Abschaffung oder Senkung?Neues zu Studiengebühren in Bayern
Fünf von sieben ursprünglichen Studiengebührenländern haben die Gebühren schon zurückgenommen oder die Umsetzung für bis spätestens Ende 2012 angekündigt. Fällt irgendwann auch Bayern?
Mit Niedersachsen wird Bayern bald das letzte Bundesland mit allgemeinen Studiengebühren sein. Und wer will schon zu den Letzten gehören – Ministerpräsident Seehofer jedenfalls nicht unbedingt. Schon im Sommer dieses Jahres hatte es den Anschein, als könne er sich unter Umständen auch die Abschaffung der Studiengebühren (formal Studienbeiträge genannt) vorstellen. Damals wurde diese Debatte aber schnell beendet und die Fachpolitiker seiner CSU, insbesondere aber des Koalitionspartners FDP betonten, dass die Studienbeiträge sinnvoll seien und erhalten bleiben. Das könnte nun anders werden.
Noch ein Volksbegehren gegen Studiengebühren
Gestern haben auch die Freien Wähler – seit der letzten Wahl immerhin die drittstärkste Kraft im Landtag – ebenfalls ein Volksbegehren gegen Studiengebühren gestartet. Damit gibt es aktuell schon drei Initiativen gegen Studiengebühren. Gestartet waren die PIRATEN mit einem eigenen Volksbegehren, das weitergehend ist, als das der Freien Wähler. Es folgte die SPD mit einer eher symbolischen Massenpetition (dazu mehr im Artikel Zwei Initiativen gestartet: Soll auch Bayern Studiengebühren abschaffen?).
Die Piraten wollen in ihrem Volksbegehren den relevanten § 71 des Hochschulgesetzes durch den einfachen Satz "Die Hochschulen erheben von den Studierenden keine Studienbeiträge oder Verwaltungsgebühren." ersetzen (siehe ihren Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens). Das würde nicht nur die Studienbeiträge von bis zu 500 € / Semester für alle normalen Studiengänge an staatlichen Hochschulen betreffen, sondern auch die erst jüngst eingeführten (echten) Studiengebühren für berufsbegleitende Studiengänge. Ebenfalls könnten auch weiterbildende Studiengänge nicht mehr mit Gebühren belegt werden. Die Freien Wähler dagegen wollen nur die Studienbeiträge für Bachelor oder konsekutive Master streichen, lassen Gebühren für weiterbildende und berufsbegleitende (aktuelle Gebührenhöhe siehe hier) Studiengänge ebenso weiter zu wie für Gaststudierende und einige weitere Fälle (siehe den Antrag der Freien Wähler).
Dass die Freien Wähler ein weiteres Volksbegehren starten und sich nicht dem der Piraten anschließen, begründen Sie einerseits damit, dass sie eben im Gegensatz zu den Piraten Gebühren für weiterbildende oder berufsbegleitende Studiengänge durchaus in Ordnung finden und zum anderen damit, dass sie den Ausschluss von Verwaltungsgebühren (die zur Zeit sowieso nicht erhoben werden, ihr Volksbegehren würde den Status Quo also nicht antasten) für kritisch halten. Denn diese seien im Gegensatz zu den aktuellen Studienbeiträgen durchaus direkt in den Staatshaushalt geflossen. Insofern könnte ein "Verbot" (auch wenn sie aktuell gar nicht erhoben werden) mit § 73 der Bayerischen Verfassung kollidieren, die Eingriffe in den Staatshaushalt durch Volksbegehren ausschließt.
Dass die Abschaffung der Studienbeiträge durch Volksbegehren nicht gegen die Regelungen zum Inhalt von Volksbegehren nach § 73 Bayerische Verfassung verstößt, begründen die Freien Wähler ähnlich wie die Piraten: "... die Studienbeiträge stehen den Hochschulen zusätzlich zur staatlichen Grundfinanzierung zur Verfügung und fließen nicht in den allgemeinen Staatshaushalt, sondern in das Körperschaftsvermögen der Hochschulen (Art. 71 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG). Deshalb handelt es sich nicht um ein Volksbegehren über den "Staatshaushalt" im Sinne des Art. 73 BV."
Wer das Volksbegehren der Piraten unterstützt hat, sollte auch das der Freien Wähler unterschreiben. Gerade, weil es nicht so weitgehend ist (und für den Fall, dass der Antrag der Piraten tatsächlich gegen die Verfassung verstoßen sollte – was diese zwar nicht glauben, aber letztlich noch nicht 100% sicher ist), sind die Chancen vielleicht besser, das wenigstens das der Freien Wähler durchkommt. Die Chance für das Begehren der Piraten verschlechtert man jedenfalls nicht, wenn man zusätzlich auch das der Freien Wähler unterstützt (und es ist auch nicht so, dass man nur eines unterschreiben dürfte).
Wird die Landesregierung nervös?
Ebenfalls gestern diskutierte auch die Landesregierung den Komplex Studienbeiträge. Wissenschaftsminister Heubisch (FDP) legte dabei offenbar neue Zahlen dazu vor, wie viel Geld die Hochschulen aus den eingenommenen Studienbeiträgen noch nicht ausgegeben haben. Zum Ende des Wintersemesters 2010/11 sollen demnach 61 Millionen Euro vorrätig gewesen sein – das sind 40% der Gesamteinnahmen von ungefähr 150 Millionen im Jahr.
Schließlich und endlich einigte sich das Kabinett darauf, die Hochschulen erneut darauf zu drängen, die Ausgaben schneller zu tätigen. Bis zum Ende des Sommersemesters 2012 sollen die Hochschulen noch Zeit haben, das habe der Minister auch schon mit den Hochschulen besprochen. Liest man den Kabinettsbeschluss, hört sich die in manchen Medien den Hochschulen angedrohte Senkung der Beiträge nicht so drastisch an. Denn die Formulierung "Legen die Hochschulen für den Abbau der Restmittel keine überzeugenden Konzepte vor, müssen die Beiträge gesenkt werden!" lässt ja einigen Spielraum offen. Wirkliche Details, wie diese Beitragssenkungen dann geregelt werden sollen, gibt es bisher nämlich nicht, wie auch die Pressestelle des Wissenschaftsministeriums bestätigte.
Die Süddeutsche Zeitung will erfahren haben, dass Ministerpräsident Seehofer im Kabinett grundsätzliche Zweifel an den Studienbeiträgen geäußert habe, möglicherweise auch aus Angst vor den Volksbegehren von Piraten und Freien Wählern. Im November spätestens könnte das Thema erneut auf den Tisch kommen. Dann stehen die Haushaltsberatungen an und Ministerpräsident Seehofer will dann – so zitiert ihn die Süddeutsche – "überlegen, für welche Zwecke wir welche Mittel einsetzen". Dazu zähle auch das von der FDP gewünschte kostenfreie letzte Kindergartenjahr, wird weiter ausgeführt.
Wie auch immer: Was aus den Studienbeiträgen wird, dürfte Bayern die nächsten Monate immer wieder beschäftigen. Sei es wegen Zwischenständen zu den angestrengten Volksbegehren, sei es wegen der Haushaltsberatungen oder schließlich wegen Zwangsabsenkungen der Beiträge einzelner Hochschulen, die ihre Einnahmen nicht schnell genug wieder ausgeben.