Elite contra LehreKritik an Exzellenzinitiative
Die Schlappe ihrer Uni nahm der Unabhängige Studierendenausschuss (u-AStA) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit einer Mischung aus Schadenfreude und Trotz auf. "S`isch alles bloß a zeitlang schee", überschrieben die Studierendenvertreter eine Pressemitteilung und bemängelten Grundsätzliches: Wirklich profitiert hätten von den millionenschweren Fördermitteln nur "kleine Eliteprojekte", allen voran das "Exzellenzflaggschiff FRIAS". Der breiten Masse der Hochschüler sei dies nicht zu Gute gekommen, beklagte u-AStA-Vorstand Till Oswald und stellte fest: "Die Exzellenz kommt im Alltag der Studierenden nicht an."
FRIAS – das Freiburg Institute for Advanced Studies – ist laut Eigendarstellung das "Herzstück" des Zukunftskonzeptes "Windows für Research", mit dem die Freiburger Uni bei der ersten Förderunde der Exzellenzinitiative das Prädikat Eliteuniversität einheimste. Fortan wurde das Forschungskolleg, mit reichlich Geld aus dem Bund-Länder-Programm gepäppelt, zum Renommierprojekt und ganzen Stolz der Hochschulleitung. Und das soll auch so bleiben. Das Rektorat hat noch am Tag der Aberkennung des Exzellenztitels angekündigt, das FRIAS fortführen zu wollen, "auch wenn die Mittel nun nicht so reichhaltig fließen werden".
Exzellenz schafft Ungleichheit
Die Gewinner der Exzellenzinitiative 2012
Als "Eliteuni" werden sich bis 2017 folgende Hochschulen bezeichnen können (von Norden nach Süden):
Uni Bremen (neu 2012)
FU Berlin
HU Berlin (neu 2012)
TU Dresden (neu 2012)
Uni Köln (neu 2012)
RWTH Aachen
Uni Heidelberg
Uni Tübingen (neu 2012)
LMU München
TU München
Voraussetzung für die Auszeichnung des Zukunftskonzepts war, dass auch mind. eine Graduiertenschule und ein Exzellenzcluster der jeweiligen Uni für eine Förderung ausgewählt wurde. Auch wenn das Zukunftskonzept die prestigeträchtigste Komponente ist, wurden im Rahmen der Exzellenzinitiative insgesamt 39 Universitäten mit Geldern ausgestattet. Die meiste Förderung geht an die LMU München, an der vier Exzellenzcluster und vier Graduiertenschulen (eine davon zusammen mit einer weiteren Uni) ausgezeichnet wurden.
Die Studierendenvertretung sieht das mit Sorge und warnte davor, den "kleinen Fächern" die Mittel zusammenzustreichen. "Wir werden es nicht hinnehmen, dass die Studierenden den? Preis dafür zahlen, dass die Uni Freiburg ihre Exzellenzbewerbung gegen die Wand gefahren hat." Was es statt dessen brauche sei "eine andere Art der Hochschulfinanzierung", forderte u-AStA-Mitglied Lennart Lein. "Es kann nicht sein, dass die öffentliche Finanzierung dem Andrang auf die Hochschulen in keinster Weise gerecht wird – und das seit Jahrzehnten", monierte er und bekräftigte: "Strukturelle Finanzierungsprobleme lassen sich nicht mit Prestigeprojekten beheben." Ähnlich sieht es auch der UStA des KIT, der anderen baden-württembergischen Ex-Elite-Uni, in einer Pressemitteilung: "Das grundlegende Problem der deutschen Hochschulen ist nicht deren Forschungsleistung, sondern ihre chronische Unterfinanzierung. Diese kann nicht durch die Exzellenzinitiative, sondern nur durch eine ausreichende Grundfinanzierung aller Hochschulen gelöst werden."
Mit ihrer Kritik stehen die Studierenden nicht allein. Ihren Gegnern gilt die Exzellenzinitiative als Teil eines politischen Masterplans, die knappen staatlichen Mittel für die Hochschulen in der Spitze zu konzentrieren und in der Breite auszudünnen. Im Rahmen der ersten, Ende 2006 gestarteten Programmphase hat die Politik dafür insgesamt 1,9 Milliarden Euro springen lassen, 75 Prozent kamen vom Bund, 25 Prozent von den Bundesländern. Das größte Stück vom Kuchen bekamen die neun in zwei Auswahlrunden für ihr "Zukunftskonzept" mit dem Siegel Eliteuniversität geadelten Hochschulen ab. In den Olymp wird nur aufgenommen, wer auch in den zwei anderen Förderlinien den Zuschlag für mindestens ein Projekt erhält. Dabei geht es einerseits um Promotionsprogramme, sogenannte Graduiertenschulen, sowie zweitens um fachübergreifende Forschungsverbunde verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, sogenannte Exzellenzcluster.
Nichts für den großen Rest
Im Zuge der zweiten, Ende 2017 auslaufenden Phase sollen sogar 2,7 Milliarden Euro ausgeschüttet werden. Wie der Bewilligungsausschuss aus Wissenschaft und Politik am vergangenen Freitag verkündete, kommen diesmal 45 Graduiertenschulen und 43 Exzellenzcluster in den Genuss von Fördermillionen. Die elf wegen ihres Zukunftskonzepts zu Eliteunis gekürten Hochschulen sind: Die Freie Uni und die Humboldt-Uni Berlin, die Unis Bremen, Dresden, Köln, Konstanz, Heidelberg, Tübingen, die Technische Uni und die Ludwig-Maximilians-Uni München sowie die RWTH Aachen. Insgesamt wurden 39 Universitäten aus 13 Bundesländern ausgezeichnet.
Die restlichen über 60 Universitäten in Deutschland sind dagegen leer ausgegangen. Dazu kommen weitere knapp 300 Fach- Kunst- und Verwaltungshochschulen, die in die Röhre gucken. Sie alle hatten schlicht keine Chance, zum Zug zu kommen. Sie durften bei der Exzellenzinitiative gar nicht erst mitmachen. "Die Verlierer des Wettbewerbs sind nicht nur die unterlegenen Konkurrenten, sondern auch kleine Universitäten, Fachhochschulen und der große Bereich von Studium und Lehre", erklärte die forschungspolitische Sprecherin der Bundstagfraktion Die Linke, Petra Sitte anlässlich der Ergebnisse. Der jahrelange Dauerwettbewerb habe die "unterfinanzierten Universitäten an den Rand der Erschöpfung gebracht". Der "Gründungsmythos der Exzellenzinitiative" sei angesichts der "allgemeinen Unterfinanzierung" und "vieler Zweifel in der wissenschaftlichen Community an der Effizienz der Förderung widerlegt".
Starke stechen Schwache aus
The Winner Takes It All?
Selbst bei der zum ersten Mal siegreichen Universität zu Köln wird gemurrt. Schon in der Bewerbungsphase sei zu erkennen gewesen, "dass das auf Kosten der Lehre geht", äußerte sich der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) in einem Pressestatement. "Weitere Kürzungen zu Gunsten der Exzellenzinitiative" wären nicht zu verkraften gewesen, "daher freuen wir uns, dass der Wettbewerb endlich vorbei ist" und sich das Lehrpersonal wieder der Forschung und Lehre widmen könne. "Bildung kann die gesellschaftliche Entwicklung nur dann voranbringen, wenn sie in der Breite und bedarfsgerecht gefördert wird", befand der AStA-Vorsitzende Phillip Schubert. "Eine Förderung der Besten zu Lasten der Schwachen ist hingegen vollkommen absurd."
Kritiker beanstanden zudem, dass vor allem solche Hochschulen beim Wettstreit um Geld und Prestige obsiegen, die ohnehin schon auf Rosen gebettet sind. So befanden sich unter den neun Eliteunis der ersten Programmphase allein sechs aus den beiden reichen Südländern Baden-Württemberg und Bayern. Mit der Uni Freiburg und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sind nun zwar zwei von der Bestenliste verschwunden. Gleichwohl glänzten beide mit insgesamt fünf prämierten Graduiertenschulen bzw. Exzellenzclustern. Dazu tummelt sich an ihrer Stelle mit der Uni Tübingen eine weitere Uni aus dem Ländle in der Eliteklasse.
Ruhm verspricht mehr Ruhm
Auffallend ist ferner die hohe Zahl erfolgreicher Fortsetzungsanträge im Bereich der Graduiertenschulen und Exzellenzcluster. Wer in Runde eins schon abgesahnt hatte, dessen Chancen standen bestens, auch in der zweiten Phase zu triumphieren. Mit dem Mehr an Renommee und Ressourcen lassen sich darüber hinaus in aller Regel auch mehr Drittmittel aus der freien Wirtschaft und von Stiftungen einwerben. Die Vorgänge haben etwas von Fußballbundesliga: Geld und Ruhm generieren nur mehr Geld und Ruhm. Und die kleinen und finanzschwachen Vereine werden immer weiter abgehängt. Dass nun erstmals eine Ostuni – die TU Dresden – in den Kreis der Elite aufgenommen wurde, taugt dabei nicht unbedingt zum Gegenbeweis. Nicht wenige Beobachter halten die Entscheidung für ein politisches Zugeständnis, um die Kluft bei Wissenschaft und Forschung zwischen Ost und West nicht noch weiter aufzureißen.
Überhaupt: Exzellenzinitiative heißt einzig und allein "Forschungsinitiative". Für eine Aufwertung der vielerorts kriselnden Lehre sind die Fördermilliarden nicht vorgesehen. Kommt es dennoch einmal zu entsprechenden Verbesserungen, dann sind das allenfalls positive Begleiterscheinungen. Aber die bleiben offenbar die Ausnahme. Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) – Ableger der Bertelsmann-Stiftung und die hierzulande mächtigste Denkfabrik zur Durchsetzung neoliberaler Hochschulreformen – hat den Zusammenhang zwischen Spitzenforschung und Lehrsituation unter die Lupe genommen.
Bessere Lehre Fehlanzeige
Im Rahmen einer Studie wurde dabei für zwölf Fächer ein Vergleich der Studienzufriedenheiten an Fachbereichen von Exzellenzunis mit allen anderen Fachbereichen vorgenommen. Nach den Befunden lassen sich weder "eindeutig negative" noch "eindeutig positive Wirkungen" ermitteln. Fazit: "Es gibt demnach weder einen Automatismus, mit dem Exzellenz in der Forschung auf Exzellenz in der Lehre abstrahlt, noch eine generelle Tendenz, dass Wissenschaftler(innen) von Exzellenzuniversitäten die Lehre vernachlässigen."
Das kann man bewerten, wie man will. Das CHE für seinen Teil möchte die Erkenntnisse eher als Art Ehrenrettung für die Exzelleninitiative verstanden wissen und versteigt sich zu einer ziemlich verschwiemelten Phrase: "Erneut bestätigt sich, dass der Schluss von Forschungsexzellenz auf eine Exzellenz einer Universität insgesamt zu kurz greift; herausragende Leistung ist ein mehrdimensionales Phänomen, das in unterschiedlichen Bereichen verschieden stark ausgeprägt sein kann und worin verschiedene Hochschulen herausragend sein können." Man könnte das auch damit übersetzen, dass das Programm eine gravierende Schwachstelle hat, die da lautet: Das Gros der Studierenden hat von dem ganzen elitären Gehabe rein gar nichts. Die Lehre bleibt so schlecht wie eh und je – ob mit oder ohne Forschungsmillionen.
Exzellenz macht prekär
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erachtet die miese Lehrsituation sogar als direkte Folge der Exzellenzinitiative. Bund und Länder hätten damit zu einer "dramatischen Ausweitung befristeter Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen gesorgt". Seien 2005 auf einen wissenschaftlichen Angestellten mit Dauervertrag noch vier Kollegen mit Zeitvertrag gekommen, "waren es 2010 bereits acht", kritisierte GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller per Presseerklärung. Der Hochschulexperte schlug vor, die Exzellenzinitiative ab 2017 in einen "Pakt für gute Arbeit in der Wissenschaft" zu überführen. "Es ist absurd, alle fünf Jahre mit Milliardenbeträgen neue Forschungsstrukturen aus dem Boden zu stampfen und Wissenschaftler einzustellen, um sie danach wieder auf die Straße zu setzen. "Qualitativ hochwertige Forschung und Lehre setzen im Gegenteil nachhaltige Strukturen und stabile Beschäftigung voraus", mahnte Keller.
Schluss mit der Elite
Wie es mit dem Bund-Länder-Programm nach 2017 weiter geht, steht derweil noch in den Sternen. "Weiter Millionen in die Produktion eines Zwei-Klassen-Systems zu pumpen (...) ist unverantwortlich", beklagten die SPD-nahen Juso-Hochschulgruppen in einer Stellungnahme. "Ein künstlicher Wettbewerb um Status und Mittel garantiert eben nicht exzellente Forschung und schon gar nicht gute Lehre." Der Studierendenverband mit Nachdruck: "Drei Runden sind genug!" Nur hört die SPD nicht unbedingt auf die Ihnen nahestehenden Hochschulgruppen. (rw)
Hintergründe und Berichte zum Thema Exzellenzinitiative
- Exzellenz und Filz an der Berliner Humboldt-Universität (23.04.2012)
- Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Differenzierung der Hochschulen (02.05.2011)
- Von »Leuchttürmen«, »Hochbegabten« – und der »Masse« (15.11.2009)
- Eliteunis, Teil 2 (Bericht zur zweiten Runde der Exzellenzinitiative (19.10.2007)
- Sinn und Unsinn Eliteuni (Bericht zur ersten Runde der Exzellenzinitiative, 14.20.2006)