Lobby der "forschungsstarken Unis"Start der "German U15"
Mitglieder der German U15
Freie Universität Berlin
Humboldt-Universität zu Berlin
Universität Bonn
Universität Frankfurt
Universität Freiburg
Universität Göttingen
Universität Hamburg
Universität Heidelberg
Universität Köln
Universität Leipzig
Universität Mainz
Ludwig-Maximilians-Universität München
Universität Münster
Universität Tübingen
Universität Würzburg
Studis Online: Pünktlich zum Semesterstart haben am vergangenen Freitag 15 "große forschungsstarke" Universitäten die Gründung der sogenannten German U15 bekanntgegeben. Der Verbund soll sich dem Ziel verschreiben, "die Bedingungen für Wissenschaft, Forschung und Lehre zu verbessern". Wie klingt das in Ihren Ohren?
Michael Hartmann: Hier organisiert sich eine kleine Gruppe von besonders durchsetzungsfähigen Universitäten, um bei der Verteilung der knappen Hochschulmittel möglichst viel für sich herauszuholen. Man will einfach einen größeren Teil vom Kuchen abbekommen.
Welche Vorbilder aus dem Ausland gibt es dafür?
Solche Verbünde gibt es zum Beispiel in Kanada und den Niederlanden. Der sicherlich effektivste seiner Art ist aber die Russell-Group in Großbritannien, die die 24 führenden und forschungsstärksten Unis des Königreichs vereint. Ähnlich einflussreich sind in Frankreich die Grandes écoles. Alle diese Vereinigungen verfolgen im Kern immer das Ziel, innerhalb der jeweiligen Hochschullandschaft einen möglichst großen Anteil der zu verteilenden Mittel für sich herauszuschlagen. Dafür wird an den maßgeblichen politischen Stellen, bei der Zentralregierung, oder wie bei uns auch den Bundesländern, die nötige Lobbyarbeit gemacht.
Welche Hochschulen finden in solchen Verbünden zusammen?
Das sind in der Regel immer diejenigen Unis, die bereits besser aufgestellt sind als der große Rest. Das betrifft ihre Größe, ihre Reputation und eben auch ihre überproportional verfügbaren Finanzmittel aus staatlichen und privatwirtschaftlichen Quellen. Das sind also Akteure, die aus einer Position der Stärke heraus auf weitere Privilegien hinwirken. So kommt es, dass die Russell-Group, die schon rund 80 Prozent der Forschungsgelder auf sich vereint, auf 90 Prozent pocht und dafür an den entsprechenden Stellschrauben im politischen Betrieb dreht.
Unser Interviewpartner, Michael Hartmann, ist Professor für Soziologie an der TU Darmstadt. Er forscht über Eliten, Globalisierung und nationale Wirtschaftskulturen und über Hochschulsystem im internationalen Vergleich.
Verhält es sich so auch im deutschen Club der U15?
Zunächst einmal ist die Voraussetzung die Existenz einer medizinischen Fakultät, was die meisten jungen Universitäten ausschließt. Nicht vertreten sind auch die technischen Unis, weil die schon länger ihren eigenen Verbund TU9 haben. Von den 15 Unis sind 13 Gewinner der Exzellenzinitiative, nur die Unis Würzburg und Leipzig haben bei der Verteilung der bei dem Wettbewerb ausgeschütteten Forschungsmittel wenig oder nichts abbekommen. Für beide dürfte das Mitmischen bei der U15 die letzte Chance sein, nicht auf Dauer abgehängt zu werden.
Wird es jetzt ein Hauen und Stechen zwischen TU9 und U15 geben? Oder warum gibt es keine Doppelmitgliedschaften in beiden Clubs?
Die TU9 ist ein lange etablierter Zirkel von Unis mit großer Einflussmacht und Tradition. Die U15 versammelt in erster Linie jene von den übrigen Unis, die in den Verteilungskämpfen der vergangenen Jahre an Stärke gewonnen haben und diese behaupten wollen. Gleichwohl gehe ich davon aus, dass beide Verbünde in vielen Fragen kooperieren und nur in Ausnahmefällen gegeneinander arbeiten werden. So wie sich die TU9 gegen den Rest der technischen Unis abgrenzt, wird sich die U15 gegen die anderen Universitäten in Stellung bringen. Mit TU9 und U15 werden die Kräfte gegen den großen Rest weiter gebündelt.
Die Exzellenzinitiative soll 2017 auslaufen. Wird mit der U15 für die Zeit danach vorgebaut?
Das größte Problem der Gewinner der Exzellenzinitiative ist in Tat die Ungewissheit, was danach passiert. Ich sehe drei Varianten: Die Förderung wird für die neuen Gewinner um fünf Jahre verlängert und läuft für die anderen 2017 aus, das Bundesprogramm endet für alle 2017 und die Privilegien müssen irgendwie auf Länderebene gewahrt werden, oder es wird Bundesuniversitäten geben, wie dies ja auch schon die Bundesbildungsministerin angeregt hat. Egal, welches Szenario greift: Die Konkurrenz wird sich verschärfen und die Universitäten, die viel gewonnen haben, haben auch viel zu verlieren. Und genau deshalb tritt jetzt eine Lobbyorganisation wie die U15 auf den Plan.
Das Kooperationsverbot zischen Bund und Ländern in Bildungsfragen soll für den Hochschulbereich aufgeweicht werden, Ministerin Annette Schavan (CDU) will künftig auch Hochschuleinrichtungen dauerhaft mit Bundesmitteln fördern. Bedeutet mehr Geld nicht eine Entspannung im Verteilungskampf?
Im Gegenteil. Im Grunde will Schavan nur eine Verlängerung der Exzellenzinitiative mit anderen Mitteln. Der vermeintliche Wettbewerb um Bundesgelder wird praktisch zum Dauerzustand, und die Breite der Hochschullandschaft wird davon nicht profitieren. Nur hat Frau Schavan das Problem, dass sich die SPD im Bundesrat gegen die Pläne stellt, weil sie auch für den Schulbereich mehr Bundeskompetenzen einfordert. Auf alle Fälle wird es über kurz oder lang eine Neuordnung der Hochschulfinanzierung geben. Und der Präsident der Humboldt-Uni Berlin hat ja am Freitag unmissverständlich klar gemacht, dass dabei "die besonders leistungsfähigen Hochschulen hervorgehoben werden müssen".
Laut H15 wird es für die Unis "gefährlich", weil immer mehr Studierende die Hochschulen bevölkern. Sollten wir über die Entwicklung nicht eigentlich glücklich sein?
Natürlich sollten wir das, schließlich kommt Deutschland bei der Studienanfängerquote allmählich in den Bereich des international üblichen. Das bringt aber nun einmal bei gleichbleibenden oder sogar sinkenden Finanzmitteln der Bundesländer große Probleme mit sich. Die in der U15 vertretenen Unis wollen sich diesem Ansturm ein Stück weit entziehen, indem sie irgendwelche Barrieren hochziehen und über die Gefährdung der Qualität von Lehre und Forschung lamentieren. Ihre Antwort auf das Mehr an Studierenden ist aber nicht mehr Qualität für alle, sondern mehr Geld für die Spitze – eben noch mehr Elite. Am Ende könnte die Entwicklung dahin gehen, dass es forschungsstarke Unis gibt, die weniger in die Lehre investieren müssen, und auf der anderen Seite reine Ausbildungshochschulen ohne Forschung. Ob und wann das durchzusetzen ist, wird die Zukunft zeigen müssen. Frau Schavan jedenfalls hat schon mal sehr deutlich gemacht, dass sie die U15-Gründung freut.
Werden sich mit der U15 vielleicht auch die Kräfteverhältnisse der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) verschieben?
Ich glaube vielmehr, die Gründung ist bereits Ausdruck der Kräftekonstellation, die im Frühjahr zur Wahl von Horst Hippler zum neuen HRK-Präsident geführt hat. Einer seiner Herausforderer war damals Lothar Zechlin, der sich für eine verstärkt horizontale Mittelverteilung nach unterschiedlichen Kriterien wie Forschungsstärke, regionale Verankerung und Förderung von Bildungsfernen stark gemacht hat – also für das Gegenmodell zur Exzellenzinitiative. Das Rennen machte allerdings Hippler mit den Stimmen der großen forschungsstarken Universitäten und gegen den Willen der Fachhochschulen sowie der Verlierer bei der Exzellenzinitiative. Nach meiner Einschätzung hat es dabei schon eine Absprache zwischen der TU9 und den meisten jetzt bei der U15 beteiligten Universitäten gegeben. Hippler ist einer der energischsten Vertreter der Exzellenzinitiative und aller Initiativen der zurückliegenden Jahre, mit welchen die Hierarchisierung der Hochschullandschaft in Deutschland forciert wurde. Und natürlich ist er auch Anhänger von Studiengebühren.
(rw)