UN-Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle RechteMenschenrechtslage in Deutschland in der Kritik
Der Internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte
Der UN-Sozialpakt wurde 1966 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Die BRD trat ihm 1973 bei.
Darin verankert sind u.a. das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, das Recht auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit und auf angemessenen Lebensunterhalt durch Arbeit, das Recht auf Bildung (darunter das Recht auf allgemeinen Zugang zu Hochschulen sowie das Recht auf Unentgeltlichkeit des Studiums) und auf Gesundheit sowie das Recht, Gewerkschaften zu bilden.
Volltext des Pakts
(deutsche Übersetzung)
Von Florian Muhl
Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte überwacht die Einhaltung des UN-Sozialpakts. Er wird von 18 unabhängigen Experten gebildet und tagt seit 1985 zweimal jährlich in Genf. Alle fünf Jahre nimmt er Staatenberichte entgegen. Diese Berichte werden unter Berücksichtigung von Parallelberichten, die von Nichtregierungsorganisationen erstellt werden, bewertet. In seinen Concluding Observations (Abschließenden Bemerkungen) spricht der Ausschuss dann Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechtslage aus.
In seiner jüngsten Stellungnahme zur Situation in Deutschland wird u.a. bemängelt, dass es von Seiten deutscher Regierungsstellen bislang keine Reaktion auf die Empfehlungen zu den deutschen Staatenberichten von 1998 und 2001 gegeben hat. Auch wird Besorgnis darüber geäußert, dass die Bestimmungen des Pakts vor den deutschen Gerichten nicht angewandt werden.
Weiterhin wird bspw. die mangelhafte Berücksichtigung der Rolle der Menschenrechte in der bundesdeutschen Handelspolitik kritisiert. Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen und im Rahmen von Entwicklungskooperationen sollten der Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in den entsprechenden Länder dienen und nicht dazu beitragen, sie zu verletzen. Weitere Kritikpunkte sind die immer noch bestehenden besonderen Hürden für Menschen mit Migrationshintergrund bei der Wahrnehmung ihrer Rechte auf Bildung und Arbeit aufgrund von Diskriminierung und Vorurteilen. Angesichts eines Bevölkerungsanteils von 13 %, der unter der Armutsgrenze lebt, empfiehlt der Ausschuss der deutschen Bundesregierung die Einrichtung eines Anti-Armut-Programms.
Kritik an Studiengebühren und Bildungsföderalismus
Im Artikel 13 des UN-Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte – Recht auf Bildung – ist festgehalten, dass "der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss".
Die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren, die in Deutschland seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.01.2005 wieder möglich ist, widerspricht scheinbar offenkundig diesem Ziel. In der Vergangenheit haben deutsche Gerichte dies jedoch anders gesehen, bspw. das Oberverwaltungsgericht Münster in seiner Entscheidung vom 09.10.2007: Demnach sei der UN-Pakt keineswegs einklagbar, sondern lediglich programmatisch zu verstehen.
Der UN-Ausschuss kritisiert denn auch in seinen aktuellen Abschließenden Bemerkungen, dass "der Vertragsstaat seiner früheren Empfehlung von 2001, [...] eine Senkung der Studiengebühren herbeizuführen, mit dem Ziel, diese abzuschaffen, nicht gefolgt ist." (Abschließende Bemerkungen, S.8, P. 30)
In ihrer Antwort vom 5.4.2011 auf die Nachfragen des Ausschusses vom 9.12.2010 zog sich die Bundesregierung noch darauf zurück, die entsprechenden Kompetenzen lägen bei den einzelnen Bundesländern und seien nicht Sache des Bundes. Außerdem seien in den fünf Bundesländern, in denen Studiengebühren erhoben werden, diverse Befreiungsmöglichkeiten eingerichtet worden. So gäbe es z.B. die Möglichkeit, sich zinsgünstig zu verschulden, so dass die Studiengebühren damit sozial verträglich seien und nicht gegen den UN-Sozialpakt verstoßen würden.
Von Seiten des UN-Ausschusses wird diese Argumentation jedoch nicht akzeptiert. Er "fordert den Vertragsstaat auf, im nationalen Hochschulrahmengesetz eine Senkung der Studiengebühren herbeizuführen, und fordert den Vertragsstaat nachdrücklich auf, bislang an die Länder abgetretene bildungspolitische Aufgaben vermehrt an den Bund zu übertragen. [...]" (Abschließende Bemerkungen, S.8, P.30)
Auch das deutsche Schulsystem, dass sich im internationalen Vergleich (weiterhin) durch eine besonders hohe soziale Selektivität auszeichnet, wird vom UN-Ausschuss erneut kritisiert. Der Bundesregierung wird empfohlen – entsprechend der Empfehlungen des Sonderberichterstatters für das Recht auf Bildung aus dem Jahre 2007 – die Praxis der frühen Klassifizierung der SchülerInnen zu überdenken – "insbesondere unter Berücksichtigung der Auswirkungen, die diese Praxis auf den Hochschulbildungserfolg dieser Schülerinnen und Schüler, vor allem aus sozial benachteiligten Gruppen, besitzt".
Quellen
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966
- Homepage des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu seiner 46. Sitzung mit div. Dokumenten
- 5. periodischer Bericht der Bundesregierung an den Ausschuss (16.09.2008, englisch)
- Nachfragen des Ausschusses in Bezug auf den Bericht der Bundesregierung (09.12.2010, englisch)
- Antworten der Bundesregierung auf die Nachfragen des Ausschusses (15.04.2011, englisch)
Abschließende Bemerkungen des Ausschusses (20.05.2011):