Wahlprüfsteine: HochschulpolitikAntworten der SPD NRW
Seit kurzem sind die allgemeinen Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen abgeschafft. Wollen Sie weiterhin am gebührenfreien Studium festhalten? Wie stehen Sie zu den sich ausbreitendem PPP-/Franchising-Modell, bei dem private Einrichtungen [siehe bspw. hier Studierende gegen (oft recht hohe) Studiengebühren meist berufsbegleitend unterrichten und am Ende staatliche Hochschulen den anerkannten Bachelor- oder Master-Titel vergeben. Wäre es da nicht besser, wie in Bayern für berufsbegleitende Studiengänge Studiengebühren an den staatlichen Hochschulen zuzulassen? Oder konsequenterweise solche Modelle zu verbieten, wenn man Studiengebühren wirklich allgemein ausschließen möchte?
Bildung darf außerdem nicht weiter privatisiert werden. Wir wollen allen Jugendlichen eine Ausbildung und/ oder ein Studium ermöglichen, und zwar in öffentlicher Verantwortung. Wenn sich darüber hinaus Privat(hoch)schulen engagieren und in Übereinstimmung mit den Gesetzen sowie Zertifizierungen ein Bildungsangebot organisieren, kann das diese staatliche Aufgabe nicht ersetzen. .
Gibt es Vorhaben zur Weiterentwicklung der bestehenden rechtlichen Grundlagen zum BAföG und des Unterhaltsrechtes? Sollte Ihrer Meinung nach das BAföG und Unterhaltsrecht in Richtung einer vom Eikommen der Eltern unabhängigen Förderung geändert werden? Haben Sie weitere / andere Pläne im Bereich der Studienfinanzierung?
Immer mehr Menschen entscheiden sich für einen weiteren Bildungsweg und nehmen das BAföG in Anspruch. Das ist eine gute Nachricht. Es zeigt, dass die durch die SPD in der Großen Koalition durchgesetzte 22. BAföG-Novelle Früchte trägt und mehr Menschen Schule und Studium ermöglicht. Auch wenn das BAföG Bundesrecht ist, werden wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten für die notwendige Weiterentwicklung einsetzen. Studien zeigen, dass die Angst vor Verschuldung groß ist und häufig dazu führt, dass das Studium abgebrochen oder ganz darauf verzichtet wird. Die Menschen brauchen darum weitere Verbesserungen des BAföG. Wir wollen eine kontinuierliche Anpassung der Fördersätze an die Preisentwicklung. Vor allem aber wollen wir mehr Menschen die Chance auf die BAföG-Förderung geben und die Freibeträge deutlich um zehn Prozent erhöhen, damit das "Mittelstandsloch" geschlossen wird. Darüber hinaus sind weitere strukturelle Fortentwicklungen nötig, etwa mit Blick auf die Altersgrenzen, auf Teilzeitstudiengänge und auch auf eine elternunabhängige Förderung. Wir erwarten in diesem Zusammenhang von der insoweit zuständigen Bundesregierung, dass sie nun den Ländern einen Vorschlag für eine große BAföG-Novelle macht.
Wie ist Ihre allgemeine Einstellung gegenüber leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Wir stehen als NRWSPD hinter der Grundsatzentscheidung zum BAföG. Unabhängig von den eigenen finanziellen Möglichkeiten und dem sozialen Status muss BAföG ein Studium ermöglichen. Leistungsabhängige Stipendien verorten wir im Wesentlichen im Bereich der Stiftungen.
Welche Pläne verfolgen Sie, um mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Wir wollen kein Kind zurücklassen. Daher gilt für uns: Bildung muss gebührenfrei sein, von der Kita bis zum Studium. In der letzten Legislaturperiode haben wir die Studiengebühren abgeschafft, weil wir wissen, dass Studiengebühren insbesondere Studierfähige aus sozial benachteiligten Schichten vom Studium abhalten. Darüber hinaus wollen wir auch ein Schulsystem, das die Kinder möglichst individuell fördert, denn der Bildungserfolg hängt nach wie vor zu stark von der sozialen und kulturellen Herkunft ab. Durch längeres gemeinsames Lernen, individuelle Förderung und ein möglichst offenes Schulsystem wollen wir "beste Bildung für alle" erreichen und den Anteil derjenigen erhöhen, die eine Hochschulzugangsberechtigung erlangen. Die Grundlage, dies umzusetzen, ist nun mit dem Schulfrieden und der dort verankerten Sekundarschule wie auch mit den weiteren unterstützenden Maßnahmen wie Ganztagsausbau oder schrittweise Absenkung der Klassenfrequenzen in allen Schulformen gelegt.
Die Zahl der Master-Studienplätze ist Gegenstand vieler Debatten, insbesondere da es offenbar immer wieder zu gewissen Engpässen kommt. Welche Übergangsquote zwischen Bachelor und Master sehen Sie insgesamt als sinnvoll an? Wie stehen Sie zur Umsetzung des Konzeptes der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Nach der Umstellung auf Bachelor/ Master befinden wir uns in einer ersten Evaluierungsphase. Noch sind die Daten nicht valide. Es zeichnet sich aber ab, dass es an Masterplätzen mangelt. Dabei ist die Situation von Fachbereich zu Fachbereich sowie von Bundesland zu Bundesland verschieden. In einigen Fächern wird der Bachelor als berufsqualifizierendes Studium akzeptiert und hat sich etabliert. In anderen Bereichen ist genau hier Nachholbedarf festzustellen. Wer darüber hinaus ein Masterstudium aufnehmen möchte, soll auch die Gelegenheit bekommen. Dort zeichnet sich ein "Engpass" ab, der nur durch den Aufbau weiterer Masterstudienplätze zu beheben ist. Deshalb haben wir den Ausbau des Hochschulpaktes II auf der Grundlage der neuen realistischen Studierendenzahlen sowie die damit verbundene Aufhebung des finanziellen "Deckels" durch den Bund in der HP II-Finanzierung gefordert. Die Reformbemühungen der letzten Jahre, möglichst viele Jugendliche im Laufe ihrer Berufsausbildung auch für eine Hochschulausbildung zu motivieren, zeigt Ergebnisse, deshalb werden wir nicht nachlassen, dafür auch das notwendige Studienplatzangebot zur Verfügung zu stellen. Wir sind in NRW dabei gut aufgestellt. In keinem anderen Bundesland gibt es so viele Studienplätze wie in NRW. Mit der Fern Uni Hagen hat auch eines der innovativsten Studienmodelle seinen Sitz in NRW.
Welchen allgemeinen Handlungsbedarf sehen in Hinblick auf den Ausbau der Hochschulinfrastrukturen, aber auch der "sozialen Infrastruktur" (Wohnheime, BAföG-Ämter, Mensen etc.) insbesondere angesichts der durch den doppelten Abiturjahrgang 2013 in NRW zu erwartenden steigenden Studierendenzahlen in den nächsten Jahren?
Junge Menschen sollen in NRW erfolgreich studieren können. Wir wollen und dürfen kein Talent verlieren. Deshalb sorgen wir dafür, dass auch die Studierwilligen des doppelten Abiturjahrgangs 2013 gleiche Chancen auf ein gutes Studium erhalten und unsere Hochschulen hierauf gut vorbereitet werden. Wir schaffen zusätzliche Kapazitäten an unseren Hochschulen. So wie das Land, so muss auch der Bund zu seinen finanziellen Verpflichtungen im Rahmen des Hochschulpaktes für zusätzliche erforderliche Studienplätze stehen. Mit uns bleibt das Studium gebührenfrei. Wir brauchen forschungsstarke Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Mit regionalen Innovationsnetzwerken legen wir die Grundlage für eine enge Vernetzung unterschiedlicher Forschungseinrichtungen und ermöglichen, wissenschaftliche Kompetenz vor Ort im Land aufzubauen. Wir machen die Hochschulen fit für die Zukunft. Dazu werden wir das Hochschulgesetz weiterentwickeln, die Studentenwerke zusätzlich unterstützen und die Bafög-Leistungen den Studierendenzahlen anpassen. Unser Ziel sind leistungsfähige, verantwortliche Hochschulen in der Mitte der Gesellschaft, offen für die Vielfalt der Studierenden, in denen demokratische Mitbestimmung täglich gelebt wird.
In den letzten Monaten gab vor allem immer wieder das Thema "Hochschulfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen" Anlass zu Auseinandersetzungen. Ein großer Kritikpunkt an diesem Gesetz scheint die Tatsache zu sein, dass die Hochschulen von einem mit überwiegend externen besetzten, nicht pluralistisch zusammengesetzten Hochschulrat mit weitgehenden Kompetenzen gesteuert würden. In letzter Konsequenz sei das vor allem ein Widerspruch zur Wissenschaftsfreiheit. In Baden-Württemberg wurde das Konzept der "unternehmerischen Hochschule" bereits im Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung überdacht. Welche Haltung nehmen Sie zu diesem Konzept ein? Bzw. was ist Ihre Alternative?
Wir haben uns die Novellierung des Hochschulgesetzes für die kommende Legislaturperiode vorgenommen. Wir wollen dabei auch die Struktur und die Zusammensetzung des Hochschulrates überdenken, insbesondere was eine mögliche Zusammensetzung als "Abbild der Gesellschaft" gewährleisten könnte. Darüber hinaus werden wir weitere Gesichtspunkte des Hochschulgesetzes ändern, auf der Grundlage der Erfahrungen und der Evaluierung des bestehenden Hochschulgesetzes.
Was für eine Rolle soll Demokratie an der Hochschule nach Auffassung Ihrer Partei spielen? Haben Sie Konzepte für eine stärkere Demokratisierung der Hochschulen und wenn ja, welche? Wie soll insbesondere die Partizipation der Studierenden aussehen?
Wir halten eine stärkere Demokratisierung der Hochschulen für sehr sinnvoll. Im Zuge der Novellierung werden wir daher auch die Viertelparität in den Hochschulgremien sowie eine Veränderung in der Aufgabenstruktur innerhalb der Hochschulgremien anzugehen haben. Damit stärken wir die demokratisch gewählten Strukturen, indem alle Gruppen eingebunden sind. Wir haben in einem offenen Dialogverfahren in den vergangenen Monaten über das bestehende Hochschulgesetz diskutiert. "Betroffene zu Beteiligten machen" - das drückt auch unsere Haltung zur Frage demokratischer Elemente in der Meinungsbildung aus.