damit die Lehre immer mehr in den Hintergrund gedrängt und eine Zweiklassengesellschaft noch mehr forciert. Welche Haltung nehmen Sie hierzu ein?
DIE LINKE lehnt eine Zweiklassengesellschaft im Hochschulwesen ab. Wir wollen keine Situation, in der es wenige forschungsstarke Universitäten auf der einen Seite und Ausbildungshochschulen auf der anderen Seite gibt. Lobbytätigkeiten, die eine solche Spaltung befürworten, werden bei uns nicht fruchten. DIE LINKE lehnt auch Förderprogramme wie die dritte Säule der Exzellenzinitiative (die Kür von sog. "Elite-Hochschulen") ab. Diese Mittel müssen stattdessen dazu beitragen, alle Hochschulen besser aufzustellen.
Welchen allgemeinen Handlungsbedarf sehen Sie in Hinblick auf den Ausbau der Hochschulinfrastrukturen, aber auch der "sozialen Infrastruktur" (Wohnheime, BAföG-Ämter, Mensen etc.)
Der Handlungsbedarf an den niedersächsischen Hochschulstandorten ist immens. Allein der Sanierungsbedarf an den Universitäten Hannover und Braunschweig liegt jeweils in dreistelliger Millionenhöhe. Neben der notwendigen Sanierung kommen noch notwendige Neubauten und -anschaffungen hinzu, um zeitgemäße Forschung und Lehre betreiben zu können. Ähnlich sieht es im Bereich der sozialen Infrastruktur aus. Auf Anfrage des LINKEN Landtagsabgeordneten Victor Perli kam heraus, dass der Sanierungsbedarf der Wohnheime im Bereich der Studentenwerke Göttingen, Hannover und OstNiedersachsen über 100 Mio. Euro beträgt. Die Warteliste liegt bei manchen Wohnheimen bei über einem Jahr; auch sechs Wochen nach Beginn des laufenden Wintersemesters warteten immer noch über 4.000 Studierende vergebens auf einen Wohnheimplatz. Das zeigt, dass es nicht nur um Sanierung, sondern auch um Ausbau gehen muss, weil die Studierquote tendenziell steigt und in absehbarer Zeit nicht mit einem Rückgang der Studierendenzahlen gerechnet werden kann.
Das Konzept der Stiftungshochschule befindet sich derzeit in skeptischer Beurteilung. Bisher befinden sich 5 Hochschulen in Niedersachsen in einer Trägerschaft einer Stiftung öffentlichen Rechts. Gegenstand der Kritik ist unter anderem die forcierte Öffnung der Universitäten für Drittmittel auch aus der Wirtschaft. Damit werde immer mehr der Einfluss privater Interessen gefördert, der im Widerspruch zur Freiheit von Forschung und Lehre steht. Zudem wird von Seiten der Studierendenschaft ihre fehlende Stimme in den entscheidenden Gremien wie dem Stiftungsrat beklagt. Welche Haltung nehmen Sie diesbezüglich ein?
DIE LINKE hat sich in ihrem Wahlprogramm klar gegen das Konzept der Stiftungshochschule ausgesprochen. Wir teilen die Kritik, dass hinter Stiftungshochschulen die Absicht steckt, mehr privatwirtschaftlichen Einfluss und mehr Hierarchie zu implementieren. Die Macht des Stiftungsrats, der aus sieben ehrenamtlichen Mitgliedern in der Regel ohne besondere Bindung zur Hochschule besteht, hält DIE LINKE für falsch. Eine Anfrage der LINKEN zur Besetzung von Hochschul- und Stiftungsräten (Drs. 16/2354) hat zudem gezeigt, dass die Zusammensetzung der Stiftungsräte bei Vertretern aus der Wirtschaft Schlagseite hat: alle Vertreter kommen von der Arbeitgeberseite, niemand von Arbeiternehmervertretungen. Die von den Befürwortern erhofften Zustiftungen sind zudem ausgeblieben, wie eine Anfrage der LINKEN Landtagsfraktion zu Tage gebracht hat (Drs. 16/3054). Kurz und gut: die von den Befürwortern erhofften Entwicklungen im Hinblick auf eine steigende Beteiligung von privaten Dritten sind nicht in großem Maßstab eingetreten. Das neoliberale Wunschdenken hat sich in diesem Aspekt als Luftschloss entpuppt. DIE LINKE setzt sich weiterhin dafür ein, die Entscheidungskompetenzen aus dem Stiftungsrat auszulagern und damit die originären Hochschulgremien zu stärken.
Was für eine Rolle soll Demokratie an der Hochschule nach Auffassung Ihrer Partei spielen? Haben Sie Konzepte für eine stärkere Demokratisierung der Hochschulen und wenn ja, welche? Wie soll insbesondere die Partizipation der Studierenden aussehen?
DIE LINKE steht für mehr Demokratie in den Hochschulen. Wir wollen, dass aus Hochschul- und Stiftungsräten mit Entscheidungsbefugnissen plural zusammengesetzte Beratungsgremien werden. Die Macht der Hochschulpräsidien und Dekane soll begrenzt und zugunsten der Senate und Fakultätsräte beschnitten werden. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973, eröffnet sind, sollten vollumfänglich ausgenutzt werden: wo Lehre und Forschung nicht unmittelbar betroffen sind, kann es eine Viertelparität in den Hochschulorganen geben, bei unmittelbarer Betroffenheit der Lehre erhält die Gruppe der HochschullehrerInnen 50 Prozent der Stimmen, in Forschungs- und Berufungsfragen 50 Prozent + 1 Stimme. Die Landtagsfraktion der LINKEN hat in der auslaufenden Legislaturperiode einen entsprechenden Antrag eingebracht (Drs. 16/1040), der allerdings von allen anderen Fraktionen abgelehnt wurde. Wir werden die Demokratisierung der Hochschulen als Ziel auch künftig offensiv verfolgen.