HochschulpolitikRückmeldegebühren in Berlin vielleicht doch nicht verfassungskonform?
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin bereits im Dezember 2003 entschieden (Az. BVerwG 6 C 13.03), die Urteilsbegründung ist uns aber erst vor kurzem bekannnt geworden.
Zur Vorgeschichte: Das OVG Berlin hatte bereits 1998 festgestellt, dass die 100 DM Rückmeldegebühr irgendwie durchaus akzeptabel seien, auch wenn sie nicht genau nachgerechnet haben, was denn die Verwaltung und Bearbeitung der Immatrikulationsdaten so übers Jahr kostet. Dieses Vorgehen hat das BVG als nachlässig gerügt, damit liegt die Sache jetzt wieder vor dem OVG Berlin. Hier drängt sich ein Vergleich mit der Entscheidung gegen das Land Baden-Württemberg auf, bei der die dort erhobenen Rückmeldegebühren schließlich als verfassungswidrig beschieden wurden.
Inzwischen sind die Länder geschickter und nennen vergleichbare Gebühren "Verwaltungskostenbeiträge" oder ähnlich. "Rückmeldegebühren" (in Verbindung mit einem Gesetz, dass ebenfalls vor allem von der Rückmeldung/Immatrikulation redet) dagegen dürften nur die Höhe haben, die der Akt der Rückmeldung selbst kostet. Und das sind keinesfalls 50 Euro. Berlin hat jedoch noch die "ungeschickte" Formulierung in seinem Gebührengesetz stehen ... Also kann es noch böse für das Land kommen.
Allgemeine Studiengebühren vielleicht juristisch angreifbar In der ursprünglichen Klage gegen die Rückmeldegebühren wurde auch darauf verwiesen, dass es sich um Gebühren für das Studium und damit etwas, das gegen den "Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" verstoße.
Im genannten Pakt findet sich u.a. folgender Passus (Artikel 13):
(2) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts
(...)
c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss;
(...)
Das BVG führt in seiner Entscheidung aus, dass die Verwaltungsgebühren keine Gebühren, die für das Studium, also die Lehre, erhoben werden, daher auch keine durch den Internationalen Pakt untersagte Studiengebühr sind.
Das BVG führt in seiner Begründung trotzdem aus: "Der völkerrechtliche Charakter des Pakts schließt allerdings nicht aus, dass eine natürliche Person aus diesem Vertrag unmittelbare Rechte ableiten kann. Die Transformation eines völkerrechtlichen Vertrages durch ein Zustimmungsgesetz führt zur unmittelbaren Anwendung einer Vertragsnorm, wenn diese nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, also dafür keiner weiteren normativen Ausfüllung bedarf (Urteil vom 28. Mai 1991 - BVerwG 1 C 20.89 - Buchholz 402.24 § 7 AuslG Nr. 43 S. 75)."
Bislang wurde gerne behauptet, dass eine einzelne natürliche Person schließlich nicht in der Lage sei, solche Verträge zu schließen oder aus ihnen Rechte abzuleiten, dass sei alles nur auf zwischenstaatlicher Ebene - und damit ein Papiertiger. Mit der genannten Formulierung hat Bundesverwaltungsgericht verdeutlicht, dass es durchaus möglich und zulässig ist, aus diesem Internationalen Pakt individuelle Rechte abzuleiten. Das Recht auf Studiengebührenfreiheit wäre so etwas ...
Da es im gegebenen Verfahren aber nicht um Gebühren für den Hochschulunterricht ging, äußert das BVG abschließend zu diesem Aspekt: "Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob nicht ohnehin Art. 4 des Paktes eine einschränkende gesetzliche Regelung zuließe." Es bleibt also noch offen, inwieweit das gegen allgemeine Studiengebühren nutzbar wäre.
Artikel 4 lautet übrigens: "Die Vertragsstaaten erkennen an, dass ein Staat die Ausübung der von ihm gemäß diesem Pakt gewährleisteten Rechte nur solchen Einschränkungen unterwerfen darf, die gesetzlich vorgesehen und mit der Natur dieser Rechte vereinbar sind und deren ausschließlicher Zweck es ist, das allgemeine Wohl in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern."
Zur Vorgeschichte: Das OVG Berlin hatte bereits 1998 festgestellt, dass die 100 DM Rückmeldegebühr irgendwie durchaus akzeptabel seien, auch wenn sie nicht genau nachgerechnet haben, was denn die Verwaltung und Bearbeitung der Immatrikulationsdaten so übers Jahr kostet. Dieses Vorgehen hat das BVG als nachlässig gerügt, damit liegt die Sache jetzt wieder vor dem OVG Berlin. Hier drängt sich ein Vergleich mit der Entscheidung gegen das Land Baden-Württemberg auf, bei der die dort erhobenen Rückmeldegebühren schließlich als verfassungswidrig beschieden wurden.
Inzwischen sind die Länder geschickter und nennen vergleichbare Gebühren "Verwaltungskostenbeiträge" oder ähnlich. "Rückmeldegebühren" (in Verbindung mit einem Gesetz, dass ebenfalls vor allem von der Rückmeldung/Immatrikulation redet) dagegen dürften nur die Höhe haben, die der Akt der Rückmeldung selbst kostet. Und das sind keinesfalls 50 Euro. Berlin hat jedoch noch die "ungeschickte" Formulierung in seinem Gebührengesetz stehen ... Also kann es noch böse für das Land kommen.
Allgemeine Studiengebühren vielleicht juristisch angreifbar In der ursprünglichen Klage gegen die Rückmeldegebühren wurde auch darauf verwiesen, dass es sich um Gebühren für das Studium und damit etwas, das gegen den "Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" verstoße.
Im genannten Pakt findet sich u.a. folgender Passus (Artikel 13):
(2) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts
(...)
c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss;
(...)
Das BVG führt in seiner Entscheidung aus, dass die Verwaltungsgebühren keine Gebühren, die für das Studium, also die Lehre, erhoben werden, daher auch keine durch den Internationalen Pakt untersagte Studiengebühr sind.
Das BVG führt in seiner Begründung trotzdem aus: "Der völkerrechtliche Charakter des Pakts schließt allerdings nicht aus, dass eine natürliche Person aus diesem Vertrag unmittelbare Rechte ableiten kann. Die Transformation eines völkerrechtlichen Vertrages durch ein Zustimmungsgesetz führt zur unmittelbaren Anwendung einer Vertragsnorm, wenn diese nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, also dafür keiner weiteren normativen Ausfüllung bedarf (Urteil vom 28. Mai 1991 - BVerwG 1 C 20.89 - Buchholz 402.24 § 7 AuslG Nr. 43 S. 75)."
Bislang wurde gerne behauptet, dass eine einzelne natürliche Person schließlich nicht in der Lage sei, solche Verträge zu schließen oder aus ihnen Rechte abzuleiten, dass sei alles nur auf zwischenstaatlicher Ebene - und damit ein Papiertiger. Mit der genannten Formulierung hat Bundesverwaltungsgericht verdeutlicht, dass es durchaus möglich und zulässig ist, aus diesem Internationalen Pakt individuelle Rechte abzuleiten. Das Recht auf Studiengebührenfreiheit wäre so etwas ...
Da es im gegebenen Verfahren aber nicht um Gebühren für den Hochschulunterricht ging, äußert das BVG abschließend zu diesem Aspekt: "Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob nicht ohnehin Art. 4 des Paktes eine einschränkende gesetzliche Regelung zuließe." Es bleibt also noch offen, inwieweit das gegen allgemeine Studiengebühren nutzbar wäre.
Artikel 4 lautet übrigens: "Die Vertragsstaaten erkennen an, dass ein Staat die Ausübung der von ihm gemäß diesem Pakt gewährleisteten Rechte nur solchen Einschränkungen unterwerfen darf, die gesetzlich vorgesehen und mit der Natur dieser Rechte vereinbar sind und deren ausschließlicher Zweck es ist, das allgemeine Wohl in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern."
Hintergrund
- Rückmeldegebühren in Baden-Württemberg sind verfassungswidrig (19.03.2003)
- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (PDF, vom Webserver des Auswärtigen Amtes)
- Presseerklärung des BVG zur Entscheidung am 3.12.2003